Mülheim. Die nächste Premiere im Theater an der Ruhr in Mülheim steht an: „Woyzeck“ in einer Fassung des Kollektivs Glossy Pain. Was Besucher erwartet.

Wie Liebe in Gewalt umschlägt – Georg Büchner hat es in seinem „Woyzeck“-Fragment erschütternd dargestellt. Das Theaterkollektiv Glossy Pain wählt eine ganz spezielle Sichtweise auf den klassischen Stoff. Regisseurin Katharina Stoll und ihr Team lenken den Blick auf die Frauenfiguren im Drama und betrachten Büchners Text aus der Perspektive der Frauen. Die Produktion im Rahmen der Reihe „Junges Theater“ hat am Freitag, 3. Februar, um 19.30 Uhr Premiere im Theater an der Ruhr.

„Woyzeck“ steht nicht zufällig auf der Lektüreliste deutscher Abiturienten. Vieles von dem, was Büchner in seinem Werk thematisiert, lässt sich auf unsere Gegenwart übertragen. Katharina Stoll verlegt das Geschehen in die Jetzt-Zeit und die Lebenswelt junger Menschen. Marie und Margret (bei Büchner die Nachbarin) sind beste Freundinnen und leben zusammen in einer WG. Woyzeck, der Nachbar, verliebt sich in Marie. Doch die Liebe zwischen den beiden sehr unterschiedlichen jungen Leuten verändert sich mit der Zeit fast unmerklich – und endet in Gewalt.

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Mülheimer Inszenierung wählt flotten Zugriff auf Büchners Stoff

An der Überschreibung des Original-Textes waren auch die drei Darsteller (Riah Knigth, Amanda Babaei Vieira und Joshua Zilinske) beteiligt. Ein flotter Zugriff sei durch regen Ideenaustausch und improvisiertes Spiel entstanden, sagt Dramaturgin Constanze Fröhlich. „Dennoch ist viel vom Büchnertext übriggeblieben“, berichtet Katharina Stoll und ergänzt: „Unsere Auslegung ist tatsächlich im Text enthalten, nur unsere Lesart ist eine andere.“ Georg Büchner habe Veränderungen angestrebt. „Er hätte es sicher nicht gut gefunden, wenn sein Stück immer wieder so ausgelegt würde, dass zwar vom Mord an einer Frau erzählt wird, aber mit dem Blickwinkel, was für ein armes Opfer der Mann ist.“

Liebe kann toxisch sein. Szene aus der „Woyzeck“-Produktion, die im Theater an der Ruhr in Mülheim zu sehen ist.
Liebe kann toxisch sein. Szene aus der „Woyzeck“-Produktion, die im Theater an der Ruhr in Mülheim zu sehen ist. © Theater an der Ruhr | Pircher

Die Inszenierung rückt die toxische Männlichkeit in den Fokus. Entlarvt werden soll die omnipräsente und strukturelle Gewalt gegenüber Frauen als Folge längst überkommener (Moral)-Vorstellungen. Über Video-Einspielungen (Sebastian Pircher) wird männliche Gewalt ins Bild gesetzt. Auch die Musik (Hannes Gwisdek und Riah Knight) enttarnt und verurteilt das Patriarchat – anhand von selbstkomponierten, aber auch weltbekannten Songs. „Es gibt tatsächlich nicht wenige Songs, die davon handeln, wie Männer Frauen töten“, sagen Regisseurin und Dramaturgin und führen als Beispiel „Delilah“ von Tom Jones an.

Junge Mülheimer, aber auch ältere Zuschauer sind Zielgruppe

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Mit dem Femizid, der am Ende von „Woyzeck“ steht, hat sich das Kollektiv auch theoretisch intensiv beschäftigt. „Es ist immer noch so, dass Morde von Männern an Frauen oft als Totschlag eingestuft werden, während Frauen, die ihre Männer töten, als heimtückische Mörderinnen verurteilt werden. Das ist ein strukturelles Problem. Dabei ist es doch so, dass die meisten Frauen Freiheit suchen und viele Männer aus Besitzanspruch handeln“, erläutert Katharina Stoll.

Ihr Stück will Fragen aufwerfen: Wie führen wir Beziehungen? Welche Ansprüche haben wir an Freundschaft und Liebe? Aber auch: Warum sind Frauen Opfer? Was lässt Männer zu Tätern werden? Gibt es eine andere Sprache als die der Gewalt? Junge Menschen, auch Schulklassen, sind eingeladen, all das zu reflektieren. Sie können auch theaterpädagogische Begleitung in Anspruch nehmen. Aber auch ältere Menschen möchte man gerne im Theatersaal begrüßen.

Viele weitere Vorstellungen sind geplant. Infos auf www.theater-an-der-ruhr.de. Karten: Tel. 5990188. Das Stück wird auch im Forum Freies Theater in Düsseldorf gezeigt (FFT).