Mülheim. Mit einem rasanten Stück von Vorjahressiegerin Sivan Ben Yishai wird das 48. Festival in Mülheim eröffnet. Scharfsinnig und witzig geht es zu.
Sie befindet sich gerade auf der Erfolgsspur: 2022 gewann Sivan Ben Yishai mit „Wounds Are Forever“ den Mülheimer Dramatikpreis. Jetzt ist die „Nora“-Inszenierung der Münchner Kammerspiele mit einem Prolog von Ben Yishai zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden, die Autorin wird zudem mit dem Berliner Theaterpreis geehrt – und ihr neues Stück eröffnet die diesjährigen Mülheimer Theatertage.
Mit „Bühnenbeschimpfung (Liebe ich es nicht mehr oder liebe ich es zu sehr?)“ nimmt sie den Theater- und Kunstbetrieb selbst ins Visier und fragt mit bösem Humor, wie es eigentlich sein kann, dass ein oft so unmoralischer Betrieb sich so moralisch gibt. „Dabei wird der Abend genau nicht zur Selbstbespiegelung, sondern zur Abrechnung mit der Lust an der Selbstbespiegelung“, erklärt Felix Mannheim vom Stücke-Team. Sivan Ben Yishai benutze die Institution Theater als Ausgangspunkt, um grundlegende Fragen von Macht, Gehorsam, Zuschauerschaft und Widerstand zu verhandeln – „vielstimmig, kritisch und so lebendig, dass die Uraufführung des renommierten Maxim Gorki Theaters aus Berlin zum Theaterfest wird.
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Maxim Gorki Theater ist in Mülheimer Stadthalle zu Gast
„Bühnenbeschimpfung“ beginnt ganz einfach, auf der Bühne. Bei den Schauspielerinnen und Schauspielern, die da stehen, spielen sollen – und das Theater repräsentieren. Sie sind Teil der Institution und ihr und ihren subtilen Machtstrukturen zugleich ausgeliefert. Dabei wollen sie manchmal vielleicht was ganz Anderes…
Im zweiten Teil dreht sich die Perspektive, jetzt stehen die Zuschauerinnen und Zuschauer im Zentrum, ihr Blick, ihre Sorgen und Fragen. Die Angst, mitspielen zu müssen, die Hoffnung, bald heim beim Wein zu sein. Im dritten Teil spricht das Theater selbst. Auch über die Frage, wie eine Welt aussähe, in der Theater nur noch Ruinen sind.
Von Sivan Ben Yishai ist das als wilder Ritt, als Fest für die Darstellenden und schwarzhumoriger Trip angelegt. Regisseur Sebastian Nübling und sein Ensemble vom Gorki-Theater zeigen, wie viel Power im Theater steckt! „Bühnenbeschimpfung ist einer der stärksten Abende, die Hausregisseur Nübling je am Gorki gemacht hat. (…) Rasant, klug, im besten Sinne selbstreferenziell, fordernd und dazu wahnsinnig witzig: Was will man mehr?“, urteilte der Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Autorin war schon mehrfach bei Mülheimer Theatertagen dabei
Sivan Ben Yishai wurde 1978 in Palästina/Israel geboren und lebt seit 2012 in Berlin. Sie hat eine ganz eigene Theatersprache entwickelt, ihre Stücke sind von den Spielplänen kaum noch wegzudenken. Mit „LIEBE/ Eine argumentative Übung“, das im Rahmen ihrer Hausautor:innenschaft am Nationaltheater Mannheim entstand, wurde sie bereits 2020 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Mit „Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)“ gewann Sie im vorigen Jahr den Mülheimer Dramatikpreis. Mit „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“ in der Inszenierung der Münchner Kammerspiele war 2021 ein Stück von ihr zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Der Theaterpreis Berlin, den sie am 20. Mai erhält, ist mit 20.000 Euro dotiert und zeichnet Personen aus, die sich in besonderer Weise durch ihr Lebenswerk oder herausragende Einzelleistungen um das deutschsprachige Theater verdient gemacht haben.
Eröffnung und Karten
Zum Festivalauftakt (13. Mai) gibt es in der Stadthalle die Chance, Sivan Ben Yishai gleich doppelt zu erleben. Um 18 Uhr beginnt im Kammermusiksaal die Ehrung der Preisträgerinnen und Preisträger des Vorjahres. Sivan Ben Yishai wird von Regisseur Tobias Herzberg mit einer Laudatio gewürdigt. Eintritt frei.Um 19.30 Uhr eröffnen dann die 48. Mülheimer Theatertage im Theatersaal mit Ben Yishais „Bühnenbeschimpfung (Liebe ich es nicht mehr oder liebe ich es zu sehr?)“. Tickets gibt es bei der Touristinfo Mülheim, Schollenstraße 1, Telefon: 960 960 und unter stuecke.de.