Oberhausen. Harter Rock hält seine Heroen jung: Das gilt für Ian Gillan – aber auch für Rob Halford, der seinen Gig mit Judas Priest ebenfalls verschiebt.
Nach den Verschiebungen der Erst-, Zweit- und Ersatztermine klingt der Name dieser Tournee wie blanker Hohn: Schließlich steht „Whoosh“ lautmalerisch für Rasanz – doch das bisher Einzige, was den Fans von Deep Purple seit März 2020 um die Ohren flog, waren die vergeblich gebuchten Tickets. Ob auf den 2. November 2022 mehr Verlass ist, für den die Veranstalter jetzt die Hardrock-Veteranen ankündigen?
Man möchte es hoffen, schließlich wird die Stimme von Ian Gillan nicht jünger: Der Sänger diverser Deep-Purple-Inkarnationen – sowie von „Jesus Christ Superstar“ und kurzzeitig auch Black Sabbath – wird die König-Pilsener-Arena als 77-Jähriger beschallen.
„Woosh!“ heißt das 21. Studio-Album der Hardrock-Institution, dessen Songs die Fünf neben Klassikern aus den 1970ern live spielen wollen. Mit diesem Nachfolger von Purples Platz-Eins-CD „inFinite“ (2017) zeigt sich die anno 1968 gegründete Band in einem so reifen wie genießerisch ausgewogenen Spätherbst ihrer Karriere – auch wenn der Appell „Come taste the Band“ auf ein viel früheres Album verweist.
Runderneuerte Spielfreude bewiesen die Veteranen auch mit jenen „Woosh!“-Konzerten, die sie noch vor entzückten Fans geben durften – bis sie wegen der Corona-Pandemie notgedrungen eine für sie ungewohnt lange Live-Pause einlegen mussten. Neben Ian Gillan dürften daher Bassist Roger Glover, Schlagzeuger Ian Paice, Gitarrist Steve Morse und Don Airey an den Keyboards nur so strotzen vor Spielfreude.
Die altgediente „Marken“-Band als Franchise-Unternehmen
Bemerkenswert am mutmaßlich langen Purple-Abend ist auch die Vorgruppe, respektvoll angekündigt als „ähnlich legendärer Special Guest aus Kalifornien“: Gemeint ist Jefferson Starship, die nun auch schon 47-jährige Nachfolgeorganisation der einstigen Revoluzzer von Jefferson Airplane. Deren wechselvolle Historie skizziert womöglich ein Konzept, das auch andere „Marken“-Bands am Ende eines langen Berufslebens übernehmen dürften: als Franchise-Unternehmen.
Priest-Fans huldigen aus dem Innenraum-Stehplatz
Eintrittskarten, um Neues und Altes von Deep Purple sowie Jefferson Starship live zu erleben, gibt’s im Vorverkauf in fünf Kategorien von 62,50 bis 99,70 Euro. Wichtig: Die bereits für die Termine 2020/21 gekauften Tickets behalten ihre Gültigkeit.Um Judas Priest in der König-Pilsener-Arena zu huldigen, gibt’s Karten in drei Kategorien: Sitzplätze für 57 und 68,45 Euro sowie die von den entschlossensten Fans bevorzugten zentralen Stehplätze für 62,70 Euro.
So gab die inzwischen 81-jährige Grace Slick als einstige Sirene von „Airplane“ wie „Starship“ schon vor Jahren ihren Segen zu einer Band unter dem alten Namen, in der sich längst Jüngere die Instrumente und Mikrofone teilen – mit Ausnahme des wackeren Starship-Mitbegründer David Freiberg an Gitarre und Keyboards. Nachdem diese Franchise-Band in den USA die scheinbar unvermeidlichen „Markenartikel“-Klagen ihres einstigen Gitarristen Craig Chaquico abgeschmettert hatte, darf sie nun mit den vertrauten Hits wie „Jane“, „Nothing’s Gonna Stop us now“, „We Built this City“ und „Sara“ aufwarten.
Einige Monate früher beehrt ein Quintett die Arena, gegen deren „priesterlichen“ Sound wie Donnerhall selbst ein höchst energetisch in die Saiten greifender Steve Morse als sachter Säusler gelten muss: Judas Priest zelebrieren am 31. Juli 2022 „50 Heavy Metal Years“ in der König-Pilsener-Arena – und holen damit den ursprünglich für Juli 2021 (und ganz ursprünglich für Juni 2020) angekündigten Termin nach. Aber Metal-Fans sind ja treue Seelen – und ihre Heroen haben bis ins Alter bemerkenswert belastbare Stimmen.
In großen Posen dargebotene Song-Gewitter
Das gilt natürlich auch für Rob Halford, den 69 Jahre jungen „Metal God“, der seiner Kehle vom tiefsten Grollen bis zu klirrendem Falsett noch alles abverlangen kann. Mit seiner Autobiografie „Ich bekenne“ – von der zu Scherzen aufgelegten Rock-Gottheit schon mal angekündigt als Trilogie im „Herr der Ringe“-Format – erwarb er sich vor einigen Wochen sogar eine respektvolle Rezension im „Spiegel“. Außerhalb der „Metal Hammer“-Publizistik war man eben noch überrascht, dass der „erste homosexuelle Metal-Sänger“ seit seinem Outing vor 23 Jahren von der vermeintlichen Macho-Szene ganz selbstverständlich akzeptiert wird. Für die Fans zählen ohnehin nur die in großen Posen dargebotenen Song-Gewitter und Halfords höchste Töne.