Solingen. Der Attentäter von Solingen wollte sich im vergangenen Jahr offenbar juristisch gegen seine Abschiebung wehren. Alle Infos im Newsblog.
- In Solingen sind am Freitagabend bei einem Messerattacke auf ein Stadtfest drei Menschen getötet worden.
- Mehrere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt, es befindet sich seit Sonntag niemand mehr in Lebensgefahr.
- Der Islamische Staat (IS) reklamiert den Anschlag für sich. Am Sonntagabend veröffentlichte die Terrororganisation ein angebliches Bekenner-Video des Täters.
- Am späten Samstagabend hat sich der mutmaßliche Dreifach-Mörder der Polizei gestellt.
- Der Asylantrag des tatverdächtigen Syrers war abgelehnt worden, er sollte abgeschoben werden.
- Nun werden Forderungen nach schärferen Regeln in der Migrationspolitik laut.
- Kanzler Olaf Scholz besuchte Solingen.
» Eine ausführliche Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse finden Sie hier: IS-Anschlag in Solingen: Das geschah in den Tagen des Terrors.
28. August, 7.00 Uhr: Issa al H., der Messer-Angreifer von Solingen, soll bis zuletzt Zahlungen nach dem Asylbewerberleitungsgesetz erhalten haben. Das berichtet die „Bild“-Zeitung. Obwohl der junge Syrer am Tag seiner geplanten Abschiebung nicht anzutreffen war, seien die Zahlungen nicht eingestellt oder gekürzt worden. Ihm hätten demnach weiterhin 368 Euro im Monat zugestanden, heißt es in dem Bericht. Weil die Abschiebefrist nach dem gescheiterten Versuch, ihn zurück nach Bulgarien zu bringen, abgelaufen war, hatte al H. schließlich einen Schutzstatus erhalten.
Nach dem Attentat in Solingen: Die Nachrichten am 26. August
16.30 Uhr: An dieser Stelle beenden wir unsere Berichterstattung in diesem Newsblog. Auf unseren Online-Portalen halten wir Sie natürlich trotzdem auf dem Laufenden. Hier einige aktuelle Texte unserer Solingen-Berichterstattung:
- Opfer von Solingen: „Ich könnte einer der Getöteten sein“
- Der Fall Maan D. in Duisburg: Parallelen zu Solingen?
- Die Chronik des Anschlags in Solingen
- Nach Solingen: Friedrich Merz tappt in die Terroristen-Falle
15:58 Uhr: Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, wurde der 26-jährige Tatverdächtige am Sonntag nach dem Haftprüfungstermin am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in die JVA Düsseldorf gebracht.
Ein Ermittlungsrichter am BGH hatte Haftbefehl unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wegen Mordes erlassen. Danach war der Syrer von schwer bewaffneten Polizisten zurück zu einem Hubschrauber gebracht worden. Der Flug ging nach NRW, die JVA Düsseldorf liegt an der Stadtgrenze im Nachbarort Ratingen.
15.30 Uhr: Grünen-Chef Omid Nouripour hat sich für eine schnelle Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber ausgesprochen. „Mörder und Terroristen sind in diesem Land bei uns nicht willkommen“, sagte er am Montag in Berlin. Insbesondere für islamistisches Gedankengut gebe es in Deutschland keinen Platz. „Der Islamismus ist ein Feind“, sagte der Grünen-Chef. „Er muss entschieden bekämpft werden.“
14.20 Uhr: Die Sorgen vor einer weiteren Stärkung der politischen Ränder kurz vor den Wahlen in Ostdeutschland werden lauter. „Ich befürchte, dass das eine Wirkung hat“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul dem Deutschlandfunk. Der Anschlag und die politische Debatte über die Konsequenzen „könnten jenen Kräften Vorschub leisten, die emotionalisieren“.
13.58 Uhr: Die Bundesregierung hält Forderungen nach einem generellen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan für nicht verfassungsgemäß. „Das würde gegen das Grundgesetz und mutmaßlich auch gegen EU-Menschenrechtsverordnungen verstoßen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Er bezog sich dabei auf Forderungen von CDU-Chef Friedrich Merz, ohne diese allerdings ausdrücklich zu bewerten.
