Oberhausen. Das Trio Wildes Holz mit Blockflöten und Freunden sorgt für ein starkes Spiel vor vollen Rängen. „Grobe Schnitzer“ machen neugierig auf Kommendes.
Glaubt man einem der beliebtesten Übersetzungsfehler aus dem Englischen, dann soll es Menschen geben, die doch tatsächlich „Recorder“ spielen. Was kaum besser dadurch wird, dass sich dahinter die gute alte Blockflöte verbirgt. Folterinstrument par excellence in ungeübten Händen, verfügen die hölzernen Hohlkörper über einen ziemlichen Reiz, dem selbst diverse Rock-Legenden wie Jimi Hendrix („If 6 Was 9“) und die Rolling Stones („Ruby Tuesday“) schon erlagen.
Nur im Jazz fristen Blockflöten jeder Größe und Klangfarbe – von raren Einsätzen etwa durch Keith Jarrett (!) abgesehen – maximal ein Schattendasein. Und genau das will der diplomierte Blockflöten-Virtuose Tobias Reisige mit seinem Trio „Wildes Holz“ seit gut 20 Jahren ändern. Nach wie vor ein hartes Stück Arbeit, denn immer noch ist seine längst durch Funk und Fernsehen bekannte Combo ein einsamer Solitär in der Musiklandschaft.
Allerdings derart populär, dass sie selbst das laut Ebertbad- und RWO-Chef Hajo Sommers „schönste Stadion der Welt“ zu füllen vermögen. Und dies trotz schwerer Konkurrenz aus Portugal, die im Gegensatz zum heimischen Team prompt auf dem letzten Loch pfiff. Die Lücken im Publikum nehmen wir sportlich, schließlich gilt die Abseits-, pardon: Abstandsregel selbst bei Open-Air-Konzerten nach wie vor.
Conrads kommt aus der Tiefe des Raums
Wie erwartet, entwickelte sich gleich nach dem Anpfiff durch Oberbademeister Sommers, der dem Veranstalter „Schwimmhilfe“ verbal ebensolche leistete, ein munteres Spiel. Wobei die Bälle zwischen dem rechten Stürmer Johannes Behr – fingerflink auf der Gitarre – und dem Libero Tobias Reisige passgenau hin und her flogen. Während Markus Conrads aus der Tiefe des Raumes mächtig Dampf am Kontrabass machte. Eine starke Leistung, wie die Drei dabei gewitzt die 90er revitalisierten, was für tosende Begeisterung auf den Rängen sorgte.
„Dieses Geräusch haben wir echt vermisst“, so Markus Conrads gerührt, „Könnt ihr das noch mal wiederholen?“ Man konnte in beachtlicher Lautstärke. Und freute sich dann über den ersten der annoncierten Freunde – elf wurden es nicht, aber doch mehr als erwartet. Freistoß für Helmut Eisel an seiner klezmerselig jubilierenden Klarinette, die erst einer „Antonia“ huldigte und dann mit den wilden Holzern fröhlich auf „Yoram’s Freilach“ losstürmte. Ein wunderbar heiterer Hochzeitstanz, dem mit dem Surf-Rock-Klassiker „Misirlou“, der einst ein Rembetiko war, eine weitere in die Füße schießende Nummer folgte.
Und dann gab’s zur Freude aller Fans überraschend die erste Einwechslung: Djamel Laroussi kam für Johannes Behr, würgte seine Gitarre lässig mit links und machte auch am Cachon beste Figur auf’m Platz. „Kebop“ gab’s dann scharf mit Klarinette. Folglich beste Stimmung zur Halbzeitpause und kein Genöle bei Herbert Grönemeyers „Mensch“, dem zur zweiten Halbzeit mit „Apache“ ein uralter Shadows-Hit auf einer ultratiefen Sub-Kontrabass-Flöte folgte.
„Moretti Swing“ für Anto Karaula
Für die ursprünglich aufgestellte Nora Thiele, die leider unpässlich war, kam freilich ein mehr als adäquater Ersatz mit „Frau Contra Bass“ in Gestalt der packenden Sängerin Katharina Debus und dem Tieftöner Hanns Höhn, die genüsslich Stevie Wonder und Britney Spears abfeierten. Was auch im Trio mit Tobias Reisige alles andere als „Toxic“ war. Fürs wilde Geholze verzog sich die ganze Mannschaft schließlich ins „Heartbreak Hotel“, wo eine rauschende Party („Take on Me“) abging. Mit dem fabelhaften Show-Stopper eines Bass-Duells zwischen Markus Conrads und Hanns Höhn, das unentschieden endete.
„Grobe Schnitzer“ gab es bei dieser unterhaltsamen Partie gleich drei zu entdecken, wobei „Wildes Holz“ in der Verlängerung zunächst den „Joker“ ihres neuen Programms zog, das im Herbst im Ebertbad seine Premiere feiern soll. Um im Grande Finale mit dessen wunderbarem „Moretti Swing“ an ihren allzu jung 2018 verstorbenen Gründungsgitarristen Anto Karaula zu erinnern. Einen „Winner of the Match“ gab es übrigens nicht, dafür eine großartige Teamleistung zu bejubeln.