Mülheim. Zweiter „Stücke“-Beitrag ist „Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)“ von Sivan Ben Yishai. Es wird historisch und politisch.

Die Autorin Sivan Ben Yishai ist schon zum zweiten Mal bei den Mülheimer Theatertagen vertreten. 2020 ging sie mit „Liebe/Eine argumentative Übung“ an den Start. Diesmal tritt sie mit „Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)“ an. Das Stück ist in der Inszenierung des Nationaltheaters Mannheim gleich an zwei Tagen zu sehen – am Donnerstag, 12. Mai, und Freitag, 13. Mai, jeweils um 19.30 Uhr im Theater an der Ruhr.

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Zur Handlung: Die Reise – oder nein: der Ritt – beginnt an einer Straßenecke in Jaffa, Tel-Aviv. Das Jahr: 2014, die Zeit: vier Uhr morgens, die Heldin: Sivan Ben Yishai. Die Autorin Sivan Ben Yishai? Genau die. Auf dem Rücken einer Deutschen Schäferhündin reitet sie durch Raum und Zeit, durch die Abgründe, Verstrickungen und Verbrechen der deutsch-israelisch-palästinensischen Geschichte. Von Jaffa 2014 ins Jahr 1938 in Deutschland, von Kuba an die russische Front, von Slowenien nach Mailand, über das Mittelmeer nach Palästina.

Mülheim: Individuelle und kollektive Wunden werden offengelegt

„Von der Autorin verwandelt sie sich in eine Holocaustüberlebende, in eine sowjetische Partisanin, in eine Asylsuchende unter Wasser, in eine überzeugte Zionistin, in eine von Kopf bis Fuß bandagierte, mit Orden und Waffen behängte Kriegerin. Opfer und Täterin zugleich, Anklagende und Angeklagte. Zur Seite stehen ihr die Schäferhündin, eine klagende Klezmerin und ein Kaleidoskop von Stimmen, die ihre Geschichte miterzählen“, heißt es in der „Stücke“-Ankündigung.

Die Autorin Sivan Ben Yishai ist mit ihrem neuen Stück bei den Mülheimer Theatertagen 2022 vertreten.
Die Autorin Sivan Ben Yishai ist mit ihrem neuen Stück bei den Mülheimer Theatertagen 2022 vertreten. © Unbekannt | Max Zerrahn

„Wounds Are Forever“ sei Spurensuche und Selbstbefragung zugleich. Das Offenlegen der individuellen Wunden mache die kollektiven Wunden sichtbar. Brutal, komisch, rasant. In einer bildgewaltigen Produktion aus Mannheim. Zum Ensemble des Nationaltheaters zählt dabei auch ein beeindruckender Mensch: Samuel Koch, der vor Jahren in einer „Wetten, dass?“-Sendung schwer verunglückte, seitdem im Rollstuhl sitzt, sich aber unermüdlich wieder ins Leben kämpfte und schließlich ein anerkannter Schauspieler wurde.

Verunglückter Samuel Koch zählt zum vielgelobten Ensemble

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Die Dramatikerin Sivan Ben Yishai wurde 1978 in Tel Aviv geboren. Sie studierte Theaterregie sowie Schreiben für das Theater an der Uni Tel Aviv und an der Schule für Visuelles Theater in Jerusalem. Sie ist auch als Regisseurin und Performerin unterwegs.

2015 inszenierte Ben Yishai zwei eigene Stücke in Berlin. 2016 nahm sie am Autorinnenprogramm „In Zukunft III“ des Neuen Instituts für Dramatisches Schreiben teil. Ihr Stück „Your Very own Double Crisis Club“ wurde bei den Autorentheatertagen 2017 uraufgeführt. Es war der erste Teil einer Tetralogie, deren weitere drei Teile am Maxim Gorki Theater Berlin zur Uraufführung kamen. In der Spielzeit 2019/20 war Ben Yishai Hausautorin am Nationaltheater Mannheim.

Jurorin des Auswahlgremiums: „Stück ist eine durchkomponierte Sinfonie“

Die Autorin lebt in Berlin und arbeitet eng mit der deutschen Autorin Maren Kames zusammen. „In ihren Stücken mischt sie virtuos verschiedene Stimmen und Sichtweisen – in diesem Fall auf die deutsch-israelische und auch ihre eigene Geschichte“, so das „Stücke“-Team. Die Auswahljury erklärte zur Mülheim-Nominierung: „Dieses ‚horizontale Storytelling‘, wie Ben Yishai es nennt, ist keine Kakophonie, sondern in der Übersetzung von und mit Maren Kames eine rhythmisch und musikalisch durchkomponierte Sinfonie.“ (Eva Behrendt)

Karten gibt es unter www.stuecke.de