Oberhausen. Nach jahrelanger Debatte hat sich Oberhausen entschlossen, dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ beizutreten – und mehr Flüchtlingen zu helfen.

Mit der denkbar knappen Mehrheit von einer einzigen Stimme hat sich der Rat der Stadt Oberhausen am späten Montagnachmittag entschieden, Oberhausen zum „Sicheren Hafen“ für Flüchtlinge zu erklären. Der 2018/2019 gegründeten kommunalen Initiative „Städte Sicherer Häfen“, angestoßen von der Bewegung „Seebrücke“, sind mittlerweile knapp 300 Kommunen in Deutschland beigetreten, die sich bereiterklären, mehr Flüchtlinge aus Seenot aufzunehmen, als sie nach dem Königsteiner Verteilungsschlüssel unterbringen müssten.

Die Mehrheit der anwesenden Oberhausener Ratsmitglieder (27 Stimmen von SPD, Grünen und Linke Liste) wollen mit diesem Bekenntnis ein Zeichen der Solidarität setzen, dass die Stadt Oberhausen die schnelle und unkomplizierte Aufnahme sowie Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ anbietet. Zugleich soll Oberhausen so zeigen, dass „es nicht akzeptiert, dass politisch Handelnde in Europa bewusst in Kauf nehmen, dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken“. Hilfe sei möglich und notwendig. Zudem dürfe die Seenotrettung nicht kriminalisiert werden.

Ist die Verpflichtung zur Flüchtlings-Aufnahme zu weitgehend?

Gegen eine so weitgehende Verpflichtung, noch mehr Flüchtlinge als bisher aufzunehmen, wendeten sich die 26 anwesenden Ratsmitglieder von CDU, AfD, FDP, BOB und der Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU). Sie stimmten gegen einen Beitritt zum „Bündnis Städte Sicherer Häfen“, sondern für einen Appell an die Bundesregierung, „alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer zu beenden“. Oberhausen werde „selbstverständlich gemäß den geltenden Regelungen Aufnahmekapazitäten zur Verfügung stellen“ – aber eben nicht darüber hinaus.

Stefanie Opitz, Fraktionsvorsitzende der Grünen, im Dezember 2021 während einer Ratssitzung in Oberhausen.
Stefanie Opitz, Fraktionsvorsitzende der Grünen, im Dezember 2021 während einer Ratssitzung in Oberhausen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Der Ratsmehrheit am Montag war dies nicht weitgehend genug. Alle bisherigen Appelle und „Willkommens“-Erklärungen auch des Oberhausener Rates hätten nicht gefruchtet. „Die Lage der Flüchtlinge bei ihrem Weg über das Mittelmeer hat sich seit 2015 weiter verschlechtert“, sagte SPD-Fraktionsvize Silke Jacobs. „Deshalb setzen wir mit dem Beitritt zum Sicheren-Hafen-Bündnis ein Signal der Solidarität und ein Signal an die Entscheidungsträger, die unmenschliche Situation zu verändern.“

Grünen-Ratsfraktionschefin Stefanie Opitz erinnerte an die unerträglich hohe Zahl vieler Tausend Menschen, die seit Jahren auf ihren unsicheren Fluchtwegen über das Mittelmeer ihr Leben verlieren. Nach Angaben des Flüchtlingswerkes UNHCR sind von 2014 bis Mitte 2021 über 21.500 Menschen auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunken. So forderte Linken-Ratsfraktionschef Yusuf Karacelik: „Wir müssen für Menschen ein sicherer Hafen sein, die auf ihrer Flucht Gefahr laufen, im Mittelmeer zu ertrinken. Mit dem Beitritt setzen wir auch ein Signal gegen die EU-Abschottungspolitik.“

Vor drei Jahren lehnte Ratsmehrheit den „sicheren Hafen“ noch ab

Bereits vor drei Jahren hatte sich der Stadtrat mit der Frage beschäftigt, ob Oberhausen sich dem Bündnis Seebrücke („Städte Sicherer Häfen“) anschließen soll. Damals, im Februar 2019, lehnte dies im alten Stadtrat nicht nur die CDU und die FDP ab, sondern vor allem auch die SPD. Damals befürchteten große Teile der Fraktion eine Überforderung von Oberhausen durch die Flüchtlingsproblematik, die parteipolitisch ausgeschlachtet werde. Der Rat dürfe sich in der Flüchtlingsfrage nicht spalten lassen, argumentierte der damalige SPD-Ratsfraktionschef Wolfgang Große Brömer: „Alles, was den Zusammenhalt gefährdet, ist kontraproduktiv.“ Mit der Entscheidung, Oberhausen als „sicheren Hafen“ zu deklarieren, positioniert sich die sozialdemokratische Fraktion unter ihrer Vorsitzenden Sonja Bongers – angetrieben vor allem von den Jusos – in dieser Frage nun endgültig neu.

Die stellvertretende SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Silke Jacobs im Dezember 2021 während einer Ratssitzung in Oberhausen.
Die stellvertretende SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Silke Jacobs im Dezember 2021 während einer Ratssitzung in Oberhausen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Schon vor einem Jahr hatten die Grünen einen neuen Vorstoß gewagt, einen Ratsbeschluss für Oberhausen als „Sicheren Hafen“ für Flüchtlinge durchzusetzen – und hatte in dieser Frage schon die SPD auf ihrer Seite. Weil jedoch im damaligen Pandemie-Höhepunkt nur der kleinere Hauptausschuss anstelle des großen Rates tagen und entscheiden durfte, war eine Mehrheit für den Antrag unwahrscheinlich – die Grünen zogen im März 2021 ihren Antrag deshalb wieder zurück.

Jetzt feiern die Grünen mit ihrer nun erneut eingebrachten Initiative sowie vor allem die jungen Sozialdemokraten einen großen politischen Erfolg – deshalb kam es im Rat an diesem Montag (21. März 2022) im großen Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle gar zu Beifallsbekundungen und Freudenrufen, als Oberbürgermeister Daniel Schranz die knappe Mehrheit für den Beitritt zum Bündnis Seebrücke verkündete.

Was diese Entscheidung nun tatsächlich für Oberhausen bedeutet, muss nun Sozialdezernent Frank Motschull (SPD) analysieren. Anfang 2019 hatte es noch geheißen, dass der Beitritt vor allem Symbolpolitik der beteiligten Städte sei, eine Geste zugunsten der Flüchtlinge. Denn damals mussten die beteiligten „Sicheren-Häfen“-Städte faktisch nicht mehr Flüchtlinge als nach dem offiziellen Verteilungsschlüssel aufnehmen. Wie das künftig aussieht, ist bisher noch unklar.