Oberhausen. Exklusiver Blick vor der Eröffnung: “Art about Shoes“ führt auf den Laufsteg vom antiken Kothurn bis zum rasanten Stöckelschuh.
Statt im bekannten „Aquarium“, dem gläsernen Foyer, beginnt dieser exklusive Rundgang an einer Seitentür der Ludwiggalerie. Christine Vogt führt durch einen schmalen Gang, öffnet die nächste Tür – und voila: Der staunende Besucher blickt direkt auf den silbrig glänzenden Bürzel des reichsten Entenhauseners aller Zeiten. Dagobert und – dem alten Geizhals gegenüber -- Daisy Duck blicken einander tief in die Bronzeaugen. In der eitlen Hochglanz-Manier eines Jeff Koons schuf Heiner Meyer diese beiden gewichtigen Skulpturen, die doch nur Ouvertüre sind für etwas ungleich Größeres vor dem Schloss Oberhausen.
Ersatz für markante Keith-Haring-Skulptur „Head through Belly“
Denn die Aussicht auf eine neue Großskulptur an der Konrad-Adenauer-Allee hatte die Direktorin der Ludwiggalerie, Christine Vogt, erst auf dieses Thema der neuen Ausstellung gebracht: „Art about Shoes – von Schnabelschuh bis Sneaker“. Sie habe Heiner Meyer, den virtuosen Pop-Art-Artisten aus Bielefeld, „einfach gefragt, ob er uns einen Entwurf schenken würde“. Der 67-Jährige liefert gleich ein halbes Dutzend Skizzen: Mehrfach mannshoch soll sich seine Großplastik zu einem Turm der Stöckelschuhe emporranken. „Red Heels“ wird das Werk heißen. Und da es draußen vor dem Hauptgebäude des Schlosses auftrumpfen wird, sollte auch keine Pandemie am Enthüllungstermin 20. März 2021 rütteln können.
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Elf Jahre lang stand dort die berühmte Keith-Haring-Skulptur „Head through Belly“ („Kopf durch den Bauch“) -- die bunten Stahlfiguren vor dem Schloss gehörten zu Oberhausen wie der Gasometer oder das Centro. Die Acht-Tonnen-Skulptur war eine Leihgabe eines vermögenden privaten Sammlers -- und wurde Ende März 2013 für eine Haring-Ausstellung in Paris für immer abtransportiert.
Zitatkünstler spielt mit Hockney und Lichtenstein
Die „Ausstellung zur Skulptur“, die "Art about Shoes", ist bereits seit einer Woche eingerichtet: ein Doppel-Whopper, wie ihn die Fotorealisten unter den Pop-Art-Künstlern einst so gerne ins fettglänzende Bild setzten. Die Schau sollte eigentlich nach zweijähriger Vorbereitungszeit am 16. Januar 2021 für alle Besucher eröffnen, doch der Corona-Lockdown machte dies zunichte. Bis die Türen der Ludwiggalerie wieder öffnen dürfen, sind ein Trailer für die Ausstellung, Eröffnungsreden und Vorstellungsvideos der Mitarbeiter online verfügbar: youtube.com/Ludwiggalerie.
Ausnahmsweise erhielten wir vor Ort einen exklusiven Einblick in die Ausstellung - mit der Galerie-Direktorin unter Beachtung aller Corona-Schutzregeln. Das Parterre gehört – eine große Geste für eine große Außenskulptur – ganz der malerischen Mimikry des Heiner Meyer: So gekonnt wie gewitzt zitiert dieser Feinmaler mal die spritzige Pool-Ästhetik eines David Hockney, mal die Rasterpunkte eines Roy Lichtenstein. Und dieses vergnügliche Rätselspiel mit der jüngeren Kunstgeschichte rückt mit Hingabe hochglanzpoliert sportive PS-Boliden ins Bild und/oder extravagante Stilettos.
Dabei gibt sich Dr. Vogt die größte Mühe darauf hinzuweisen, dass es ihr nicht um den neuesten Schuh-Schick geht: „Dies ist keine Design-Ausstellung.“ Man darf und soll stets auch die technische Brillanz des Malers bewundern, „der immer wieder sein Metier befragt“. Und so machte sie sich als Kuratorin auch den Spaß, zwischen himmelhohe Pumps auch einige Meyersche Blumenstücke zu arrangieren – denn die zeigen in Merianscher Finesse den Frauenschuh (Cypripedium) aus der für ihre erotischen Blütenformen berühmten Orchideen-Familie.
