43 Jahre lang fährt der Gelsenkirchener Wolfgang Domienik bereits sein VW-Cabrio. Wie er seine alte Liebe pflegt – und was er an ihr schätzt.
Alte Liebe rostet nicht? Doch, schon. Aber sie lässt sich auch durchaus konservieren, gar herausputzen. Das gilt besonders, wenn die Leidenschaft einem Auto gilt. In diesem Fall: einem VW Käfer-Cabrio 1303, Baujahr November 78, weiß mit schwarzem Verdeck, 50 PS, Originalzustand vom Bodenblech bis zum Innenspiegel – und um ein paar sportliche Extras erweitert. ATS-Alufelgen, Abarth-Doppelauspuffanlage, Ölkühler, Recaro-Sportsitze, Lederlenkrad, Frontspoiler, Zusatzscheinwerfer und satten Klang aus vier Lautsprechern hat Wolfgang Domienik seiner frühen Liebe und sich gegönnt. Seit 43 Jahren sind die beiden unzertrennlich.
Gelsenkirchener gibt dem Rost keine Chance
Was der Gelsenkirchener besonders an seinem Oldie schätzt? Nun ja, die glatte Haut… Der Lack ist noch in 1-a-Zustand. Sattweiß steht das Auto da. Keder, Fenstergummis, Trittbretter, Chromzierleisten – alles noch im Originalzustand und „ehrlich“, wie Domienik es nennt. Will meinen: Das Cabrio wurde nie einer Verjüngungskur unterzogen, ist in Würde gealtert. Und dazu gehören dann auch eben ein paar blinde Flecken auf dem Chrom. Dass der Rost ansonsten in Jahrzehnten kaum eine Fraß-Chance hatte, liegt an entsprechender penibler Vorsorge. Die Hohlräume, die Innentüren, die Untergruppe seines 1303 hat der Gelsenkirchener kurz nach dem Kauf und danach in regelmäßigen Abständen frisch versiegelt. „Man kennt ja die anfälligen Stellen“, sagt er und griff beizeiten zum Sprühöl.
Auf Hochzeitsreise im Cabrio an den Bodensee
Domienik hat seine erste Frau im Käfer-Cabrio zur Hochzeit kutschiert. Die Hochzeitsreise ging danach an den Bodensee. „Mal sind wir mit dem Wagen nach Holland gefahren oder haben Wochenendtouren unternommen, aber nie weite Reisen.“ Etwas mehr als 70.000 Kilometer stehen nach 43 Jahren auch nur auf dem Tacho.
Im April 1979 hat der Gelsenkirchener das Cabrio gebraucht gekauft. Es war die letzte Modellreihe, die bei Karmann vom Band lief. Der Käfer zählte damals schon zu einer aussterbenden Gattung. 16.000 Mark sollte der Wagen kosten, der Gelsenkirchener hat ihn für 15.300 Mark von einem Privatmann erworben. Der war nach wenigen Monaten „oben ohne“ unglücklich. „Dem flog bei offenem Dach das Toupet weg“, sagt Domienik, der so zu seinem Liebling kam.
Zur Oldie-Flotte zählte auch ein legendärer „Gangster-Kapitän“
Wobei der 66-Jährige seine Liebe einst durchaus teilte, das Cabrio war damals nur jüngster Spross in einer größeren Familie. Ein Goggomobil, ein DKW und ein Opel Kapitän, Baujahr 1951, der wie seine legendären Vorgänger später unter Oldtimerfans als „Gangster-Opel“ Karriere machte, oder auch ein Karmann Ghia gehörten zur „Flotte“. Domienik hat die Wagen teils mit einem Freund mühsam restauriert und von Grund auf wieder aufgebaut. Etliche Bilder in mehreren Fotoalben zeugen von der mobilen Passion.
Wolfgang Domienik, noch heute als ambitionierter Radsportler („wir fahren mehrmals in der Woche 70, 80 Kilometer“) und Alt-Herren-Kicker schlank und durchtrainiert, steht da vor seinen Schätzen oder seinen Traumautos auf der Essener Motorshow. Die Haare lang, die Hosen mit Schlag, die Zeiten etwas wilder, die Autos noch mit unverwechselbarem „Gesicht“. Alte Dinge zu bewahrten, schätzt Domienik generell. Ein Röhrenradio steht in seiner Küche, im Wohnzimmer, natürlich wohlsortiert mit Singles bestückt, glänzt allzeit einsatzbereit eine Rock-Ola-Jukebox. Auch sein erstes Rennrad hat hier Platz gefunden. Neben dem filigranen Rabeneick-Modell mit Campagnolo-Schaltgruppe hat der 66-Jährige seine ersten Radsportschuhe postiert.
In der Garage wurden Oldtimer wie ein DKW von Grund auf wieder aufgebaut
Industriekaufmann bei den Stadtwerken Essen war Domienik in seinen letzten Berufsjahren. Davor war der Bismarcker 21 Jahre lang in einem Schrott-und Metallgroßhandel tätig. Ein offenes Auge für das, was dort so mit dem Alteisen auf den Hof gekippt wurde, hat ihm manchen Fund beschert. „Die Auspuffanlage für das Cabrio habe ich von dort“, sagt er. Plötzlich glänzten die Chrom-Endrohre damals im Schrott, heute noch am Heck des Käfers. Den fährt Domienik für den Fotografen aus der Garage. „Jetzt kriegt er sein Gnadenbrot. Ich hole ihn nur noch bei schönem Wetter raus“, sagt der 66-Jährige. Der Boxer-Motor springt sofort mit markigem Sound an. Weiteres Thema: Oldtimer bieten Gelsenkirchener OGIK das pure Fahrvergnügen
Im Alltag bewegt Domienik längst andere Fahrzeuge. Aber am Käfer, sagt er „bin ich hängengeblieben, der war für mich d a s Auto“. Ein paar Jahre soll die Fahr-Beziehung noch halten. „Dann geht das Cabrio nach Hamburg. Zur Tochter“. Alte Liebe ist hier Familiensache.