Gelsenkirchen. Zwischen Haupttribüne und Nordkurve ist die Befehlsstelle der Polizei auf Schalke. Von hier aus hat man den absoluten Überblick. Ein Besuch.
Wer die Befehlsstelle der Polizei betreten will, auch Leitplatz genannt, den erwartet ein echter Hingucker. Lebensgroß prangt ein Cheerleader im britischen Nationaltrikot nebst Glitzershorts an der Wand vor der Tür zum Überwachungsraum. Es scheint, als tanzte die sportliche Frau gerade ausgelassen, ein perfekt eingefangenes Lächeln von Schalke-Fotograf Karsten Rabas von der WM 2006.
Polizei-Befehlsstelle im Herzen der Arena auf Schalke: Beste Sicht auf Nordkurve
Hinter der Tür und im Stadion haben nicht wenige gerade ebenso Puls. Doch das Top-Duell zwischen dem Spitzenreiter FC Schalke 04 und dem SV Werder Bremen schlägt an diesem wunderbar sonnigen Samstag eine Richtung ein, die Königsblau viele Wochen nicht mehr kannte: Knappen auf der Verliererstraße.
Funksprüche laufen währenddessen hier am Leitplatz im Sekundentakt ein, von hier aus werden uniformierte wie zivile Einsatzkräfte dirigiert und koordiniert und an all jene Brennpunkte geschickt, wo Fans beider Lager außerhalb des Rasens Foul spielen. „Der Leitplatz ist so etwas wie das Auge in der Arena“, erklärt dazu Polizeisprecher Matthias Büscher. Lesen Sie auch: [Fotofahndung Gelsenkirchen: Fünf schwierige Polizei-Fälle]
Über 100 Arena-Kameras mit scharfem Zoom: Senf oder Ketchup auf der Stadionwurst
Im Raum nebenan, gut sichtbar und getrennt durch Glasscheiben, sitzt das Security-Team von Schalke, das die Stadionordner dirigiert, noch einen Raum weiter laufen die Fäden der Rettungskräfte und -dienste zusammen. Zwischen allen dreien sind die Drähte kurz. Dazu gibt es in der „Halbzeitpause eine gemeinsame Konferenz, bei der der bisherige Einsatz, besonderer Vorkommnisse und die weitere Vorgehensweise besprochen wird“, so der Erste Polizeihauptkommissar weiter.
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Mehr als 100 hochauflösende und zumeist schwenkbare Kameraobjektive erfassen das Geschehen in und um die Arena, die Zoomfähigkeiten und die Detailschärfe sind bemerkenswert, man kann locker zwischen Senf und Ketchup auf der Stadionwurst unterscheiden. Und dennoch haben die Einsatzkräfte an den Pulten neben Monitoren, Funkgeräten und Steuerungstasten starke Ferngläser griffbereit liegen, mit denen sie immer wieder die Reihen und Blöcke nach potenziellen Übeltätern absuchen.
Von gefälschten Eintrittskarten bis Stunk im Treppenaufgang
Die Partie ist „kein Hochrisikospiel“, bei dem mit dem Aufeinandertreffen gewaltbereiter Problemfans zu rechnen ist wie etwa bei einem Duell gegen den Erzrivalen Borussia Dortmund oder wie zuletzt noch gegen Hansa Rostock. Sonst wären Reiterstaffeln, Hundeführer, Wasserwerfer und Hubschrauber sowie Hunderte Beamte mehr mobilisiert worden. Genug zu tun gibt es dennoch. Schließlich ist die Arena erstmals wieder ausverkauft, sind mehr als 62.000 Menschen im Fußballtempel. Lesen Sie dazu auch [Gelsenkirchen: Polizeihund Duke, der erfolgreiche Ermittler auf vier Pfoten]
Aus einem Block an der Gegengeraden werden Zuschauer „mit vermutlich gefälschten Eintrittskarten“ gemeldet. Ärgerlich und frustrierend für diejenigen, die die echten Tickets haben und so Pässe, Flanken und Torschüsse verpassen, weil ihre Plätze zunächst besetzt sind. In einem der vielen Treppenaufgänge hat es Stunk zwischen mehreren Fans gegeben. „Widerstand gegen die eingesetzten Beamten und Wildpinkeln mitten im Gebäude“ bescheren am Ende einem Arena-Gast ohne Manieren Bedenk- und Ausnüchterungszeit im Polizeigewahrsam.