Hohe Hacken und gewagtes Rot waren früher Männersache
Elegante Ausfallschritte weg vom Oberflächenglanz unternimmt „Art about Shoes“, die (noch) unsichtbare Ausstellung, auf den oberen Etagen der Ludwiggalerie. Wie zuvor bei den großen Querschnitt-Schauen zur Haarpracht und zur „Geste“ (die auch schon Hand UND Fuß hatte), suchte und fand die Direktorin wunderbar erzählerische und anspielungsreiche Exponate aus Jahrhunderten der Kunstgeschichte. Und man (Mann zumal) darf verdutzt feststellen: Hohe Hacken und gewagtes Rot an den Sohlen waren jahrhundertelang Männersache. Denn der ausgeprägte Absatz sicherte den Halt des Reiters im Steigbügel. „Frauenschuhe waren unter den weiten Röcken versteckt“, konstatiert Christine Vogt kühl – keine Verehrerin der Kothurn-hohen Pumps.
Die Manolo-Schuhe aus der TV-Kultserie "Sex and the City"
Kultige Markennamen wie Louboutin hatte sich die Kunsthistorikerin erst während ihrer zweijährigen Schuh-Recherchen angeeignet. Nun präsentiert sie Faksimiles einiger Entwürfe des dank „Sex and the City“ berühmten Manolo Blahnik geradezu respektlos neben alten Schusterleisten. Es ist halt keine Design-Schau – und doch: Iris Schiefersteins irrwitzige Kreationen für die Füße, die mal umhüllt von chinesischer Seide auf Bockshörnern ruhen, mal an der Schuhspitze gelb bleckende Zähne zeigen, sollen sogar tragbar sein. Allerdings wohl nur für Artistinnen des großen Auftritts.
Zwei Knobelbecher in Flammen
Wie herrschaftspolitisch bedeutend Schuh-Gemälde sein können, zeigen die eleganten Feinmaler Eckart Hahn und Johanna Roderburg: Er variiert mit finsterer Grandezza das berühmte Porträt des „Sonnenkönigs“ Louis XIV. auf hohen Absätzen – und setzt unter dem Titel „Ich bin“ zwei Knobelbecher in Flammen. Sie nennt ihren Blick auf schwingende Papst-Gewänder und die roten Prada-Schuhe des Pontifex „Die Wahrheit“ – und zeigt zudem die samtenen Ballschuhe von Margaret Thatcher. Im Dachgeschoss verengt sich dann der Blick auf Schuhe und Macht von der glamourösen auf die finsterste Seite.
Plateaustiefel der Glamrock-Veteranen „Kiss“
Delikater Fetischismus ist damit nicht gemeint: Zudem hat Irene Andressner mit ihrem Video vom Verzehr eines „Schokoschuh“ eigentlich alles gesagt. 50 Werke von Heiner Meyer und rund 150 weitere Exponate vom Fußabdruck des barfüßigen Buddha bis zu den Plateaustiefeln der Glamrock-Veteranen „Kiss“ vereint dieser allumfassende Blick auf Lack, Leder und Holzpantinen.
„Zeigt her eure Schuh“ heißt es im Märchen – und die Ludwiggalerie täte nichts lieber als das. „Zu diesem Thema hat doch jeder eine Erwartungshaltung“, sagt Christine Vogt. Und man hört das Sehnen der Direktorin durch die obligatorische Maske: „Wir fänden es so spannend, dazu ins Gespräch zu kommen.“
Info: Ein Pracht-Katalog als „Trösterchen“
Geplant ist die Ausstellung „Art about Shoes“ (deren Post-Lockdown-Eröffnung noch nicht feststeht) bis zum 24. Mai. Ob der Ludwiggalerie eine Verlängerung möglich sein wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wann im Schloss Oberhausen die Arbeit an der neuen Sicherheits-Technik beginnen muss.
Zwei Trösterchen gibt's denn doch für alle, die nicht durch eine Seitentür in die Ausstellung vordringen dürfen: Online zeigt ludwiggalerie.de bereits einige Appetithappen und zudem ist der prächtige, 270 Seiten starke Katalog „Art about Shoes“ im Verlag Kettler erschienen. Und den gibt’s nicht nur im (leider ebenfalls noch geschlossenen) Museumsshop, sondern für 39,80 Euro auch bundesweit im Buchhandel.