Gelsenkirchen. Das Gelsenkirchener Musiktheater bringt das Kinderbuch „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ charmant auf die Bühne – kluger Krimi mit Tiefgang.

Ein Handstreich durch die Luft, und das Theaterlicht geht an. Ein wie aus alten Zeiten entsprungener Magier und Musikus eröffnet mit Zaubergeste das Spiel auf der Bühne im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier. Das Stück aber wird wenig Märchenhaftes erzählen, sondern eine handfeste Studie mitten aus dem heutigen Leben präsentieren: „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ feierte als lehrreiches Figurentheater für Kinder ab acht Jahren am Freitag zufrieden aufgenommene Premiere.

Premiere in Gelsenkirchen: Figurentheater am MiR ist ein Fest der Freundschaft

Hochbegabte Kinder kennt die Gesellschaft zuhauf. Der zehnjährige Rico aber nennt sich selbstbewusst „tiefbegabt“. Er kann sich nichts merken, die Gedanken in seinem Kopf fahren Achterbahn, er verliert rasch die Orientierung und geht auf die Förderschule. Dennoch wandert er stark, mutig und zielstrebig durchs Leben, wenn er zum Beispiel unbeirrt versucht, den Besitzer einer Fundnudel ausfindig zu machen. [Lesen Sie auch:Premiere von „Stadt der Arbeit“ beeindruckt im Gelsenkirchener Musiktheater]

Figurentheater auf der Musiktheater-Bühne in Gelsenkirchen: „Rico, Oskar und der Tieferschatten“ feiert eine gelungene Premiere.
Figurentheater auf der Musiktheater-Bühne in Gelsenkirchen: „Rico, Oskar und der Tieferschatten“ feiert eine gelungene Premiere. © Björn Hickmann/ stage picture | Björn Hickmann/ stage picture

In seiner liebenswerten Schusseligkeit scheint er so gar nicht zum klugen Oskar zu passen, den er vor dem großen Berliner Mietshaus kennenlernt. Oskar ist schlau, weiß vieles von der Welt. Das macht ihm allerdings Angst und er läuft vor lauter Panik, was alles passieren könnte, nur mit Schutzhelm durch die Gegend.

Zwei scheinbare Außenseiter der Gesellschaft, und das ist die Moral der Geschichte, schließen sich hier mit ihren Stärken und Schwächen zusammen und lehren allen Vorurteilen das Fürchten. Ein Fest der Freundschaft, die über das Böse, in diesem Fall einen Kindesentführer, siegt.

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Jugendbuchautor Andreas Steinhöfel schuf 2008 mit den beiden Berliner Jungs ein Duo, das unterschiedlicher kaum sein könnte und das dennoch eine tiefe, wunderbare Freundschaft entwickelt. Zuerst war das Buch da, fuhr rasch Preise ein, dann schrieb Felicitas Loewe eine erfolgreiche Bühnenfassung und 2014 kam Rico als Kinderfilm auf die Kinoleinwände. Und in Gelsenkirchen nun ist der Stoff erstmals als Figurentheater zu erleben.

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Für die noch junge Sparte am Opernhaus kreierte Regisseurin Kai Anne Schumacher eine dichte Geschichte, in der Figuren und Spieler gleichermaßen auf der Bühne zu sehen sind. Körper der Schauspieler und Puppenköpfe verschmelzen zu einer aufregend bewegten Einheit, was allerdings phasenweise zu ablenkender Vielschichtigkeit und Gleichzeitigkeit führt, wenn mehrere Puppenspieler eine Figur bewegen. Als würde das noch nicht reichen, reichert die Regie das Spiel noch mit Videoeinspielern an und bringt so noch mehr Akteure gleichzeitig auf die Bühne. Da wäre auch in Zeiten von TikTok weniger mehr gewesen.

Musiktheater im Revier: gelungene Bühne und überzeichnete Hingucker

Hingucker allemal sind allerdings die wunderbar konstruierten, lebensgroßen Figuren, klassisch die beiden Jungs, aber herrlich überzeichnet als verrückte Karikaturen die Erwachsenen. Allen voran die nette Nachbarin Frau Dahling mit den bunten Lockenwicklern im grauen Haar und den Leberwurstbrötchen auf dem Teller oder der fiese Herr Fitzke im gestreiften, schlottrigen Schlafanzug. Auch Ricos liebevolle Mutter ist als Geschäftsführerin eines Nachtclubs mit Glitzershirt und roten Pumps ein großartig überdrehter Charakter.

Schul- und Familienvorstellungen

Das Theaterstück „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ für Kinder ab 8 ist im Kleinen Haus des Musiktheaters bis in die Weihnachtszeit hinein zu sehen.Neben zahlreichen Schulvorstellungen an Vormittagen finden auch Familienvorstellungen an den Wochenenden statt. Termine: 6. und 7. November, 12. und 26. Dezember, jeweils 16 Uhr.Karten und Infos: an der Theaterkasse, unter 0209 4097200 oder musiktheater-im-revier.de

Die Spieler Daniel Jeroma, Seth Tietze, Johanna Kunze, Merten Schroedter und Bianka Drozdik wissen die Figuren mit jeder Bewegung, jeder Tonlage perfekt zum Leben zu erwecken. Die gelungene Bühne von Anke Niehammer ist ein drehbarer Wohnklotz, der alle Schauplätze, vom Keller bis zum Dachboden, in einem enthält. Martin Sotelo begleitet das Spiel filmmusikalisch am Klavier und mit der Gitarre. Und löscht am Ende mit einem Wisch durch die Luft auch wieder das Licht.