Mülheim. Zwei neue Frauen führen ab September die Buchhandlung Hilberath und Lange in Mülheim-Saarn. Bei der Kundschaft gibt es Tränen – wohl ohne Grund.

Die Buchhandlung Hilberath und Lange geht bald über in neue Hände. Für leseaffine Menschen in Mülheim, für den Stadtteil Saarn, ist das eine spektakuläre Nachricht und nach erstem Gefühl keine gute. Doch die künftigen Inhaberinnen arbeiten schon mit im Geschäft und tun alles dafür, dass der Wechsel an der Düsseldorfer Straße 111 keine Wunden schlagen wird.

Im September wollen sich Dr. Ursula Hilberath und Brigitta Lange in den Ruhestand begeben, die Altersgrenze 65 ist für beide dann greifbar. Suse Mertens (48) und Silvia Becker (49) rücken nach. „Unsere aktive Arbeit endet am 31. August“, stellt Brigitta Lange klar, „am 1. September stehen die Damen auf der Kommandobrücke und wir nur noch beratend im Hintergrund.“ Sie und Ursula Hilberath bleiben aber in Mülheim wohnen und leisten weiterhin bei Bedarf Unterstützung.

Nach 29 Jahren wechseln die Inhaberinnen der Mülheimer Buchhandlung

Seit fast drei Jahrzehnten besteht die Buchhandlung im Dorf Saarn. Hilberath und Lange eröffneten ihr Geschäft im September 1993 in einer ehemaligen Metzgerei – die Selbstständigkeit war ein finanzielles Wagnis, für das sich die Unternehmerinnen anfangs hoch verschulden mussten. Über die Jahre hat sich Hilberath und Lange nicht nur als Buch-Beschaffungsquelle etabliert (samt professionellem Online-Shop), sondern auch als wichtiges, lebendiges Kultur- und Veranstaltungszentrum. So startet an diesem Freitag, 6. Mai, der nunmehr 28. Saarner Bücherfrühling, der von der Buchhandlung maßgeblich mit organisiert wird.

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Wie offenbar alles, was sie angehen, haben Hilberath und Lange auch die Weiterführung ihres Lebenswerks langfristig und sorgfältig geplant. Neben Interesse muss der oder die Betreffende auch einiges an Kapital mitbringen, allein um den reichen Lagerbestand zu erwerben.

Lange vergeblich nach einem Nachfolger gesucht

Man habe zunächst drei Jahre lang vergeblich gesucht, berichtet Brigitta Lange. Mit vielen Menschen aus der Branche sei man in Kontakt getreten, habe Anzeigen geschaltet und auch eine externe Buchhandelsberatung eingeschaltet. Aus all dem wurde nichts. „Teilweise bewarben sich auch Leute, die überhaupt keine Ahnung hatten“, merkt Brigitta Lange kritisch an.

Sie entwickelten eine neue Idee, richteten den Blick auf ihre buchaffine Kundschaft und warben im Oktober 2020 in ihrem eigenen Kundenmagazin „HilLa“ um mögliche Nachfolgerinnen. Wenige Wochen später meldeten sich Suse Mertens und Silvia Becker per Mail – als erste und beste, wie alle glauben.

„Alte Hockeyfreundinnen“ übernehmen das Geschäft

Die Mülheimerinnen sind seit vielen Jahren befreundet: „Wir sind alte Hockeyfreundinnen“, sagt Suse Mertens, sie haben früher beim HTC Uhlenhorst zusammen gespielt, später gemeinsam in Bonn verschiedene Sprach- und Gesellschaftswissenschaften studiert. Mit anderen literaturbegeisterten Freundinnen hätten sie auch einen Leseclub, der sich regelmäßig trifft, berichtet Mertens. „Doch eigentlich war es nicht unsere Lebensplanung, eine Buchhandlung zu übernehmen.“ Nun wagen sie es, lösen sich aus ihren bisherigen Berufen – Suse Mertens arbeitet bei einem Trainings- und Coaching-Institut in Ratingen, Silvia Becker beim vdi-Verlag, der im technischen Bereich publiziert.

Die Mülheimer Buchhändlerinnen Dr. Ursula Hilberath (l.) und Brigitta Lange gehen im September in den Ruhestand. Manchen Stammkunden treibt diese Nachricht Tränen in die Augen.
Die Mülheimer Buchhändlerinnen Dr. Ursula Hilberath (l.) und Brigitta Lange gehen im September in den Ruhestand. Manchen Stammkunden treibt diese Nachricht Tränen in die Augen. © Frank W. Koch

Bereits jetzt sind die künftigen Inhaberinnen einmal pro Woche halbtags in der Buchhandlung tätig. Ab 1. Juni werden sie in Festanstellung starten, mit Hilberath und Lange im Quartett arbeiten und ein Vierteljahr später den Laden übernehmen. So, wie er ist. „Die inhabergeführte, sehr individuelle, den Kunden zugewandte Buchhandlung soll erhalten bleiben“, verspricht Brigitta Lange. Was sie auf keinen Fall wollten: an einen Filialisten verkaufen, eine Kette ins Ladenlokal lassen, die eine Buchhandlung von der Stange aufzieht.

In ihrer aktuellen Kundenzeitschrift HilLa haben die Buchhändlerinnen den bevorstehenden Wechsel kürzlich publik gemacht. Viele Stammkundinnen und -kunden sind also schon vorgewarnt. „Einige kommen und weinen“, berichtet Brigitta Lange, aber die meisten seien doch froh und erleichtert, dass es an dieser Stelle in vertrauter Weise weitergehen soll.

Alle vier Mitarbeiterinnen sollen bleiben

So versprechen die Geschäftsführerinnen in spe, dass sie das komplette Team behalten werden: Insgesamt vier Mitarbeiterinnen sind dort tätig, durchweg in Teilzeit. „Wir sind froh, dass wir weiter mit ihnen zusammenarbeiten können“, sagt Suse Mertens. Generell soll es im Betrieb keine tiefgreifenden Veränderungen geben, nur einige optische Auffrischungen im Laden sind wohl geplant.

Im kommenden Januar müssen die neuen Inhaberinnen das Geschäft zu Renovierungszwecken wahrscheinlich für einige Tage schließen. Mertens versichert: „Wir werden eine schöne Familienbuchhandlung bleiben.“ Sie werden allerdings auch wissen: Hilberath und Lange ist weit mehr als das. Die Latte liegt hoch. Mehrfach wurde das Geschäft beispielsweise mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet, gehört zu den bundesweit herausragenden Läden.

Übergang wird gefeiert

Am 3. September, einem Samstag, wird der Wechsel in der Saarner Buchhandlung gefeiert. Keine Abschiedsveranstaltung, sondern „ein Übergangsfest“ soll es dann geben, kündigt Brigitta Lange an.

Eine konkrete Programmplanung für die Feier steht noch nicht. Anfang August soll es hierzu nähere Informationen geben.

Noch-Inhaberin Brigitta Lange macht Mut. Sie sagt: „Hilberath und Lange in Saarn bleibt erhalten“, auch der bekannte Name ändert sich nicht. Neu ist nur – Paul. Suse Mertens bringt ihren kleinen Dackel mit ins Geschäft.