Oberhausen. Corona verlangt Schwangeren alles ab. Wie Pro Familia Oberhausen offenlegt, verwandelte sich für manche die Wunschgeburt in einen Alptraum.
Nie war die Not werdender Mütter so groß wie im Corona-Jahr 2020. Die Zahlen des Jahresberichts von Pro Familia in Oberhausen sprechen für sich: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle führten allein 1095 Schwangerenberatungen durch. Dazu kamen 463 Schwangerschaftskonfliktberatungen. Zur finanziellen Krise durch Kurzarbeit oder Jobverlust kam das Wegbrechen des kompletten sozialen Netzes: Junge Eltern plagten Existenzangst und Einsamkeit.
„Für Schwangere hatte sich alles geändert, sie mussten jeden Arztbesuch alleine durchstehen, selbst bei der Geburt durfte der Partner zu Beginn der Pandemie nicht dabei sein“, sagt Sozialpädagogin Svenja Holz. Noch schlimmer traf es werdende Mütter, die selbst an Corona erkrankt waren und in diesem Zustand entbinden mussten. „Stellen Sie sich vor, es geht Ihnen nicht gut, Ihr Partner darf Sie bei der Entbindung nicht unterstützen und dann noch diese große Sorge um die Gesundheit des Babys – was diese Frauen da durchleben mussten, war so heftig, dass einige davon heute eine Traumatherapie machen müssen.“ [Lesen Sie auch: Wie sich eine Geburt unter Corona-Bedingungen anfühlt]
Schnelle Hilfe durch die Großeltern fiel weg
Aber auch für alle anderen Mütter mit Neugeborenen stellte das vergangene Jahr eine große Herausforderung dar. „Die ohnehin vollkommen neue und sensible Situation nach der Geburt eines Kindes wurde durch Corona in sämtlichen Bereichen erschwert“, weiß Psychologin Christina Zottmann. Die sonst so selbstverständliche Unterstützung durch die Großeltern sei oft komplett weggebrochen. „Denn alle älteren Menschen gehören zu den besonders gefährdeten Risikogruppen und sollten lange Zeit möglichst alle Kontakte vermeiden.“
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Hilfsangebote und Austauschmöglichkeiten wie Eltern-Kind-Gruppen fielen ebenfalls aus. „Die Mütter blieben vollständig auf sich gestellt – und mussten dann auch noch mit zusätzlichen Belastungen durch die Betreuung von Geschwistern im Kita-Alter oder durch das Homeschooling klar kommen“, erzählt Zottmann.
Behörden waren für den Publikumsverkehr zeitweise komplett geschlossen
Als wäre all dies nicht schon schlimm genug, habe sich bei vielen jungen Eltern die Situation durch Kurzarbeit oder den Verlust des Arbeitsplatzes noch verschärft. „Wirklich hilfreich war es da, dass das Jobcenter die Antragstellung auf Arbeitslosenhilfe verkürzte“, sagt Svenja Holz. In vielen anderen Bereichen dagegen sei die soziale Beratung durch die fehlende Präsenz der Ämter vor Ort deutlich erschwert gewesen. „So konnte etwa die Unterhaltsvorschusskasse bei existenziellen Fragen keine persönliche Hilfestellung anbieten“, erläutert Holz.
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Große Hürden hätten auch Frauen überwinden müssen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollten. „Das lag daran, dass einer der beiden Ärzte, die dies in Oberhausen noch machen, krankheitsbedingt bis heute ausfällt und die Frauen in Nachbarstädte ausweichen müssen“, erläutert Christine Gathmann, für Pro Familia als Gynäkologin im Einsatz. Im Berichtsjahr stellte die Ärztin 14 medizinische und sechs kriminologische Indikationen für einen Schwangerschaftsabbruch aus. [Lesen Sie auch:Oberhausen: Nur noch eine Praxis nimmt Abtreibungen vor]
Pro Familia hat Erreichbarkeit in der Pandemie verbessert
Aber auch sonst sei es pandemiebedingt komplizierter gewesen, einen Termin bei einem Gynäkologen zu erhalten. „Viele Frauen mussten etwa das Einsetzen von Verhütungsmitteln wie die Spirale auf die lange Bank schieben“, sagt Gathmann.
Hebammensprechstunde
Die Oberhausener Beratungsstelle von Pro Familia hat ihr Angebot um eine kostenlose Hebammensprechstunde für alle Schwangeren sowie Mütter und Väter mit Kindern bis drei Jahren (jeweils donnerstags von 14 bis 16 Uhr, Bismarckstr. 3) erweitert. Eine telefonische Anmeldung unter der Rufnummer 0208 867771 ist erforderlich. Die Fachleute von Pro Familia nutzten den zeitweisen Stillstand während der Pandemie auch, um pädagogische Fachkräfte in Kitas und Schulen fortzubilden.
Pro Familia ist von der Bundesregierung als systemrelevant eingestuft worden und durfte entsprechend durchgehend auch persönliche Beratungen anbieten. „Was wir nach vorheriger Terminabsprache auch getan haben“, sagt Beratungsstellen-Leiter Andreas Müller. Ergänzt wurden diese Gespräche aber verstärkt durch – neue Möglichkeiten, die ausgesprochen gut angenommen worden seien. „Viele Frauen waren dankbar, dass sie sich einfach mal schnell melden konnten, ohne sich erst darum bemühen zu müssen, ob sich jemand um die Kinder kümmern kann“, erläutert Gathmann.
Diese neuen kurzen Wege sollen deshalb auch nach der Pandemie beibehalten werden. „Wir haben uns alle ein großes technisches Know-how angeeignet, das wollen wir künftig für eine noch bessere Erreichbarkeit im Interesse der Frauen einsetzen.“ Darin ist sich das Pro Familia-Team einig.