Oberhausen/Mülheim. Bei Hellwig Retrolook gibt es unzählige Deko-Artikel im US-Stil der 50er. Chef Erwin Hellwig macht dazu noch eine Kneipe auf: „Hellwig’s Heaven“.
Der selbst ernannte „King of Retro“ residiert in einer Scheune. Etliche Menschen dürften in den vergangenen Jahren an dem unscheinbaren Gebäude an der Friesenstraße in Mülheim-Styrum vorbeigekommen sein, ohne zu ahnen, was sich im Innern verbirgt. Nur zwei kleine Schilder am Eingang weisen darauf hin: Hellwig Retrolook. Established 2006, um im Bild zu bleiben, Deko- und Gebrauchsartikel im Stil der 50er Jahre mit Schwerpunkt USA: Auf 600 Quadratmetern auf zwei Etagen stehen dicht an dicht Kühlschränke, Diner-Möbel, Tanksäulen, Ölfässer, Neon-Werbung, allein da rund 150 Motive, Jukeboxen, lebensgroße Aufsteller von Betty Boop und den Blues Brothers, von Uncle Sam und Captain America, Werbetafeln, originale Highway-Schilder. Als wäre es das Lager eines Museums. Wie viele Artikel er im Bestand habe? „Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen“, sagt Erwin Hellwig und lacht, „ich habe selbst keinen Überblick mehr.“
Den Titel „King of Retro“ habe er sich verpasst, weil es deutschlandweit niemand außer ihm gebe, der „alles“ verkauft. Es gebe Spezialisten für Ölfässer oder für Kühlschränke, und es gebe ihn: „Du musst ein bisschen verrückt sein“, sagt der 54-Jährige, „aber es macht einfach Spaß.“ Seine Waren kauft Hellwig bei Privatsammlern im gesamten Bundesgebiet, einiges bestellt er auch direkt in den USA, gebraucht, original oder Replika. Der Oberhausener ist in eine Nische gestoßen und hat damit Erfolg. Betuchtere Kunden für seine eher hochpreisigen Artikel hat er im kompletten deutschsprachigen Raum. Auch dem früheren VW-Boss Ferdinand Piëch hat er einmal einen Kühlschrank geliefert.
Retro-Kühlschränke aus Metall: Preise starten bei 1300 Euro
Auf seine Retro-Kühlschränke aus Metall ist Hellwig neben seinen Jukeboxen besonders stolz: „Da hängt mein Herz dran. Kreativ zu sein, das ist mein schönster Moment.“ Die bis vor kurzem noch von deutschen Herstellern wie Bosch oder Siemens hergestellten massiven Elektrogeräte mit hoher Energieeffizienzklasse lässt der 54-Jährige in einem Betrieb in Oberhausen umlackieren und verpasst ihnen dann ein US-Retrodesign, Flaschenöffner an der Türe inklusive. Miller Bier, Coca Cola, Texaco. Los gehen die Preise hierfür bei 1300 Euro. Der Kühlschrank mit dem großen „Gulf“-Logo des amerikanischen Ölkonzerns könnte bald in der Garage eines Porsche-Fahrers stehen.
Hellwig verkauft nicht nur, er verleiht auch: Häufig würden die Deko-Artikel etwa für Filmproduktionen gebucht, ein einträgliches Zusatzgeschäft. Reguläre Öffnungszeiten gibt es an der Friesenstraße nicht. Hellwig wollte nicht mehr wie in früheren Jobs sechs Tage lang von morgens bis abends verfügbar sein. „Das war die richtige Entscheidung“, sagt er heute. Termine macht Hellwig auf Anfrage aus. Sein komplettes Portfolio präsentiert der „King of Retro“ auf seiner Homepage im Internet. Auch um die und die Facebook-Seite kümmert er sich in Eigenregie selbst, wie bei Verkauf und Vertrieb. Hellwig Retrolook ist der Ein-Mann-Betrieb eines Energiebündels.