Polizeiwache in Gelsenkirchener Arena verfügt über mehrere Zellen
Dank der Kameras und der gestochen scharfen Bilder ist es den Videoteams und „Funkern“ ein Leichtes, die Einsatzkräfte an den Ort des Geschehens zu dirigieren, kleinteilige Personenbeschreibungen über Funk erleichtern das zielgenaue Auffinden. Für Matthias Büscher und seine Kolleginnen und Kollegen ist das nichts Besonderes, sondern „Polizeialltag bei Bundesligaspielen“. Ebenso ein Raub, der später nach dem enttäuschenden 1:4 gemeldet wird. Oder der Flaschenwurf auf einen Bundesbeamten am Bahnhof.
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Zur Stadionwache im Erdgeschoss der Arena hat das Leitplatz-Team ebenfalls einen kurzen Draht. „Hier können Straftäter vorübergehend in Gewahrsam genommen werden“, sagt Büscher. Dafür gebe es mehrere Zellen. Ansonsten landeten Tatverdächtige am Wildenbruchplatz hinter Gittern.
Die Befehlsstelle der Polizei im Stadion ist aber nur einer von einem halben Dutzend Einsatzabschnitten, den die Polizei bei einem Großereignis wie einer Bundesliga-Partie gebildet hat. Einen Teil davon bildet auch der Gelsenkirchener Hauptbahnhof als Drehkreuz für die An- und Abreise vor allem für die Gästefans, aber auch für blau-weiße Anhänger.
Busse mit Gäste-Fans umfahren im Polizei-Konvoi die Schalker Meile in einem weiten Bogen
6500 Werder-Anhänger haben sich aus der Hansestadt an der Weser auf den Weg gemacht, der Großteil in Zügen, der Rest mit privaten Pkw, in Kleinbussen oder auch per Reisebus. Bundespolizei und Landespolizei nehmen die Scharen bereits Stunden vor dem Spiel in Empfang. Getrennt durch Sichtschutzgitter werden die Fanströme separat ins Stadion und wieder zurückgeleitet. Drei geschützte Konvois aus jeweils sechs Bogestra-Gelenkbussen bewerkstelligen dieses zwischen Bahnhof (Wiehagen) und Parkplatz Gelsenwasser an der Arena.
„Die Schalker Meile wird dabei weiträumig umfahren“, sagt Matthias Büscher. Denn: Nicht, dass die Busse unerwartet im Herzen Schalkes feststecken und es zu Krawall kommt. Überschäumende Freude auf der einen, Frust und Enttäuschung auf der anderen Seite können die Stimmung kippen und die Fäuste fliegen lassen.
Per Funk laufen deshalb auch Infos darüber ein, „wo sich gerade die Gelsenszene aufhält, was die Ultras oder die Hugos gerade machen“.
Gelsenkirchener Polizeidirektor Andreas Morbach zieht Fazit: Ein ruhiger Bundesliga-Spieltag
„Es war aus polizeilicher Sicht ein ruhiger Bundesliga-Spieltag, unser Einsatzkonzept ist aufgegangen“, wird später Andreas Morbach sagen, der seinen Kollegen bei einer Stippvisite in der Arena kurz über die Schulter schaute. Der Polizeidirektor leitet vom Polizeipräsidium Buer aus mit einer Führungsgruppe den Schalke-Einsatz. Dort am Goldbergplatz laufen alle polizeitaktischen Fäden zusammen. Funk, Telefon und Live-Bilder lassen die Polizeiführung kaum eine Sekunde im Unklaren darüber, was auf und neben dem Platz passiert.
Zurück zum Auge der Polizei in der Arena: Nach der 1:4-Schlappe macht sich unter einigen Einsatzkräften etwas Enttäuschung breit, es sind nicht wenige darunter, deren Herz ebenso an ihrem Beruf wie an Königsblau hängt. Das letzte Heimspiel, das muss es jetzt richten, so der Tenor. Ein Sieg gegen St. Pauli. Einzig der Cheerleader an der Wand, ihr kann scheinbar rein gar nichts die Laune verderben – Glück auf ewig festgehalten. Beneidenswert.