Mülheim. Obstbäumchen spendet die Hebammen-Praxis aus Mülheim-Saarn an Neugeborene. Sie kooperiert dabei mit dem Verein Mülheimer Obstgarten.
Die alten Apfelsorten haben wohlklingende Namen, sie heißen Prinz Albrecht oder
Roter Bellefleur oder Chamgagner-Renette. Der Mülheimer Obstgarten e. V. erfasst seit 2018 die Bestände alter Obstsorten auf dem Stadtgebiet und informiert die Bürger über alles, was mit der Pomologie, also der Apfelkunde, zu tun hat. Wegen der Corona-Pandemie mussten in diesem Sommer viele Feste und Ausstellungen leider ausfallen. Daher hat der Verein noch einen Vorrat an rund 300 einjährigen Bäumchen, die nun zum Verkauf stehen.
Mülheimer Obstgarten-Verein: Bestand von 100 alten Apfelsorten
Die kleinen, veredelten Bäume stammen aus einem Gartenbetrieb in Lünen, dem Partnerbetrieb vom Mülheimer Obstgarten-Verein. „Zusammen verfügen wir schon über einen Bestand von mehr als 100 alten Apfelsorten. Zum Kauf bereit stehen Gravensteiner, Prinz Albrecht, Roter Berlepsch, Roter Bellefleur, Dülmener Herbstrosenapfel, Himbeerapfel von Croncy und Champagner-Renette“, zählt Thomas Reichelt, Vereinsvorsitzender und selbstständiger Obstgehölzpfleger auf.
Die derzeit 22 Vereinsmitglieder haben es sich zum Ziel gemacht, alte Apfel- und Birnensorten, die mit der Einführung des Plantagenbaus Mitte des 20. Jahrhunderts vom Markt verschwunden sind, wieder „in die Gärten und auf die Tische in Mülheim zu bringen“. Wer alte Sorten anbauen wolle, müsse ein wenig wissen über Obstgehölzpflege und -vermehrung, so Reichelt. „Deshalb bieten wir Seminare zu Obstbaumpflanzung oder Obstbaumschnitt und -veredelung an.“ Bei Ausstellungen und Verkostungen informiere man interessierte Bürger – auch darüber, dass Streuobstwiesen mit alten Sorten ökologisch besonders wertvoll sind.
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Hebammen starten ganz besonderes Projekt
Ein ganz besonderes Projekt führte der Obstgarten e.V. in diesem Jahr mit der Hebammenpraxis Saarn durch. „Wir wollten uns in den Klimaschutz einbringen und hatten beschlossen, jeder Familie, die wir betreuen, einen jungen Baum zur Geburt ihres Kindes zu schenken, den sie natürlich auch einpflanzen sollten“, berichtet Hebamme Ilka Lange. So wurden 73 Bäumchen an Eltern gegeben, die 2019 entbunden hatten. „Sie haben sich sehr gefreut. Für Familien ohne Garten haben wir Baumpaten gesucht, die den Baum übernommen und in ihren Garten gesetzt haben.“
Manche Eltern pflanzten der alten Tradition folgend nicht nur den Baum, sondern begruben auch die Nachgeburt (Plazenta) an dessen Fuß. „Der Baum wächst mit dem Kind“, erklären die Hebammen. Wird das Neugeborene irgendwann volljährig, ist auch der Baum ausgewachsen. „Das ist eigentlich schon nach zehn Jahren der Fall. Im zweiten oder dritten Jahr trägt er zum ersten Mal Früchte“, berichtet Thomas Reichelt.
Fläche für Kinder-Geburts-Wiese gesucht
Die Aktion soll nicht einmalig bleiben, sondern schon im nächsten Jahr wiederholt werden. Vom Erfolg angespornt haben sich die Hebammen auch an die Stadt Mülheim gewandt. „In anderen Städten gibt es Hochzeitswälder oder auch Kinder-Geburts-Wiesen, da stehen Flächen zur Verfügung, auf die man Obstbäume pflanzen kann. Wir haben nachgefragt, ob sich die Stadtverwaltung so etwas auch vorstellen kann“, sagt Ilka lange. Eine positive Antwort erhielten sie nicht.
Dennoch wollen sie weiter nach einer Fläche suchen. Denn: „Mit jedem neu gepflanzten Baum verringert sich der Kohlenstoffgehalt in der Mülheimer Luft. Ein ausgewachsener Baum spendet so viel Sauerstoff wie zehn Menschen an einem Tag einatmen“, erläutern sie. In Zeiten des Klimawandels sei das wichtig.
Die Obstbäumchen, die der Verein aktuell verkauft, kosten 15 bis 20 Euro. Sie müssen in Broich abgeholt werden. Bestellung unter Tel. 01577/5328757 oder epost@mh-obstgarten.de.