Gelsenkirchen. Fridays for Future kritisiert die Grünen scharf: Gerade Gelsenkirchener Unterhändlerinnen müssten bei Koalitionsgesprächen mit der CDU mehr tun.

Scharfe Kritik an den Grünen: Die Gelsenkirchener Ortsgruppe von „Fridays for Future“ (FFF) wirft dem voraussichtlichen künftigen Koalitionspartner der NRW-CDU in einem offenen Brief Zynismus und Doppelmoral vor. Die jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten finden, dass das schwarz-grüne Sondierungspapier vom 27. Mai„viele Schwachstellen und Unzulänglichkeiten“ aufweist und fordern, dass insbesondere die Gelsenkirchener Grünen bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU mehr Druck machen.

Der Koalitionsvertrag von CDU und Grünen wird Mitte dieser Woche erwartet, beide Parteien wollen den Vertrag dann auf ihren Parteitagen am Wochenende absegnen lassen. FFF Gelsenkirchen hat die Befürchtung, dass der Klimaschutz in dem Papier viel zu kurz kommen wird. „Bislang scheint es so, als hätte sich in vielen Punkten die CDU durchgesetzt“, heißt es in dem offenen Brief.

Fridays for Future an die Gelsenkirchener Grünen: „Werfen Sie nicht ihre Werte über Bord!“

Besonders kritisch betrachten die Fridays, dass sich die wohl künftige Koalition bislang nicht zum Dorf Lützerath positioniert hat. RWE plant, das Dorf am Tagebau Garzweiler samt Protestcamp der Klimabewegung abzureißen, um dort Braunkohle abzubauen. „Noch im Herbst 2021 setzten sich auch die Grünen in NRW für den Erhalt des Dorfes ein und auch viele Grüne beteiligten sich an den Demonstrationen vor Ort“, stellt FFF fest. Dass aktuell keine Rede von der Rettung Lützeraths mehr ist und die Grünen Lützerath voranging als „kraftvolles Symbol“ bezeichnen, stößt den Fridays sauer auf. Das Engagement der Klimaaktivisten werde so ins Lächerliche gezogen. Im Video: Demonstration gegen Zerstörung von Lützerath am Tagebau Garzweiler

Neben Lützerath gibt es aus Sicht der Ortsgruppe aber noch viele weitere klimapolitische Defizite bei den bisherigen Einigungen. Dass das von den Grünen im Wahlprogramm vorgeschlagene S-Bahn-Netz im Entwurf nicht auftauche und das 2020 ans Netz gegangene Kohlekraftwerk Datteln IV nicht erwähnt wird, sei ebenfalls problematisch. „Von einer Partei, die sich Umweltschutz und Kampf gegen die Klimakrise auf die Fahnen schreibt, darf die Bevölkerung erwarten, dass mehr passiert“, steht in dem Brief. „Werfen Sie nicht ihre Werte über Bord!“ Zum Thema: Grüne wollen S-Bahn-Netz im Ruhrgebiet revolutionieren

Versammlungsgesetz: Fridays Gelsenkirchen kritisieren Sondierungsergebnis von Grünen und CDU

Unzufrieden sind die Gelsenkirchener Fridays auch in der Innenpolitik, vor allem mit der Position zum umstrittenen Versammlungsgesetz,das im Januar 2022 von CDU und FDP verabschiedet wurde, „da es Versammlungen einschränkt, der Polizei mehr Rechte einräumt und härtere Strafen für Demonstrierende einführt.“ Auch die Grünen in NRW hatten das Gesetz damals stark kritisiert. Im Sondierungspapier steht nun, dass das Gesetz bestehen bleiben soll und in Zukunft „evaluiert“ wird. „Dies zeigt nicht nur eine gewisse Doppelmoral, sondern ist auch ein Schlag für den legitimen Protest, der von diesem Gesetz eingeschränkt und kriminalisiert wird“, meint man bei FFF.

Begrüßt die kritischen Worte von „Fridays for Future“: Die Gelsenkrichener Grünen-Landtagsabgeordnete Ilayda Bostancieri.
Begrüßt die kritischen Worte von „Fridays for Future“: Die Gelsenkrichener Grünen-Landtagsabgeordnete Ilayda Bostancieri. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Gerade die Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete und Innenpolitikerin Irene Mihalic sowie die neue Landtagsabgeordnete Ilayda Bostancieri, die im Wahlkampf gegen das Versammlungsgesetz wetterte, hätten in der Innenpolitik mehr Druck machen können, finden die Fridays. Beide waren im Bereich Innen und Recht Unterhändlerinnen bei den Verhandlungen mit der CDU.

So reagiert Ilayda Bostancieri von den Gelsenkirchener Grünen auf die Kritik von Fridays for Future

„Ich verstehe, dass das für viele zu wenig ist“, sagt Bostancieri auf Nachfrage – und betont zugleich den Nutzwert einer Evaluation, „die ja, das war uns wichtig, unabhängig und wissenschaftlich ist und bereits 2023 erfolgen soll.“ Sobald Ergebnisse auf dem Tisch liegen, könne man dann agieren und das Gesetz verbessern.

Demo vor der Grünen-Zentrale

Die Gelsenkirchener Ortsgruppe von „Fridays for Future“ plant für Freitag (24. Juni) eine Kundgebung vor dem Büro der Grünen an der Ebertstraße 28. Die Kundgebung soll um 15 Uhr stattfinden. „Wir wollen die Grünen noch einmal direkt ansprechen und den Erhalt von Lützerath fordern, sowie auf weitere Themen aus dem Sondierungspapier eingehen“, teilte Sprecher Jan Bretinger mit.

Was die klimapolitischen Aspekte angeht, so sei sie selbst gespannt auf das Koalitionspapier und die Ergebnisse, die ihre Parteikolleginnen- und Kollegen ausgehandelt haben, so Bostancieri. Dass etwa Lützerath im Sondierungspapier nicht explizit erwähnt wurde, sei aber auch einigen Grünen „sauer aufgestoßen.“ Klar sei aber eben auch, dass in diesen Verhandlungen „unterschiedliche Parteien aufeinander zugehen“.

Fridays for Future Gelsenkirchen: „Die Grünen müssen beweisen, dass sie an unserer Seite sind“

Grundsätzlich hält Bostancieri den Brief – trotz seiner scharfen Worte – deshalb auch für begrüßenswert. „Als Politik sind wir auf zivilgesellschaftliches Engagement angewiesen und brauchen den Druck von außen. Ich bin froh, Fridays for Future als Kämpfer*innen für einen konsequenten Kohleausstieg und Klimaschutz an unserer Seite zu wissen.“

In den Ohren von Jan Bretinger, Sprecher von FFF in Gelsenkirchen, klingt das allerdings „ein Stück weit nach einem Vereinnahmungsversuch“. „Die Grünen müssen jetzt beweisen, dass sie tatsächlich an unserer Seite sind.“