Gelsenkirchen. Englisch-Abiturklausur unter Corona-Bedingungen hieß es für Gelsenkirchener Schüler am Freitag. Wie es lief? Ein Vor-Ort-Besuch in Bismarck.
„270 Minuten Arbeitszeit + 30 Minuten Auswahlzeit“, lautet die Ansage auf dem Whiteboard. Auf jedem der 15 Einzeltische liegen Wörterbücher und ein Lexikon. Hier wurde noch bis vor kurzem eine ganz normale Abiturprüfung an der Evangelischen Gesamtschule in Bismarck geschrieben, könnte man meinen. Doch stehen die Tische eben ein kleines bisschen weiter auseinander als sonst. Und ganz vorne auf dem Pult thront eine knallgelbe Flasche mit Desinfektionsmittel. Willkommen zur zweiten Abiturphase unter Corona-Bedingungen. Am Freitag (23. April) stand als erstes Englisch auf dem Plan.
Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet das Corona-Abitur: Sie müssen während der Klausur eine medizinische Maske tragen, abnehmen dürfen sie sie nur für Essens- und Trinkpausen. Vor der Klausur wird zudem ein negatives Testergebnis gefordert. Und natürlich, das A und O: Abstand halten. „Wir mussten einige Klassen trennen. In diesem Raum zum Beispiel“, erklärt Oberstufenkoordinator Guido Laban, „hätten eigentlich 24 Schüler sitzen sollen, jetzt waren es 15. Die Fachlehrerin konnte dann natürlich nicht in beiden Räumen gleichzeitig sein.“
Gelsenkirchener Schüler: „Die Maske hat genervt“
Die Bezirksregierung Münster hat außerdem noch am Vortag die offizielle Erlaubnis gegeben, während der Klausur eine Winterjacke zu tragen, erzählt Labon nicht ohne ein ironisches Schmunzeln. Und das sogar, „solange, wie gewünscht.“ Normalerweise – das mag vielen nicht bekannt sein – herrscht nämlich in der Abitur-Klausur ein striktes Winterjacken-Verbot. Schließlich könnte man unter dicken Daunen einen Spickzettel oder ein Handy verstecken. Weil aber während der Klausur permanent gelüftet werden musste, gab es die Ausnahmegenehmigung.
„Die Maske hat genervt“, sagt Abiturient Felix Urbas (18) kurz nach der Klausur. „Dass wir Abstand halten müssen – na ja, da hat sich ja nicht viel getan.“ Luca Trzygodda (19) ergänzt: „Wir sind an diese Situation ja seit anderthalb Jahren gewöhnt.“ Die Klausur sei zum Glück ganz gut zu meistern gewesen, finden die beiden. Auch wenn eine englische Analyse eben immer „viel Schreibarbeit“ sei, wie Luca sagt. Felix bemerkt selbstkritisch, dass seine Zeiteinteilung nicht ganz so gut geklappt habe.
Direktor der Evangelischen Gesamtschule sah seine Schüler gut vorbereitet
Trotzdem: Sie haben es geschafft. Und dass, obwohl Felix nach anderthalb Jahren Schule unter Corona-Bedingungen bilanziert: „Homeschooling ist ganz schlimm.“ Luca stimmt ihm zu, und berichtet, dass man in den Präsenz-Phasen viel besser hätte lernen können. Nur wenige Schüler, so der Eindruck vor Ort, stehen noch zusammen, um nach getaner Arbeit über die Klausur zu diskutieren. Die meisten verlassen schnell das Schulgelände.
Der Schulleiter der Evangelischen Gesamtschule, Volker Franken, sah seine Abiturienten im Vorfeld „gut vorbereitet“. Man merke sehr stark die Eigenverantwortung der Schüler. Mittlerweile hätte die Schule auch genügend Selbsttests, sodass alle Schüler noch vor Klausur-Beginn einen Corona-Test machen konnten. „Das erhöht natürlich auch den Druck“, gibt Franken aber zu bedenken. Denn würde ein positives Ergebnis am Ende des Tests stehen, wäre es das erstmal mit der Abiturklausur.
Schüler hätten die Corona-Tests vor der Klausur auch ablehnen können
Zuvor hatte die Schule alle Abiturienten befragt, ob sie sich überhaupt testen lassen wollen. Von den gut 100 Abiturienten stimmten alle zu. Sie hätten auch ablehnen können – dann hätten sie ihre Arbeiten in einem speziell für Nicht-Getestete bereit stehenden Raum geschrieben.
Dafür gab es aber diesen Zwischenfall. „Eine Stunde vor Ende der Klausur rief das Gesundheitsamt an und teilte mit, dass eine Schülerin in Quarantäne müsse, weil sie als Kontaktperson einer Infizierten identifiziert wurde“, berichtet Laban. „Gott sei Dank hat sie die Möglichkeit bekommen, die Klausur zu Ende zu schreiben. Erst danach haben wir ihr Bescheid gesagt und sie wurde dann mit dem Auto abgeholt.“ Geschichten, wie sie nur das Corona-Jahr schreibt.
Schulleiter des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium „sehr zufrieden“ mit dem ersten Abi-Tag
„Unter diesen Bedingungen haben die Schüler wirklich viel geleistet“, resümiert Laban am Ende des Tages. „Sie haben sich zusammengerissen, haben alles mitgemacht, sich an alle Regeln gehalten. Und das, obwohl zum Beispiel das Schreiben mit Maske eine große Belastung für sie war.“
Auch Frank Kaupert zeigt sich „sehr zufrieden“ mit dem ersten Tag der Abiturprüfungen. Der Schulleiter des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums berichtet von einem problemlosen Start der Abiturprüfungen an seiner Schule. Aber auch davon, dass viele Schüler sehr angespannt seien. Von Routine seien sie zwar noch sehr weit entfernt – das zweite Abitur in Folge unter Corona-Bedingungen sei in der Planungsphase aber im Vergleich zum Vorjahr kalkulierbarer gewesen. Da beispielsweise auch absehbar gewesen ist, dass die Reifeprüfung auch durchgezogen wird. „Wir sind für jeden Tag froh, der gut gelaufen ist“, so Frank Kauperts Fazit nach Abi-Tag Nummer eins.
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