13.40 Uhr: Die Ermittlungen gegen den Verdächtigen dauern an. Wie NRW-Innenminister Reul sagte, wird dabei unter anderen das Handy des Verdächtigen untersucht. Es sei derzeit allerdings noch unklar, ob das „sehr stark beschädigte“ Mobiltelefon wieder instandgesetzt werden könne, um es dann auszuwerten, sagte Reul.
13.09 Uhr: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat umfassende Aufklärung angekündigt. Mit Blick auf die nicht erfolgte Abschiebung des Verdächtigen sei im „konkreten Fall“ zu schauen, „ob alles richtig gelaufen ist“, sagte er in Solingen. „Wenn etwas schief gelaufen ist, muss das auch klar benannt werden.“
Solinges Bürgermeister: „Lasst uns zur Ruhe kommen“
12.33 Uhr: Der mutmaßliche Attentäter wollte sich im vergangenen Jahr offenbar juristisch gegen seine Abschiebung wehren und wurde beim Ausnutzen von Schlupflöchern im EU-Asylsystem rechtlich beraten. Wie unsere Redaktion aus Sicherheitskreisen erfuhr, klagte der Syrer gegen seine Rückführung nach Bulgarien, das für sein Verfahren eigentlich zuständige erste Ankunftsland in Europa.
Eine Abschiebung sollte trotzdem stattfinden, scheiterte aber, weil der Mann beim ersten Versuch nicht in seiner Unterkunft angetroffen wurde. Warum später offenbar nicht mehr nachgefasst wurde, der Syrer sich fortan frei in NRW bewegen konnte und später sogar den amtlichen Schutzstatus bekam, wird NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) aufklären müssen.
12.19 Uhr: Der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) hat darum gebeten, die auf den Anschlag folgenden Debatten nicht auf dem Rücken der Stadt auszutragen. „Lasst uns zur Ruhe kommen“, appellierte er nach dem Treffen mit dem Kanzler. „Es geht nicht nur um Solingen - es geht um unser Land.“
Scholz kündigt Verschärfung des Waffenrechts an
12.09 Uhr: Olaf Scholz hat eine rasche Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. Das gelte insbesondere für Messer - aber auch für „viele andere Dinge drum herum, die geregelt werden müssen“, sagte der Kanzler bei seinem Besuch in Solingen. „Das soll und das wird jetzt auch ganz schnell passieren.“ Mehr dazu lesen Sie hier: Scholz kündigt Verschärfung des Waffenrechts an.
11.32 Uhr: Innerhalb der Passantenmenge, die noch immer auf den Kanzler wartet, wird laut gestritten, beschreibt unser NRW-Landeskorrespondent Tobias Blasius die Lage vor Ort. „Ich kann Ihr Geschwätz nicht mehr hören. Dann wählen Sie doch die AfD“, ruft einer. „Mach ich auch“, kachelt der Nächste zurück. Das Attentat hat wohl nicht nur Solingen aufgewühlt.
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11.11 Uhr: Inzwischen haben sich Dutzende Solinger hinter der Polizeiabsperrung eingefunden und warten auf die Worte des Kanzlers, so unser NRW-Landeskorrespondent Tobias Blasius. Im Gedränge sei sogar ein Passant umgekippt, die Polizei leiste gerade erste Hilfe.
Philipp Müller, Organisator des Stadtfests, hofft derweil auf Antworten in der Migrations- und Messerdebatte. Der Kanzler sei in Solingen willkommen, müsse aber mehr liefern „als Wahlkampf“, sagt Müller gegenüber unseres Korrespondenten.
11.10 Uhr: Der Autor und Islam-Experte Ahmad Mansour kritisiert die deutsche Einwanderungspolitik. Er habe in der Vergangenheit nicht die nötige Entschlossenheit im Kampf gegen Islamismus gesehen, sagte er im Interview mit WDR5.
