Gelsenkirchen-Ückendorf. Das gelbe Haus im Herzen der Schalker Meile ist unter den Hammer gekommen. Für fast eine Dreiviertelmillion Euro. Was der neue Eigentümer plant.
Der Hammer ist gefallen: Das gelbe Haus an der Ecke Kurt-Schumacher-Straße/Uechtingstraße ist am Freitag, 3. Februar, im Ückendorfer Justizzentrum zwangsversteigert worden. Für die noch bewohnte, bessere Hälfte wurden 616.000 Euro aufgerufen, für die andere, laut Gutachten schrottreife Hälfte, waren es immerhin noch 125.000 Euro. Neuer Eigentümer ist allerdings nicht wie erwartet die Stadttochter GGW, sondern überraschend die gerade einmal zwei Wochen alte „Vermietungsgesellschaft BBS1 UG“ mit Sitz in Erkrath.
Kauf für rund 750.000 Euro: Gelbes Haus an Schalker Meile wird komplett saniert
Deren Geschäftsführer Sajad Soleymanmanesh zeigte sich nach der Versteigerung überaus froh, den zweigeteilten Bieterwettstreit mit dem Gebot von insgesamt rund einer Dreiviertelmillion Euro für die Hausnummern 124 und 126 gewonnen zu haben. „Wir werden jetzt einen Bau- beziehungsweise einen Sanierungsplan aufstellen“, sagte der 37-jährige BBS1-Geschäftsführer. Frühestens im Herbst dieses Jahres könnten seiner Einschätzung nach „die ersten Arbeiten erfolgen“.
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Soleymanmanesh kündigte an, beide Haushälften aufwendig sanieren und renovieren zu wollen, „um dann die einzelnen Wohnungen zu vermieten“. Ein Abriss der maroden Hälfte kommt demnach für die Holding nicht in Frage. „Die Bausubstanz ist besser, als es das Gutachten darstellt. Sie ist sehr solide in solchen alten Häusern“, so der Geschäftsführer weiter, der von sich sagt, ein „Faible für ältere Gebäude“ zu haben und der nach eigenem Bekunden auch ein „Schalke-Fan“ ist. Das Gutachten von Bauexperten stuft die Modernisierungskosten für die marode Hälfte mit rund 760.000 Euro ein.
Die gelbe Reiz-Farbe verschwindet: Saniertes Eckhaus soll in Blau und Weiß erstrahlen
Angesprochen auf den Stellenwert dieses Hauses und die Schalker Meile für die große Fangemeinde des FC Schalke als Herzkammer der Knappen, kündigte Sajad Soleymanmanesh an, die bei Fans vielfach für Bluthochdruck erzeugende gelbe Farbe durch eine neue ersetzen zu wollen: „Das Haus wird blau-weiß. Der Sockel wird in Blau gehalten, der Rest der Fassade in Weiß.“
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Mitgeboten hatte unter anderem auch die GGW, vertreten durch Prokurist Joachim Brake. Das gemeinnützige Gelsenkirchener Wohnungsunternehmen arbeitet zusammen mit der Stadtverwaltung daran, marode Gebäude mit prekärem Wohnraum aus dem Stadtbild zu entfernen und modernen Wohnraum zu schaffen. Brake nach der Verhandlung: „Wir sind ein bisschen enttäuscht, wir müssen aber bei solchen Versteigerungen mit Bedacht vorgehen, weil es sich um öffentliche Gelder handelt“.
