Oberhausen. Ein Oberhausener Friseurmeister erzählt, wie das Corona-Jahr aus seiner Sicht verlaufen ist. Der Familienbetrieb überstand schon eine Pandemie.

Das Corona-Jahr 2020 hatte es in sich. Doch auch im neuen Jahr hält der Lockdown weiterhin an. Geschäftsleute stehen vor großen Herausforderungen: Umsatzeinbußen, Existenzsorgen und Terminprobleme. Wie fühlt es sich an, seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit zu schließen? Wir haben bei einem Oberhausener Friseurmeister und Saloninhaber nachgefragt. In einem persönlichen Jahresrückblick erzählt Kai Hecker, wie das Corona-Jahr 2020 aus seiner Sicht verlaufen ist.

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Herr Hecker, was war die misslungenste oder verrückteste Corona-Frisur, die Sie 2020 gesehen haben?

Kai Hecker: Ich weiß, dass die Ehefrauen von meinen Herrenkunden teilweise selbst Hand angelegt haben. Bei einem Kunden hat seine Frau einen Wirbel komplett wegrasiert. Nach dem ersten Lockdown kamen die Kundinnen teilweise mit großen Ansätzen in den Salon. Wir hatten auch Kundinnen, die im Mai mit einer Mütze auf dem Kopf zu uns gekommen sind. Denn die Leute, die eigentlich schon vor dem Lockdown einen Termin vereinbart hatten und ohnehin schon vier bis sechs Wochen gewartet haben, mussten wegen des Lockdowns noch einmal sechs Wochen warten. Es war wirklich eine ganz verrücke Zeit. Es sind noch nie so viele Haare gefallen, wie in den ersten Wochen nach dem ersten Lockdown.

Wie hat sich die Arbeit nach dem ersten Lockdown verändert?

Es war eine komplette Umstellung, da wir auch unter uns Mitarbeitern Abstand halten mussten. Es war im Prinzip wie eine Neueröffnung. Ich musste ein komplett neues Konzept erstellen. Jeder, der sein Geschäft zum ersten Mal öffnet, ist aufgeregt und nervös. Ich musste die Anzahl der Stühle reduzieren und wir haben in den ersten Wochen einen Schichtdienst eingeführt, weil ich nicht wollte, dass zu viel Personal im Raum ist. Es war ganz schön anstrengend, alles zu handhaben. Nach jedem Kunden wird sofort der Platz gereinigt und desinfiziert. Das ist mittlerweile Normalität, aber am Anfang war es schwer, die Abläufe neu zu erlernen. Zudem war es anfangs eine Herausforderung, die Termine zu organisieren, da nur eine bestimmte Anzahl von Kunden in den Salon darf. Gerade für ältere Menschen ist es schwierig, vor dem Geschäft zu warten, ohne sich hinsetzen zu können. Das ließ sich aber nicht immer vermeiden. Es ist schwer genau abzuschätzen, wie lange ein Termin dauert.

Wie hat es sich für Sie angefühlt, Ihren Laden nun ein zweites Mal auf unbestimmte Zeit zu schließen?

Mein Geschäft ist meine Existenz. Ich muss Rechnungen und Mitarbeiter bezahlen. Es ist belastend, nicht zu wissen, welche Hilfen man bekommt. Dementsprechend fühlt es sich auch ziemlich mies an, den Laden schließen zu müssen. Es schwirren viele Fragen im Kopf herum: Soll ich diese Hilfe überhaupt beantragen, weil ich später einen Teil zurückzahlen muss? Soll ich mein Privatvermögen in das Geschäft stecken? Das Weihnachtsgeschäft ist das Hauptgeschäft des Jahres, das nun weggefallen ist. Seit Oktober waren die zwei letzten Wochen vor Weihnachten ausgebucht. Wir haben versucht, so viele Termine wie möglich vor die Schließung zu legen. Alle Kunden, die noch vor dem Lockdown kommen konnten, waren einfach nur herzlich und dankbar. Einige haben uns sogar noch angefeuert. Meine Kunden sind ganz toll.

Was war im vergangenen Jahr die größte Herausforderung?

Tatsächlich waren die letzten drei Tage vor dem zweiten Lockdown die größte Herausforderung. Wir mussten alle Termine neu organisieren, mein Laden durfte trotzdem nicht zu voll sein. Ich habe in der Zeit wenig geschlafen und war sehr nervös. Der zweite Lockdown ist insgesamt eine größere Herausforderung als der erste. Vor der ersten Schließung hatten wir kaum noch etwas zu tun, weil die Leute völlig verängstigt waren. Am Freitag vor dem ersten Lockdown habe ich meine Mitarbeiter um 15 Uhr nach Hause geschickt, weil nichts mehr zu tun war. Normalerweise ist freitags immer sehr viel los.