Zwar sei es richtig, Menschen zu helfen, die vor Krieg fliehen, so Mansour. Wichtig seien jedoch bessere Kontrollmöglichkeiten, um Personen an der Einreise zu hindern, die terroristische Anschläge begehen wollten. „Wir werden nicht die ganze Welt retten können.“
Kanzlerbesuch in Solingen
10.57 Uhr: Der Kanzler sowie Hendrik Wüst sprechen nun in der „Gläsernen Werkstatt“, einer lokalen Manufaktur unmittelbar in Tatortnähe, mit Einsatzkräften aus der Tatnacht. Das berichtet unser Landeskorrespondent Tobias Blasius vor Ort. Dort war am Freitag auch eine Anlaufstelle für Traumatisierte kurz nach dem Attentat.
10.45 Uhr: Die Co-Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), Amira Mohamed Ali, hat schnellere Abschiebungen gefordert. „Wir müssen darüber reden, dass Menschen, die ausreisepflichtig sind, Anreize bekommen auszureisen, und dass man sonst zur Not durchgreifen muss“, sagte sie im RBB-Inforadio.
Mohamed Ali forderte schnellere Verfahren, mehr Investitionen und die Prüfung der Prozesse. „Zum Teil werden junge Leute, die sich noch in Ausbildung befinden, in Nacht-und-Nebel-Aktionen abgeschoben“, sagte sie. „Auf der anderen Seite haben wir Intensivtäter, die immer noch hier sind. Das kann man eigentlich keinem erklären.“
10.23 Uhr: Dutzende Medienvertreter haben sich in Tatort-Nähe am „Fronhof“ in Solingen versammelt und warten auf Olaf Scholz, der zusammen mit Hendrik Wüst und Herbert Reul noch im Rathaus beim Oberbürgermeister ist. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm hoch, berichtet unser Landeskorrespondent Tobias Blasius. Ein Sprengstoff-Hund beschnüffelt die Ausrüstung der Journalisten.
Innenminister Reul fordert stärkere Grenzkontrollen
10.10 Uhr: NRW-Innenminister Reul hat sich für stärkere Grenzkontrollen sowie für Zurückweisungen von Flüchtlingen ausgesprochen. „Ich glaube, es geht nicht anders“, sagte er vor seinem Besuch in Solingen im Deutschlandfunk.
Der wichtigste Schritt werde sein, die Zuwanderung zu begrenzen. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sind aus seiner Sicht richtig.
9.42 Uhr: Olaf Scholz (SPD) ist in Solingen eingetroffen. Zunächst tauschte sich der Kanzler im Rathaus mit Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) aus. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz, um den Besuch zu schützen.
9.21 Uhr: Die Union will die Attacke und die Folgen auch zum Thema im Bundestag machen. Ihre Fraktion habe eine Sondersitzung des Innenausschusses für diese Woche beantragt, sagte die Vize-Vorsitzende Andrea Lindholz (CSU) im „Frühstart“ von RTL/ntv. Dort solle Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklären, welche Maßnahmen die Bundesregierung plane und wie sie die Sicherheitslage verbessern wolle.
8.31 Uhr: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat die Vorschläge von Friedrich Merz für eine Verschärfung der Asylpolitik zurückgewiesen. „Er hat viele Vorschläge gemacht, die gehen rechtlich nicht“, sagte Kühnert im ARD-„Morgenmagazin“.
Er verwies dabei auf das individuelle Recht auf Asyl. Die Pläne von Merz gingen nicht, „weil die Verfassung, unsere Grundordnung dem entgegensteht“.
Diskussion über Migration und Sicherheitsverschärfungen
8.13 Uhr: Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte mehr Befugnisse für die Bundespolizei. Der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, rief Bundesjustizminister Marco Buschmann auf, den Weg frei zu machen für mehr Kontrollbefugnisse etwa an Bahnhöfen. „Der Justizminister muss endlich mit seiner Blockade in diesem Bereich aufhören“, sagte Roßkopf der „Rheinischen Post“.