Stadtbaurat spricht von „Mondpreis“. Kaufpreis fast doppelt so hoch wie Verkehrswert
Stadtbaurat Christoph Heidenreich äußerte sich ähnlich: „Wir werden unmittelbar auf die neuen Eigentümer zugehen und Entwicklungsmöglichkeiten der Gebäude aufzeigen. Wenn die Kommune an einem Grundstück oder Gebäude interessiert ist, bedeutet das auf keinen Fall, dass der Weg für Mondpreise frei ist. Wir werden die weitere Entwicklung der Gebäude an der Kurt-Schumacher-Straße genau im Auge behalten.“
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Der Verkehrswert von Hausnummer 126 liegt laut Gutachten bei 385.000 Euro, der der maroden Hälfte, Hausnummer 124, wird mit einem Euro beziffert. Als Mindestgebote aufgerufen waren 195.000 Euro und 36.500 Euro. Mit insgesamt 741.000 Euro übertrifft die Kaufsumme den Verkehrswert also fast um das Doppelte.
Zwangsverwaltung und Verkündigungstermin
Das gelbe Haus an der Kurt-Schumacher-Straße ist zwar versteigert, das heißt aber nicht, dass es sofort vermietet oder weiterverkauft werden kann. Denn: Die Hausnummer 126 steht unter Zwangsverwaltung. Erträge, etwa aus Mieten, fließen an den Gläubiger, in diesem Fall die Stadt, die noch Grundbesitzabgaben in fünfstelliger Höhe hat. Bei Haus 124 wurde ein Verkündigungstermin, 14. Februar (10 Uhr, Saal 202) festgesetzt. Heißt: Erst dann ist klar, ob der Käufer den Zuschlag tatsächlich bekommt, nachdem alles bezahlt wurde.Eine Gesetzeslücke birgt aber Gefahr: Der Käufer muss bei Zwangsversteigerungen lediglich zehn Prozent des Verkehrswertes als Sicherheit sofort entrichten. Für den Rest kann er sich zwei Monate Zeit lassen. Das wird im Zusammenhang mit Schrottimmobilien oft ausgenutzt, indem man in dem Zeitraum bereits Mieter zulässt und entsprechende Einnahmen kassiert. Bei vielen Mietern übersteigen die Mieteinnahmen dann die Sicherheitsleistung um ein Vielfaches – ein einträgliches Geschäft.
Triumph: „Wir haben eine Kleinigkeit gekauft, gehen wir nach Hause“
GGW und BBS1 überboten sich im Bieterrennen um den Zuschlag weitestgehend im Alleingang. Erschienen waren insgesamt gut 30 Interessierte. Wenn die GGW das Angebot um 5000 Euro erhöhte, konterte die BBS1 mit 1000 Euro mehr. Was in den Sitzreihen der städtischen Vertreter, unter anderem dem Bauamt, mit verärgerten Kommentaren quittiert wurde. Nach Ende der Zwangsversteigerung sagte einer der beiden Begleiter des BBS1-Geschäftsführers triumphierend: „Wir haben eine Kleinigkeit gekauft, gehen wir nach Hause.“
Bei der Vermietungsgesellschaft BBS1 UG handelt es sich Soleymanmanesh zufolge um ein „noch sehr junges Unternehmen“, das zu einer Holding gehöre, deren führende Köpfe lieber anonym bleiben möchten. Ziel sei es, den derzeitigen Bestand von 150 Objekten zu erhöhen und nach einer Sanierung weiter zu vermieten. In Gelsenkirchen, so der 37-Jährige weiter, besäße die Holding vier weitere Immobilien. Er selbst sei „seit 15 Jahren in der Immobilienbranche tätig“.
Eine Internetabfrage ergibt, dass die Vermietungsgesellschaft BBS1 UG seit dem 23. Januar dieses Jahres existiert. Haftungskapital: 1500 Euro. Unternehmensgegenstand ist „der Erwerb sowie das Halten und Verwalten von Immobilien“.
Bei der Stadt sieht man den Kauf augenscheinlich sehr kritisch: Dem Vernehmen nach stuft man in der Verwaltung die Wirtschaftlichkeit einer solchen Unternehmung bei einem Kaufpreis von einer Dreiviertelmillion Euro, einem Sanierungsbedarf von insgesamt über einer Million Euro für beide Haushälften und der geschilderten Mietabsicht, als mehr als fraglich ein.
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