Gelsenkirchen. Die Lehrergewerkschaft Gelsenkirchen/Gladbeck übt scharfe Kritik am Corona-Krisenmanagement des NRW-Bildungsministeriums. Worum es der GEW geht.
Weil in Gelsenkirchen und Gladbeck die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen weiter rasant steigt, blicken immer mehr Lehrer mit einem unguten Gefühl auf den Schulstart am Montag (26. Oktober). „Die Entwicklung des Inzidenzwertes beziehungsweise die Zahl der aktuellen Neuinfektionen pro Tag beobachten wir mit großer Sorge“, erklären etwa Britta Logermann und Lothar Jacksteit von der GEW Gelsenkirchen.
Besonders alarmierend sei in den Augen der Bildungsgewerkschaft, dass sich nicht mehr alle Infektionsketten zurückverfolgen lassen, wie Gelsenkirchens Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff noch am Mittwoch bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz einräumen musste: „In der derzeitigen Lage müssen wir ganz ehrlich sagen, dass unsere Kapazitäten überlastet sind.“
„Dies ist eine Lage, die dazu führen kann, dass Schulen zum Infektionsherd werden,“ mahnt die GEW. Soweit müsse es aber nicht kommen, meinen Britta Logermann und Lothar Jacksteit. Die Schulen hätten schon vor Monaten Hygienekonzepte entwickelt, die die allgemeinen AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) berücksichtigen. In den Schulen sei also bis zwei Wochen vor den Sommerferien eingeübt und gelebt worden, was auch außerhalb funktionieren soll.
Gewerkschaft: „Politik darf sich nicht wundern, wenn Bürger nicht bereit sind, das widerspruchslos hinzunehmen“
„Doch wer versteht noch die politische Ambivalenz, dass in Schulen Menschen ohne Rechtsfolgen auf engstem Raum – bis zuletzt sogar ohne Mund-Nasen-Schutz – aus unterschiedlichen Bezugsgruppen den halben Tag oder länger zusammen sein dürfen, was außerhalb des Systems unter Strafe gestellt ist. Die Politik darf sich nicht wundern, wenn Bürger nicht mehr bereit sind, eine derartige Haltung widerspruchslos hinzunehmen“, äußern die Gewerkschafter deutliche Kritik an den Coronaschutzmaßnahmen.
Gesundheitsdezernent Wolterhoff indes verteidigt die Maßnahmen und betont, dass die einzelnen Verordnungen jeweils ihre Berechtigung hätten und sehr wohl auch richtig seien. Gleichwohl, das räumen auch Wolterhoff und Oberbürgermeister Frank Baranowski ein, bekommen auch sie immer wieder zu spüren, dass es nicht immer einfach sei, die Schutzmaßnahmen im Einzelnen zu erklären, wenn man diese pauschal miteinander vergleiche.
„Natürlich wirkt es auf den ersten Blick paradox, dass beispielsweise im Bus relativ viele Schüler, zwar mit Maske, aber dennoch auf engem Raum zusammenstehen, und sobald sie ausgestiegen sind, nur noch höchstens zu fünft weiter laufen dürfen“, sagt Wolterhoff. Da man den öffentlichen Nahverkehr aber nicht so organisieren könne, dass der Mindestabstand in Bus und Bahn gewahrt bleibe und trotzdem alle zu ihrer gewünschten Zeit ans Ziel kommen sollen, seien die Regeln eben punktuell richtig.
GEW Gelsenkirchen fordert halb so große Lerngruppen
Unabhängig davon fordert die GEW Gelsenkirchen und Gladbeck eine „klare und hilfreiche Ansage von der Landesregierung“. Überall dort, wo der Inzidenzwert die kritische Fünfzigermarke überschritten hat, sollten die Lerngruppen nach Ansicht der Gewerkschaft mindestens halbiert und der Stundenplan entschlackt werden. „In Gelsenkirchen muss gewährleistet sein, dass die Schüler jeden Tag in Mathematik und Deutsch unterrichtet werden, um die ohnehin schon nicht mehr selbstverständlichen Kernkompetenzen für ihr weiteres Leben zu erwerben“, heißt es etwas pathetisch in einer Erklärung von Britta Logermann und Lothar Jacksteit.
Schon vor der Corona-Pandemie hat das Führungsduo der hiesigen Bildungsgewerkschaft mit deutlichen Worten „die Ausrufung des Bildungsnotstandes“ eingefordert. „Heute schlittern wir unaufhaltsam in die Bildungskatastrophe“, unterstreichen sie nun abermals ihre Sorge vor einer Überforderung der Lehrer und Schüler in Gelsenkirchen.
Dass Bildungsdezernentin Anne Heselhaus beteuert, die Schulen in Gelsenkirchen seien trotz des aktuellen Infektionsgeschehens gut gewappnet für die bevorstehenden Herbst- und Wintermonate, wird die Gewerkschafter kaum überzeugen. Gleichwohl nutzte Heselhaus die Krisen-Konferenz der Stadt auch dazu, sich bei den Lehrern zu bedanken. „In einer absoluten Ausnahmesituation leisten diese Unglaubliches, sie halten trotz aller Schwierigkeiten den persönlichen Kontakt zu den jungen Menschen aufrecht, begleiten und unterstützen diese. Mit dieser Haltung zeigen sie, dass Schule viel mehr ist als Unterricht.“ Die Stadtverwaltung werde im Rahmen ihrer Möglichkeiten jedenfalls alles tun, um mit unterstützenden Maßnahmen den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.“
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