Oberhausen. Fast 300 Familien verlieren ihren Anspruch auf ein verbilligtes Stoag-Schokoticket in Oberhausen – weil man im Rathaus Entfernungen gemessen hat.
Schüler-Schokotickets der Stoag sind durch staatliche Förderung drei Mal so billig wie die reguläre Monatsfahrkarte für die Stoag-Busse und -Bahnen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR). Doch jetzt verlieren fast 300 Familien ihren Anspruch auf die Billigvariante der Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr – und das nur deshalb, weil die Stadt Oberhausen fachmännisch mit digitalen Methoden genau nachgerechnet hat, wie weit die Familie von der Schule ihres Sohnes oder ihrer Tochter entfernt wohnt.
Denn der Anspruch auf ein Schokoticket für Schüler besteht nach der Schülerfahrtkostenregelung nur dann, wenn sein Zuhause nicht zu nah an der Schule ist. Dabei steigt die erlaubte Entfernung mit dem Alter der Kinder und Jugendlichen,. So erhalten Grundschüler die finanzielle Unterstützung fürs Schokoticket, wenn sie mehr als zwei Kilometer von der nächst gelegenen Schule entfernt wohnen. Bei Schülern der Sekundarstufe I gilt eine Grenze von 3,5 Kilometern und bei der Sekundarstufe II eine von fünf Kilometern.
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Die Fachverwaltung im Rathaus hatte sich bereits vor zwei Jahren mit der Neukalkulation von Entfernungen beschäftigt – zunächst, ohne die Politik einzuschalten. Die Rathaus-Beschäftigten hatten bisher ein wenig nach der allgemeinen recht liberalen Stimmung im rheinisch geprägten Oberhausen die Entfernung zwischen Wohnung und Schule auf papiernen Karten geschätzt – wohl „Pi mal Daumen“, oft offenbar zugunsten der Familien. Doch dann häuften sich die Beschwerden, dass einer die Billigkarte erhielt, der andere nicht, obwohl er doch ähnlich nah an der Schule sein Heim hat. Insgesamt recht zahlreiche Einzelfälle, die unstimmig erschienen, sorgten für schwelenden Unmut.
In einer großangelegten Aktion wurden deshalb im Rathaus bereits im Jahre 2019 Entfernungen durch exakte digitale Distanzmessungen überprüft und schon einmal die ersten Kündigungsbriefe für Schokotickets herausgeschickt. Dies sorgte damals bei den betroffenen Eltern für helle Empörung, die Politik war ein Jahr vor den Kommunalwahlen alarmiert.
„Ich bin aus allen Wolken gefallen“, schrieb damals eine Mutter. Ohne Vorwarnung sei ihr die Kündigung der Stoag ins Haus geflattert. Die Familie wohne (nach alter Berechnung) mehr als 3,5 Kilometer von der nächst gelegenen Schule entfernt – also hatte die Tochter einen Anspruch auf ein vergünstigtes Ticket. Dieser Anspruch liege nun nicht mehr vor, teilte die Stoag der verdutzten Oberhausenerin plötzlich mit. Die Familie müsse nun den vollen Preis für das Schokoticket zahlen: 36,70 Euro statt der bisher ermäßigten 12 Euro. Über 500 Schüler sollten auf diese Art und Weise sofort den Zuschuss verlieren, weil sie nach einer Neuberechnung der Schulweg-Länge durch das Rathaus nicht mehr weit genug von ihrer Schule entfernt wohnen.
Preise für Schokotickets erhöhen sich um zwei Euro im Monat
Im nächsten Schuljahr erhöhen sich für alle Familien die Preise fürs Schokoticket, die seit 2012 in Oberhausen stabil geblieben sind. Ab dem neuen Schuljahr sollen Familien für das erste Kind als Eigenanteil 14 statt 12 Euro monatlich für das Schokoticket zuzahlen, für das zweite Kind 7 statt 6 Euro. In Oberhausen gab es Ende 2020 insgesamt 5900 Schokoticket-Selbstzahler und 3700 Schüler, die ein ermäßigtes Ticket mit Eigenanteil in Anspruch nehmen. Der Eigenanteil stellt das Entgelt dafür dar, dass Schüler das Ticket auch in ihrer Freizeit nutzen können. Für Selbstzahler, bei denen der Schulträger nicht die Kosten übernimmt, liegt der Preis für das Schokoticket bei 37,35 Euro. Stärker unterstützt werden sollen Familien mit vielen Kindern. So sollen Selbstzahler für das dritte Kind 50 Prozent Rabatt erhalten und die Tickets für weitere Kinder sogar kostenlos bekommen.
Die Politik stoppte zunächst die eifrigen Stadtbediensteten und klärte die Lage mit Hilfe des damals frisch gebackenen Schuldezernenten Jürgen Schmidt. Der schlug vor, bei allen 570 heiklen Fällen noch einmal exakt die Distanz nachzumessen und bis dahin für alle betroffenen Familien einen Bestandsschutz bis zum Ende des Schuljahres 2020/21 zu geben. Dieser Idee folgte der Rat anschließend mit breiter Mehrheit im September 2019. Für den Bestandsschutz stimmten SPD, CDU, FDP und BOB, dagegen waren die Linken und die Grünen. Linken-Ratsherr Lühr Koch argumentierte, es gebe keinen Grund für eine Neuberechnung. Entscheidend sei doch, wie unsicher der Schulweg sei, um ein Rabatt-Ticket zu gewähren.
Nun ist die Kilometer-Schulwegprüfung der Stadt endgültig abgeschlossen – demnach verlieren knapp 300, exakt 294, Oberhausener Familien ihr Schokoticket. Nach Mitteilung der Stadt werden die Eltern nun umgehend vom Schulamt informiert. „Somit ist sichergestellt, dass es ausreichend Zeit für die Eltern und Schüler gibt, um auf die Anpassung entsprechend reagieren zu können.“
Die Stadt zahlt übrigens pro Jahr pauschal rund zwei Millionen Euro an die Stoag als Kostenausgleich für die ermäßigten Schokotickets. Die Höhe der Zahlung sei nicht von der Anzahl der ausgestellten ermäßigten Schokotickets abhängig, erklärte Schuldezernent Jürgen Schmidt 2019 im Ausschuss. Die Summe basiere auf der Gesamtzahl der Schüler (rund 25.000).