Gelsenkirchen. Die Abwassergebühren dürften auch in 2024 weiter steigen. Warum das so ist und was das mit dem Gebühren-Urteil zu tun hat.

Die jahrelang gängige Praxis bei der Berechnung der Abwassergebühren ist gerichtlich gekippt worden. Eine Flut von Einsprüchen in den Kommunen war die Folge, auch in Gelsenkirchen. Die Stadt hat daraufhin erteilte Bescheide ruhend gestellt und ihre Kalkulation geändert. Das heißt aber nicht, dass die Abwassergebühren sinken, das Gegenteil ist der Fall.

Bei der Verwaltung geht man davon aus, dass die Abwassergebühren im kommenden Jahr wieder einen Preissprung erleben werden. Nach oben versteht sich, so war es zuletzt immer. Das hat allerdings wenig zu tun mit dem überraschenden Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster vom 17. Mai 2022.

Gelsenkirchen: 660 Einsprüche gegen Bescheide – 25 Prozent Preisanstieg in fünf Jahren

 Die Abwassergebühren steigen und steigen: Die Stadt Gelsenkirchen begründet den Dreh an der Preisspirale unter anderem mit „dem Alter des Kanalnetzes, der Topographie, der Entwicklung der Bau- und Personalkosten und den Verbandsbeiträgen für die Emschergenossenschaft (EG).“
Die Abwassergebühren steigen und steigen: Die Stadt Gelsenkirchen begründet den Dreh an der Preisspirale unter anderem mit „dem Alter des Kanalnetzes, der Topographie, der Entwicklung der Bau- und Personalkosten und den Verbandsbeiträgen für die Emschergenossenschaft (EG).“ © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Der Tenor des Urteils lautet vereinfacht: Sowohl die Abschreibung des Eigenkapitals als auch die Zinsberechnung für Kredite habe die Stadt Oer-Erkenschwick zu hoch angesetzt und damit zu hohe Abwassergebühren berechnet. Das Urteil hat auch in Gelsenkirchen, das ähnlich kalkuliert hat, eine Welle von Einsprüchen gegen die Gebührenbescheide ausgelöst: 640 waren es im Jahr 2021, 20 im Jahr 2022. Die Stadt hatte die Bearbeitung zunächst ausgesetzt, weil das letzte Wort in dieser Frage vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gesprochen werden musste.

Das ist in diesem Frühjahr passiert, in der Sache bleiben die vom Oberverwaltungsgericht Münster aufgestellten Grundsätze weiter wirksam. So hat auch das NRW-Kommunalministerium die Lage eingeschätzt und das Kommunalabgabengesetz geändert. Für die Abschreibung des Eigenkapitals dürfen die Kommunen nur noch die letzten 30 und nicht mehr 50 Jahre als Referenzzeitraum nutzen, bei Krediten muss der aktuelle Zinsdurchschnitt zugrunde gelegt werden. Auf dieser Basis hat Gelsenkirchen die Abwassergebühren für 2023 neu berechnet. Interessant:Abstieg in die Gelsenkirchener Unterwelt – im Abwasserkanal

Demnach fallen in Gelsenkirchen für Schmutzwasser in diesem Jahr 2,93 Euro pro Kubikmeter (1 Kubikmeter entspricht 1000 Liter) Wasser an, für Niederschlagswasser werden 1,41 Euro pro Kubikmeter fällig. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren lagen die Preise noch bei 2,36 €/m3 beziehungsweise 1,12 €/m3. Das entspricht einer Verteuerung um rund 25 Prozent. Die neue Satzung, nach der die Preise für 2024 festgelegt werden, wird im Dezember beschlossen.

Gelsenkirchen gehört zu den fünf teuersten Städten in NRW bei Abwassergebühren

Damit gehört Gelsenkirchen neben Moers (766,80 Euro) und Wuppertal (805,25 Euro) sowie Essen (828,68 Euro) und Mönchengladbach (985,1 Euro) zu den fünf teuersten Städten in NRW bei den Abwassergebühren. Dabei verdienen die Menschen in Gelsenkirchen am wenigsten und haben die geringste Kaufkraft. Am billigsten in NRW ist es in Köln (408,05 Euro), bundesweit die niedrigsten Gebühren erhebt Worms mit 245 Euro.

Lesetipps:

Sowohl der Steuerzahlerbund als auch die Immobilienbesitzer werfen einigen Städten vor, die Erträge aus den Abwassergebühren zu nutzen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Die Stadt Gelsenkirchen begründet den Dreh an der Preisspirale unter anderem mit „dem Alter des Kanalnetzes, der Topografie, der Entwicklung der Bau- und Personalkosten, Verbandsbeiträge für die Emschergenossenschaft (EG) und den Lippeverband (LV), Veränderungen der Abwassermenge sowie der Summe der abflusswirksamen Grundstücksflächen für das Niederschlagswasser“.

Und die 660 Einsprüche gegen die Gebührenbescheide - was passiert mit denen? Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht eine verbraucherunfreundliche Ansage gemacht. Demnach können Städte die Gebührenbescheide aufheben, müssen es aber nicht – trotz des Urteils.