Wo „Kleine-Natrop“ war und das „Luikov“ gescheitert ist
In der Scheune an der Friesenstraße ist Hellwig nur Pächter, ein paar Meter weiter in Oberhausen-Alstaden ist er seit kurzem der „Boss“, so steht es auch auf dem Ärmel seines Pullovers. Im früheren „Krug zum grünen Kranze“ an der Bebelstraße, wo jahrzehntelang „Kleine-Natrop“ beheimatet war und das Folge-Experiment mit dem „Luikov“ gescheitert ist, hat der 54-Jährige nun „Hellwig’s Heaven“ eröffnet. Hellwig hat gleich das komplette Eckhaus gekauft, inklusive dreier Wohnungen über der Kneipe.
Die gesamte Gaststätte hat Hellwig umgebaut, es gibt Jukebox, Pool-Billard und Darts-Automaten, auch die Kegelbahn kommt nun im US-Retrolook daher. Es sieht aus wie ein American Diner. „Schöne Kneipe, ne?“, fragt Hellwig im Gastraum rhetorisch. Nur ein Diner soll es nicht sein: „Das Wort mag ich gar nicht.“ Hellwig spricht lieber von einer „Gaststätte in American Flair.“ Und er versteht die Kneipe als „Stätte für den Gast“.
Im Kühlschrank steht Bud-Bier, das aus den USA importiert wird
„Hellwig’s Heaven“ sei auch „aus der Not geboren. Weil hier nichts ist. Da habe ich gedacht, dann mache ich selbst eine Kneipe auf.“ 90 Sitzplätze hat Hellwig im geräumig eingerichteten Gastraum, er könnte auf bis 120 aufstocken. Im Kühlschrank steht Bud-Bier, das Hellwig aus den USA importiert. Zu essen gibt es noch vorrangig Snacks. Für die Verpflegung der Gäste auf der Kegelbahn mit Burgern, Schnitzel oder Currywurst kooperiert Hellwig mit einer Imbissbude um die Ecke. Bei geschlossenen Gesellschaften gäbe es aber auch die Möglichkeit von Buffets. Das reguläre Speisenangebot im Gastraum will Hellwig in den nächsten Tagen ausbauen. Er führt dazu Gespräche mit einem Bauernhof in der Nähe.
Unter der Woche laufe das Geschäft noch etwas schleppend, sagt der 54-Jährige, am Wochenende dagegen sei der Zuspruch schon besser. Hellwig will sich Zeit geben: „Ich bin da nicht naiv reingegangen. Reich wird man davon nicht, aber manche Sachen drehen sich nicht um Geld. Das ist eine Herzensangelegenheit gewesen.“ Er habe im Stadtteil einen „Treffpunkt“ schaffen wollen: „Das ist die soziale Komponente.“ Und es ist auch eine Art Showroom: Alle Deko-Gegenstände in der Kneipe sind ebenfalls zu kaufen. Geöffnet ist täglich außer sonntags ab 17 Uhr. Wie lange es abends geht, bestimmten die Gäste, sagt der Gastronom.
Bei einer Reise nach New York „ist das Feuer entflammt“
An den Platz hinter der Theke hat sich der Neu- und Wieder-Gastwirt, er war vor der Retrolook-Eröffnung schon einmal vier Jahre lang Pächter eines Lokals, erstmal wieder gewöhnen müssen. Und dabei soll es auch nicht bleiben. Er führe Gespräche mit einer Geschäftsführerin, die dann das „Gesicht des Ladens“ werden solle. Bis es soweit ist, wird Hellwig am Zapfhahn stehen. Und wenn kein Gast kommt, greift er zum Queue: „Ich liebe Pool-Billard.“ Dafür hat er sich jetzt ein großes Wohnzimmer geschaffen.
Er liebt Pool-Billard und die USA: „Das ist das gerechteste Land der Welt.“ Oft schon ist Hellwig, der mit Deutschland des Öfteren fremdelt, im Urlaub dort gewesen, an der Ost- und Westküste, in den Nationalparks auf Hawaii. Die erste Reise führte nach New York: „Da ist das Feuer ganz entflammt.“ Hellwig hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Der schnöde Mercedes Viano, den er gerade noch fährt, könnte auch bald wieder weichen müssen. Der nächste Wagen soll erneut ein US-Car sein. Nur wird das dann aus der Neuzeit sein.