Oberhausen. Wer wird stärkste Partei im Bund? Welche Partei holt die meisten Stimmen im Stadtgebiet? Wie die Christdemokraten auf erste Prognosen reagieren.
Es sieht für den unkundigen Beobachter ein bisschen so aus, als sei die Partei in den hohen Norden weit weg vom Oberhausener Rathaus geflüchtet, weil sie nach einem äußerst pannenreichen und oft konzeptionslos wirkenden Wahlkampf ihres Kanzlerkandidaten Armin Laschet ein ziemlich mageres Ergebnis befürchtet: Die Oberhausener Christdemokraten versammeln sich diesmal im Vereinslokal der Sportfreunde Königshardt am Pfälzer Graben 33.
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Gerade mal 40 Parteifreunde sind der Pandemie geschuldet dort eingeladen, unter den Gästen natürlich auch Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU), die CDU-Direktkandidatin Marie-Luise Dött, die CDU-Ratsfraktionschefin Simone-Tatjana Stehr mit diversen Ratsmitgliedern ihrer Truppe im Rat – und natürlich die Junge Union. Die Abkehr von den traditionellen Wahlpartys im Zentrum Oberhausens hat aber nichts mit all den grummelnden Bauchgefühlen zu tun, sondern mit der einfachen Tatsache, dass sich erstens im Rathaus wegen Corona niemand versammelt und zweitens das Ausweichziel TZU einen Wasserschaden hat und das Parkett auswechseln muss.
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So machen sich an diesem Wahlnachmittag die Christdemokraten vor Ort in Königshardt Mut: Haben sie nicht Jahr für Jahr ein besseres Ergebnis in der einstigen Garantie-Hochburg der SPD erzielt? Haben sie bei der Kommunalwahl 2020 nicht erstmals seit 1956 mehr Stimmen geholt als die Sozialdemokraten? Und ist die Stimmung an den Wahlständen in den vergangenen zwei bis drei Wochen nicht immer zugeneigter zur CDU geworden? Das zumindest beobachteten nicht nur Simone-Tatjana Stehr und Marie-Luise Dött.
Dött ist bereits seit 1998 im Bundestag und voller Hoffnung am Wahlsonntagmorgen. „Ich bin optimistisch, es ist wie beim Berlin-Marathon: die letzte Etappe entscheidet – und hier hat Armin Laschet in der Vergangenheit bewiesen, dass er es packen kann. Wir konnten hier im Stadtgebiet immer stärker die SPD nach unten drücken – hoffentlich gelingt uns das auch diesmal.“ Bisher hat Dött noch nie den Wahlkreis geholt, stets gewann der SPD-Kandidat – die beiden letzten Bundestagswahlen Dirk Vöpel mit 38,5 (2017) und mit 45,3 Prozent. Diesmal hat Dött auch nur einen äußerst knappen Listenplatz ihrer Partei ergattern können – Platz 23. „Das wird knapp, das könnte bis zum frühen Morgen dauern, ehe das feststeht“, prophezeit die 68-Jährige.
Und so stehen die CDU’ler im Vereinsheim Königshardt kurz vor 18 Uhr, kurz vor der Verkündung der Prognose in den Medien, relativ gebannt vor den drei Bildschirmen hinter der Vereinstheke. Eine Glocke hat die Gespräche wenige Sekunden vor der Prognose unterbrochen. Als die TV-Moderatoren das „schlechteste Ergebnis für die Union in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ prognostizieren, da bleibt es im Saal sehr still, einige Gesichter blicken erschrocken, andere sind ohne Regung, schauen fast ungläubig. Kann das sein? Irren sich die Prognose-Rechner vielleicht wie in Sachsen-Anhalt?
CDU forscht nach den Ursachen
Gleichwohl beginnt im Raum die Ursachen-Suche. „Es lag nicht am Kandidaten“, boxt CDU-Ratsherr Frank Bandel NRW-Regierungschef Armin Laschet heraus. „Doch der Wahlkampf ist zu schleppend gestartet, ein einziges Thema, nämlich der Klimawandel, hat dominiert. Dabei haben uns viele Bürger an den Ständen nach unseren Inhalten gefragt.“
Stehr findet, die mediale Konzentration auf kleine Pannen von Laschet habe zu den Stimmenverlusten beigetragen. „Das war nicht gut. Von Anfang an hat man dem Kandidaten Laschet wenig Chancen gegeben. Aber im Kern haben ja beide Volksparteien schlechte Ergebnisse geholt – das ist mehr als ein Denkzettel für beide.“ Dött sieht die Parteienlandschaft vor einer Zeitenwende. „Die großen Parteien schaffen es nicht mehr, genug Bindungswirkung zu erzielen.“
Wenn Oberbürgermeister Daniel Schranz auch recht erschrocken und nachdenklich auf die Fernseher schaut, beurteilt er den bundesweiten Absturz der Union gefasst: „Dass diese Wahl für uns überaus schwierig werden würde, war klar. Wenn nach 16 Jahren Regierung der CDU die Frage nach dem Wechsel aufkommt, dann gehört das zum Wesen der Demokratie.“ Zwei große Koalitionen hintereinander würden nun einmal die kleineren Parteien stärken. Was mit Union und SPD passiere, sei im europäischen Raum nicht untypisch: „Die großen Parteien tun sich in einer pluralistischen Gesellschaft schwer.“