Oberhausen. Immer mehr Menschen suchen bei der Oberhausener Tafel Unterstützung. Die Schlange wird stetig länger. Eine Folge: Streit unter den Wartenden.
Hinter der Oberhausener Tafel liegt ein schwieriges Jahr. Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine und nun noch gestiegene Preise bei Energie und Lebensmitteln. „Die Zahl der Bedürftigen hat sich verdoppelt“, bringt es Silvia Willershausen, Vorsitzende der Oberhausener Tafel, auf den Punkt. Im jüngsten Sozialausschuss bittet sie die Stadt deutlich darum, das Projekt zu unterstützen. „Sonst können wir unsere Arbeit nicht fortführen.“
4000 Bedürftige unterstützt die Tafel in Oberhausen, 1800 davon sind Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Wöchentlich gebe es zehn bis 20 Neuanmeldungen für die Lebensmittelausgabe, berichtet Willershausen. Aber nicht nur von Geflüchteten. Auch Menschen, die unter der Energiepreiskrise leiden, suchen nun Hilfe bei der Tafel. Und so wird die Schlange an der Buschhausener Straße immer länger.
Oberhausener Tafel führt neues System für Wartende ein
Klaus-Dieter Broß, Sprecher der Oberhausener CDU, spricht im Sozialausschuss von „emotionalen Momenten, wenn man die Schlange sieht. Man bekommt förmlich Wut“. Auch Vertreter von den Grünen und der SPD stimmen ein, sprechen von Scham. Doch muss so eine lange Schlange überhaupt sein? Noch dazu eine, die für alle so offensichtlich an der vielbefahrenen Buschhausener Straße zu sehen ist, fragt Lühr Koch von der Linken Liste nach einem womöglich besseren System.
Petra Schiffmann, ehemalige Vorsitzende der Tafel und nun Vorsitzende des Vereins zur Förderung der „Tafelkirche“ Heilige Familie, erklärt: Die Schlange ist aus Infektionsschutzgründen nötig. Nur so können unter Pandemie-Bedingungen die Abstände gewahrt werden. Mittlerweile stehen in der Schlange aber ohnehin so viele Menschen, dass sie nicht mehr – wie noch vor der Pandemie – in den Innenhof der Tafelkirche passen würden.
Unter den Wartenden kommt es zu Streit
Um die Bedürftigen vor neugierigen Blicken zu schützen, ihnen aber auch die Möglichkeit zu geben, nicht mehrere Stunden in der Kälte zu stehen, hat die Tafel nun wieder ein Markensystem eingeführt: „Morgens geht ein Kollege raus und verteilt die Marken der Reihe nach“, erklärt Silvia Willershausen. Auf der Marke steht eine Nummer, anhand derer die Wartenden abschätzen können, wann sie an der Reihe sind – und zwischendurch zum Beispiel noch mal nach Hause gehen können. „Das klappt auch ganz gut.“
Was nicht immer gut klappt, ist das geordnete Anstehen. Häufig drängelten sich Neuankömmlinge vor, was dann zu Streit unter den Wartenden führe. Für solche Momente hätten die Tafel-Verantwortlichen gerne einen Sicherheitsdienst an ihrer Seite. „Wir hätten uns gewünscht, dass jemand draußen steht und schaut, dass die Leute in der Reihe stehen“, sagt Willershausen.
Sprachbarrieren fördern Missverständnisse
Mit den Geflüchteten seien auch Leute zur Tafel gekommen, die das System nicht kannten – und es aufgrund von Sprachbarrieren auch nicht direkt verstehen konnten. An der Bushaltestelle an der Buschhausener Straße seien dann teils Gruppen von Leuten ausgestiegen, die dort in der Schlange Bekannte erblickten und sich direkt zu ihnen nach vorne stellten. Willershausen: „Die, die dahinter standen, haben sich natürlich aufgeregt.“
Diese Konflikte zu lösen, bedeutete für das in der Pandemie ohnehin schon geschrumpfte Tafel-Team noch eine zusätzliche Belastung. Zwar fanden sich unter den Wartenden mit der Zeit Menschen, die übersetzen konnten, doch auch hier wünscht sich die Tafel eine bessere Lösung. Ercan Telli, Sprecher der SPD, verspricht im Sozialausschuss, mit dem Kommunalen Integrationsdienst der Stadt Kontakt aufzunehmen – um die Abläufe weiter zu verbessern und Sprachbarrieren abzubauen.
Aus den Reihen der Politik wird viel Anerkennung und Dank für die Oberhausener Tafel laut. Aber auch Bedauern. Klaus-Dieter Broß: „In unserem reichen Lande ist es mehr als negativ, dass es so eine Tafel überhaupt geben muss.“
>>>INFO:
Die Tafel sucht Ehrenamtliche. Denn der Bedarf in der Bevölkerung ist gestiegen, das Tafel-Team aber ist geschrumpft. Während der Corona-Pandemie haben viele ihr Engagement aufgegeben.
Wer sich ehrenamtlich für ein paar Stunden bei der Tafel betätigen möchte, kann sich beim Tafelteam melden. Infos gibt es von Montag bis Freitag zwischen 7 und 17 Uhr telefonisch: 0208 9608422.