Oberhausen. Die Stadtsparkasse Oberhausen schickt einer Immobilienbesitzerin nach Jahren einen Gutachter. Die fürchtet nun um ihren günstigen Kreditvertrag.
Über diesen Anruf staunte die Oberhausenerin nicht schlecht: Ein von der Hausbank, der Stadtsparkasse Oberhausen, beauftragter Gutachter kündigte plötzlich seinen Besuch in der Eigentumswohnung an, die sich das Ehepaar vor rund zwölf Jahren gekauft hatte.
„Die Finanzierung läuft seit zwölf Jahren problemlos“, versichert die 53-Jährige. Vor zwei Jahren habe das Paar eine Anschlussfinanzierung zu einem sehr niedrigen Zinssatz abgeschlossen. Eine erneute Begutachtung der Immobilie hatte damals niemand verlangt. Weshalb also jetzt?
Die große Sorge der Eigentümerin: „Vielleicht suchen die nach einem Vorwand, um uns den Vertrag mit diesen supergünstigen Konditionen kündigen zu können, denn heute liegt der Satz fast neunmal so hoch!“ Bislang glaubte sich das Ehepaar auf der sicheren Seite: „Ein einmal abgeschlossener Vertrag bleibt gültig.“ Doch hat sie damit wirklich recht? Was steckt hinter dem Vorgehen des Kreditinstituts?
Bei unseren Recherchen wird klar: Um einen Einzelfall handelt es sich hier nicht. Immer wieder kündigen von Kreditinstituten beauftragte Gutachter auch nach Jahren noch Hausbesuche an. Das bestätigt die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale in Oberhausen. Und auch Finanz-Fachberater Thomas Hentschel von der Verbraucherzentrale NRW teilt mit: „Wir erhalten etliche Anrufe von irritierten Eigentümern.“
Eine Begutachtung der Immobilie findet üblicherweise vor der Finanzierungszusage statt
Normalerweise werden Begutachtungen von Immobilien stets vor der Finanzierung durchgeführt. Aber auch eine erneute Begutachtung direkt vor einer Anschlussfinanzierung ist durchaus üblich. „Der Wert der Immobilie dient dem Darlehensgeber schließlich als Sicherheit für die Rückzahlung des Darlehens“, erläutert Hentschel. Bei Vertragsabschluss werde im Grundbuch eine Grundschuld zugunsten des Kreditgebers als Sicherheit eingetragen. Sollte ein Hauseigentümer zahlungsunfähig werden, dann droht die Zwangsversteigerung der Wohnung oder des Hauses.
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Genau für diesen Fall aber sei die Festlegung des Beleihungswertes einer Immobilie so wichtig. „Das ist der Mindestwert, der mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem Verkauf immer zu erzielen ist“, führt Hentschel aus. Bei vielen Geldinstituten bilde dieser Wert die absolute Obergrenze, „bis zu der Darlehen vergeben werden dürfen“. Dieser Wert spiele eine wesentliche Rolle für die Finanzierungskonditionen. Diese haben sich bei einer Anschlussfinanzierung aber alleine durch die bereits geleisteten Rückzahlungen fast automatisch im Interesse des Kunden verbessert.
Die Oberhausener Stadtsparkasse äußert sich natürlich zum konkreten Fall nicht (Bankgeheimnis!), räumt aber allgemein ein, dass Überprüfungen des Immobilienwertes durchaus geschäftspolitisch vorkommen – auch im Nachhinein. Nachgelagerte Überprüfungen seien allerdings selten, betont Sparkassen-Sprecher Frank Wrobel. „Zum Beispiel weil eine Prüfung Fehler oder Lücken im Gutachten festgestellt hat“ oder dem Geldinstitut „wertmindernde Umstände zur Kenntnis gelangt sind, zum Beispiel durch einen Brand“. Bei einer deutlichen Wertminderung einer Immobilie habe der Kreditgeber das Recht, einen Baukredit wieder zu kündigen. Denkbar ist auch, dass nach einer Anschlussfinanzierung noch einmal überprüft wird, wie hoch ein Gutachter den aktuellen Wert der Immobilie einschätzt.
Unter diesen Bedingungen darf das Geldinstitut eine Baufinanzierung kündigen
Tauchen bei der Begutachtung dann keine gravierenden Mängel auf, gilt für den Vertrag: Unterschrieben ist unterschrieben. Thomas Hentschel von der Verbraucherzentrale NRW weist daraufhin, dass die Bank den Kredit nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 498) nur ausnahmsweise kündigen kann – wenn beispielsweise der Kreditnehmer mit zwei Raten und zehn Prozent der Kreditsumme in Verzug ist. Läuft das Darlehen schon seit mehr als drei Jahren, reichen aber fünf Prozent Verzug für eine Kündigung durch die Bank aus. Zu den gesetzlichen Kündigungsgründen der Bank gehören außerdem: Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Bankkunden (drohende Privat-Insolvenz) und die bereits erwähnte Verschlechterung des Immobilienwertes.
Vertragsvereinbarungen gut durchlesen
Die Kosten für die Begutachtung einer Immobilie muss der Auftraggeber und damit in diesem Fall das Geldinstitut übernehmen. Verbraucherschützer raten, sich dies vorab von der Bank bestätigen zu lassen. Kunden können dem Gutachter auch den Zutritt zur Wohnung/zum Haus verweigern. Dies stellt keinen Kündigungsgrund für den Immobilienkredit dar. Das gilt aber nicht, wenn eine regelmäßige Begutachtung im Kreditvertrag vereinbart worden ist. Deshalb immer erst den Vertrag noch einmal gut durchlesen!Ohne ein vollständiges Gutachten fehlt dem Geldinstitut bei der nächsten Anschlussfinanzierung ein zentraler Faktor für die Kalkulation, damit verschlechtern sich die Konditionen für den Kunden. Wer dem Gutachten zustimmt, könnte also nicht nur kostenlos eine neutrale Werteinschätzung seiner Immobilie erhalten, sondern auch noch günstigere Anschlusszinsen. Auch Kompromisse sind möglich: Besichtigung ja, aber ohne Fotos oder nur von Bodenbelag, Fenstern oder Heizung.
Bevor die Bank einen Kredit dann tatsächlich kündigen darf, muss sie den Kreditnehmer mahnen – mit einer 14-Tages-Frist zur Begleichung der offenen Raten. Im Falle eines Schadens an der Immobilie darf der Kreditnehmer noch nachbessern. Darüber hinaus muss die Bank ihrem Kunden zuvor stets ein Gesprächsangebot machen, um möglichst doch noch zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.