Die Bundespolizei benötige dringend an Hotspots gesetzliche Verschärfungen für die Überwachung und die Kontrolle. An diesen gefährlichen Orten würden Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt. Daher sei es zwingend, die Befugnisse der Bundespolizei zur Kontrolle und Identitätsfeststellung von Personen an solchen Orten in die Novelle des Bundespolizeigesetzes einzubringen. „Nur dann haben Verschärfungen oder Verbote auch einen Sinn“, sagte Roßkopf.
7.55 Uhr: Der Solinger Anschlag befeuert auch den Wahlkampf vor den Landtagswahlen im Osten. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dringt auf ein Messer-Verbot. „Messer, gerade wenn sie zum Verletzen anderer hergestellt sind, gehören auf der Straße verboten“, sagte Woidke auf Anfrage. Er ist SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 22. September. Lesen Sie auch: Terror-Experte – „Wir stehen am Beginn einer neuen Welle“.
7.25 Uhr: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte in der ARD, Straftäter müssten sofort in Arrest genommen werden und das Land verlassen, insbesondere in Richtung Syrien und Afghanistan. Der Polizei müssten mehr Möglichkeiten für Kontrollen gegeben werden.
7.14 Uhr: SPD-Chefin Saskia Esken wies die Forderung von Friedrich Merz nach einem Aufnahmestopp zurück, da ein solcher Schritt „mit unseren Gesetzen auch nicht vereinbar ist, nicht mit der Europäischen Flüchtlingskonvention, nicht mit unserer Verfassung“. Schwere Straftäter und islamistische Gefährder müssten aber in diese Länder abgeschoben werden können.
7.10 Uhr: Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) sprach sich für Grenzschließungen aus, um irreguläre Migration zu stoppen. Der „Rheinischen Post“ sagte er: „Es kommen seit Jahren jeden Tag Hunderte junge Männer aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland und Europa. Das muss endlich enden.“
Im ARD-Brennpunkt äußerte sich dazu auch CDU-Chef Friedrich Merz und sprach von einer „naiven Einwanderungspolitik“. „Wenn Solingen jetzt für die Koalition nicht der Wendepunkt ist, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss, damit hier einige Leute endlich mal zur Besinnung kommen“, so Merz.
7.03 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist für eine Ausweitung von Befugnissen der Sicherheitsbehörden. Zu einem besseren Schutz vor Angriffen „gehört auch, dass die Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. Steinmeier forderte mehr Personal für die Sicherheitsbehörden. Bei terroristischer Gefahr sei aber auch eine Ausweitung der Befugnisse etwa des Bundeskriminalamts denkbar.
Aufarbeitung nach Attentat in Solingen gefordert
6.31 Uhr: Nach dem Anschlag wird Aufklärung verlangt, weshalb die Behörden im vergangenen Jahr mit dem Versuch scheiterten, den syrischen Tatverdächtigen abzuschieben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte in der ARD-Sendung „Caren Miosga“, der mutmaßliche Attentäter sei im rechtlichen Sinne nicht untergetaucht.
Er sei an dem Tag, an dem er abgeholt werden sollte, schlicht nicht dagewesen. „Ansonsten war er immer und häufig in dieser Einrichtung.“ Er stelle sich auch viele Fragen, ob diese Verfahren richtig sind, ausreichend sind, übertrieben sind, sagte Reul. Die Talkshow-Debatte zusammengefasst: Publizistin bei „Caren Miosga“ – „Islamismus schon längst Teil Deutschlands”.
6.20 Uhr: NRW-Ministerpräsident Wüst fordert eine Aufarbeitung auch innerhalb der Behörden. Im ZDF-„heute journal“ sagte er: „Wenn da irgendwo was schiefgelaufen ist, bei welcher Behörde auch immer, ob vor Ort in Bielefeld, in Paderborn oder bei Landes- oder Bundesbehörden, dann muss die Wahrheit da auf den Tisch.“ Er fordert zudem eine neue Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts, um besser nach Syrien abschieben zu können.
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(mit dpa, epd, AFP)