Oberhausen. Eine extrem belastende Situation für betroffene Frauen in Oberhausen: Sie finden kaum noch Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Es gehört zur medizinischen Grundversorgung von Frauen, doch in Oberhausen finden Betroffene kaum noch die passenden Ansprechpartner: Es gibt keine einzige Praxis mehr in der Stadt, die chirurgische Schwangerschaftsabbrüche durchführt. In einer einzigen Praxis werden weiterhin medikamentöse Abbrüche angeboten. Die aktuelle Situation ist „völlig erschreckend“, sagt Oberhausens Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki auf Nachfrage.

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Für betroffene Frauen bedeute dies noch mehr Druck als ohnehin schon. „Ich bin einer totalen Extremsituation. Ich habe ein enges Zeitfenster. Ich muss eine Entscheidung treffen, die mir gewiss nicht leicht fällt, ich bin in einer psychisch belastenden Situation. Und dann soll ich noch durchs Land fahren und mich auf irgendwelche Wartelisten setzen lassen?“ Für Costecki eine unhaltbare Vorstellung. Das Problem sei in Oberhausen schon länger bekannt. „Aber ich renne gegen nicht sprechende Wände.“

Abtreibungsgegner sprühen Parolen an Oberhausener Praxis

Viele Frauen sind betroffen: Allein die Beratungsstelle von Pro Familia hat 2019 knapp 440 Schwangerschaftskonfliktberatungen durchgeführt. Zahlen aus dem vergangenen Jahr liegen noch nicht vor, Stichproben hatten aber 2020 schon ergeben, dass wegen der Coronakrise mehr Frauen als üblich über eine Abtreibung nachdenken. Auch die Beratungsstelle Donum Vitae hatte Ähnliches im vergangenen Jahr beobachtet. „Wie viele der Frauen letztlich einen Abbruch durchführen lassen, wissen wir aber nicht“, sagt Dr. Christine Gathmann, stellvertretende Leiterin der Oberhausener Pro-Familia-Beratungsstelle.

Laut Pro Familia ist im Ruhrgebiet die Zahl der Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, in den vergangenen fünf Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Die Gründe sind vielfältig, sagt Gathmann. So gebe es immer wieder Anfeindungen und Attacken von Abtreibungsgegnern. Auch die Praxis des Oberhausener Frauenarztes, der bis vor einiger Zeit noch Abbrüche vorgenommen hat, wurde mehrfach mit Parolen besprüht.

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Ein weiterer Grund: Schwangerschaftsabbrüche seien für viele Ärzte ein finanzielles Minusgeschäft, was an komplizierten Rechnungsverfahren mit den Krankenkassen liege, aber auch an den Auflagen für ambulante chirurgische Eingriffe. Um diese einzuhalten, müssten Praxen zunächst Geld investieren.

Gleichstellungsbeauftragte wünscht sich Angebote in den Kliniken

Eine mögliche Lösung sieht Britta Costecki aber ohnehin in einem anderen Bereich: Sie wünscht sich mehr Angebote in den Oberhausener Kliniken. Dort sei es anonymer als in den Praxen. Eine entsprechende Anfrage habe die Gleichstellungsstelle bereits an das Evangelische Krankenhaus (EKO) gerichtet – bislang aber keine Rückmeldung erhalten. Mit Kritik hält sich Costecki bewusst zurück, verweist auf die Coronakrise als möglichen Grund für die zögerliche Haltung. „Aber wir bleiben dran.“

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Doch die stationäre Versorgung ist aus Sicht von Dr. Christine Gathmann insgesamt katastrophal. „Es gibt sie nämlich weit und breit überhaupt gar nicht.“ Wer danach sucht, wird vielleicht noch innerhalb der NRW-Landesgrenzen fündig, ansonsten erst darüber hinaus. Betroffen sind davon Frauen und Paare, die aus medizinischen Gründen einen Abbruch wünschen – meist in einem fortgeschritteneren Stadium der Schwangerschaft.

Abtreibung – die rechtliche Lage

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland laut Strafgesetzbuch grundsätzlich verboten. In bestimmten Fällen ist er aber straffrei: So muss sich eine Frau in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle Rat einholen. Es folgt eine Bedenkzeit von mindestens drei Tagen, erst dann darf der Abbruch durchgeführt werden – bis maximal zur zwölften Schwangerschaftswoche.

Straffreiheit besteht zudem, wenn eine Frau durch eine Vergewaltigung schwanger wurde oder es einen medizinischen Grund für den Abbruch gibt, wenn laut Bundesfamilienministerium „für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht.“

Krankenkassen übernehmen die Kosten für einen Abbruch demnach nur dann, wenn es eine Schwangerschaft nach Vergewaltigung ist oder ein medizinischer Grund vorliegt.

Zu einem Abbruch verpflichtet sind Krankenhäuser laut Gathmann lediglich, wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht. Doch erhalten Paare eine Diagnose vom Arzt, aufgrund derer sie sich schweren Herzens für einen Abbruch entscheiden, „dann beginnt der Spießrutenlauf“. Dabei ziehe ja allein schon die Diagnose den Betroffenen den Boden unter den Füßen weg. Einen Hoffnungsschimmer auf einen Eingriff im örtlichen Krankenhaus gibt es dann doch: Wenn auch die Diagnose im Krankenhaus gestellt wurde. Grund ist auch hier das Geld, denn mit der Diagnostik verdiene eine Klinik deutlich mehr als mit dem bloßen Abbruch, erklärt Christine Gathmann.

Oberhausens Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki kündigt an, dass sich die Politik mit diesem Thema auseinandersetzen wird, die SPD-Fraktion hat einen entsprechenden Antrag für die nächste Sitzung des Gleichstellungsausschusses am 17. März gestellt.