Wie verlief die letzte Woche vor Beginn des zweiten Lockdown?

In der letzten Woche haben die Kunden angerufen und gefragt, ob sie früher kommen können. Ich war noch optimistisch, dass wir nicht schließen müssen. Samstags habe ich dann aber gelesen, dass alles heruntergefahren werden soll. Ich habe sofort zwei andere Saloninhaber kontaktiert und gefragt, wie sie das handhaben. Eine Mitarbeiterin und ich haben uns dazu entschlossen, schon am Sonntagmittag zu öffnen und die Kunden haben auch angerufen. Wir waren eigentlich ausgebucht. Wir haben vieles auf den Montag umgelegt, an dem wir eigentlich Ruhetag haben und waren bis 23 Uhr im Geschäft. Das Team war einfach nur spitzenmäßig.

Wie hat sich der Umgang mit den Kunden verändert?

Man sieht das Gesicht nicht mehr. Dabei ist es für einen Friseur immer wichtig, die Reaktion der Kunden zu sehen, um zu wissen, ob die Person zufrieden ist. Im letzten halben Jahr haben die Kunden gut mitgemacht und hatten für alles Verständnis.

In Ihrem Beruf ist Kundenkontakt unvermeidbar. Hatten Sie Angst, sich während der Arbeit mit dem Coronavirus zu infizieren?

Ich hatte keine Angst, da ich durchgängig mit einer FFP2-Maske gearbeitet habe. Ich habe im Laufe der Zeit auch festgestellt, dass die Maske wirklich etwas bringt. Ich war bis jetzt nicht einmal erkältet. Am liebsten würde ich nur noch mit Maske arbeiten, denn üblicherweise habe ich drei Mal im Jahr eine Erkältung mit Bronchitis, weil auch Kunden mit einem Schnupfen oder Husten kommen. In diesem Jahr haben sie sich sofort abgemeldet, wenn sie krank waren. Ich habe den Abstand zu anderen bestmöglich eingehalten und die Anweisungen umgesetzt. Deshalb habe ich keine Angst.

Was war Ihr Höhepunkt im Jahr 2020?

Ich glaube, dass der enge Zusammenhalt mit zwei weiteren Kollegen, die auch jeweils einen eigenen Salon haben, mein Highlight war. Wir drei sind gemeinsam im Vorstand der Innung. Wir hatten einen sehr intensiven Austausch, um uns bei der Neuorganisation und offenen Fragen gegenseitig zu unterstützen. Das hat uns stark zusammengeschweißt. Das möchte ich nicht mehr missen. Es tut gut, Kollegen zu haben, die genauso empfinden, um sich gegenseitig aufzumuntern und zu motivieren.

Wie blicken Sie auf das Jahr 2021?

Wir hoffen alle, dass der Impfstoff wirklich wirkt. Ich freue mich auf ein neues Geschäftsjahr mit neuen Gesichtern. Ich schätze, dass es anderen Inhabern, denen es schon vor Corona nicht gut ging, noch schlechter gehen wird. Ich vermute stark, dass es zu vielen Schließungen kommen wird. Bisher hat allein die Friseur-Kette Klier Insolvenz angemeldet. Aber ich freue mich, dass es im kommenden Jahr weiter gehen wird und man vielleicht noch einen engeren Zusammenhalt mit Kollegen hat. Das im Jahr 1910 von meinem Urgroßvater gegründete Geschäft hat schon einmal eine Pandemie überstanden: die spanische Grippe 1918 bis 1920. Dann werden wir auch Corona überstehen. 

>>> Traditionsbetrieb in Sterkrade <<<

Der Salon in Oberhausen-Sterkrade an der Steinbrinkstraße 189 besteht seit über 100 Jahren. Inhaber Kai Hecker führt den Betrieb in der vierten Generation und hat sein Hobby zum Beruf gemacht – er wusste schon mit 4 Jahren, dass er Friseur werden wollte. 

1910 eröffnete Kai Heckers Urgroßvater den Salon in Sterkrade. 1936 übernahm Kai Heckers Großvater den Salon, 1972 trat Marion Hecker-Willems in die Fußstapfen ihres Vaters. Seit 2014 ist Sohn Kai Hecker der Inhaber.

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