Oberhausen. Vor zehn Jahren gründete Oberhausen einen eigenen Bereich im Rathaus für mehr Chancengleichheit in der Gesellschaft. Was hat sich seitdem getan?
Niemand wird aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Alter, sexueller Orientierung oder Behinderung diskriminiert. Mit diesem gesteckten Ziel ging die Stadt Oberhausen vor genau zehn Jahren einen innovativen Weg: Als bundesweit erste Stadt, davon war der damalige Oberbürgermeister Klaus Wehling (SPD) überzeugt, schaffte sie im Rathaus einen eigenen Bereich für Chancengleichheit. Was hat’s gebracht? Wo liegen neue Herausforderungen? Haben alle Menschen in Oberhausen die gleichen Chancen?
Probleme gab es damals – und Probleme gibt es heute. „Die Themen des Bereichs sind relevanter denn je“, sagt Oberhausens Strategiedezernent Ralf Güldenzopf. „Gegen strukturelle Diskriminierung vorzugehen ist eine Daueraufgabe und die Facetten der Arbeit sind breiter geworden.“ Hetze und Bedrohungen aus dem Internet beispielsweise, oft anonym in den sozialen Medien: Was vor zehn Jahren als Problem gerade erst aufkam, beschäftigt das Büro für Chancengleichheit heute umso mehr.
Büro für Chancengleichheit: Seismograph und Taktgeber
Das Büro sei dabei nicht nur Seismograph, sondern auch Taktgeber, sagt Güldenzopf: Das Team erkenne nicht nur gesellschaftliche Missstände, sondern fordere immer auch Konsequenzen. Vor zehn Jahren waren das beispielsweise die Bodennoppen an den Haltestellen von Bussen und Bahnen, die blinden und sehbehinderten Menschen bei der Orientierung mit dem Taststock helfen – und die das Büro für Chancengleichheit zuvor eingefordert hatte. Heute sind es etwa die Quartiersbüros, die vor allem älteren Oberhausenerinnen und Oberhausenern Anlaufstelle sein sollen – und die das Büro für Chancengleichheit mitinitiiert hat.
Als Erfolge zählt Britta Costecki, Bereichsleiterin und Gleichstellungsbeauftragte, auch die regelmäßig stattfindende Seniorenmesse und den jährlichen Aktionstag für Menschen mit Behinderung. Auf Initiative des Bereiches Chancengleichheit werde der Inklusionspreis verliehen und erhalten vorbildliche Betriebe die Auszeichnung „Familienfreundliches Unternehmen“. Mit der Kontaktstelle „No Name“ habe die Stadt eine Anlaufstelle für homo- und transsexuelle Jugendliche, die Aktion „Luisa ist hier“ sensibilisiere die Oberhausener Club- und Kneipenszene für das Thema sexuelle Übergriffe: Sagt eine Betroffene oder ein Betroffener den Satz an der Theke, heißt das: Ich brauche Hilfe! Und hatte die Stadt vor zehn Jahren noch große Probleme mit der Inklusion, gibt es laut Costecki heute schon deutlich mehr Arbeitgeber, die auch Menschen mit Behinderung einstellen. Selbstverständlich sei es aber noch nicht: „Wir bohren weiter.“
Altersarmut in Oberhausen großes Problem
Hinzu kommen weitere Probleme, die Costeckis Team in den kommenden Jahren auf Trab halten werden. „Die Altersarmut steigt an, besonders bei Frauen“, sagt die Bereichsleiterin. „Und wir müssen das gesellschaftliche Miteinander mehr im Blick haben.“ Sonst drohe eine weitere Spaltung. Dezernent Ralf Güldenzopf ergänzt: „Der demografische Wandel wird uns ebenfalls beschäftigen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat gerade in der Coronakrise ganz neue Dimensionen bekommen.“
Oberste Machtebene ist rein männlich
In Ausschüssen und bei Ratssitzungen wird es deutlich: Die Dezernentenriege der Stadt Oberhausen ist männlich, auf dieser obersten Machtebene im Rathaus ist keine einzige Frau dabei. Auch die Bürgermeister-Posten sind alle durch Männer besetzt. Haben Frauen in der Stadtverwaltung nicht die gleichen Chancen wie Männer? Strategiedezernent Ralf Güldenzopf hält sich bei dieser Frage bedeckt, die Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki drückt immerhin ihr Bedauern aus.Nach dem Ausscheiden der Umweltdezernentin Sabine Lauxen wird für diesen Posten nun zwar verstärkt nach einer Nachfolgerin gesucht. „Aber auch in der Verwaltung gibt es einen Fachkräftemangel“, sagt Costecki. Geeignete Bewerberinnen (und Bewerber) müssten also zunächst mal gefunden werden.
Hand aufs Herz: Geht die Stadt da schon mit gutem Beispiel voran? Britta Costecki meint Ja. Sie zählt die verschiedenen Arbeitszeitmodelle auf, die Beschäftigte der Verwaltung individuell gestalten könnten. Seit einigen Jahren sei Teleheimarbeit möglich, das mobile Arbeiten werde durch Corona nun noch einmal forciert. Manko: „Wir müssen noch stärker als bislang in die Köpfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen, welche Angebote es schon gibt.“