Oberhausen. Mehrere hundert Menschen haben sich am Samstag in die Menschenkette eingereiht und eine humanere Flüchtlingspolitik in Europa gefordert
Zur Zeit sind sie nicht in den Schlagzeilen, die Flüchtlinge aus Afrika, die im Mittelmeer ertrinken oder die überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln, in der Türkei oder in Libyen. Aber das Sterben auf dem Meer hält an, die Lager bestehen weiter. Grund genug für verschiedene Organisationen mit humanitären Zielen, mit einer Menschenkette auch auf der Marktstraße in Oberhausen darauf aufmerksam zu machen. Ihre Aktion kam an: Hunderte beteiligten sich am Samstag daran.
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1048 Asylbewerber leben zurzeit in Oberhausen, teilt das Rathaus auf Nachfrage mit. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 kamen 1982 neue Flüchtlinge in die Stadt. Ihre Zahl ging seitdem bis auf 41 neue Flüchtlinge im Jahr 2018 zurück. 2019 waren es dann 261, 2020 noch 221 Flüchtlinge. In diesem Jahr suchten 148 Menschen in Oberhausen Schutz.
Die Flüchtlinge vor Ort gehören über 45 verschiedenen Nationen an. Am stärksten vertreten sind seit 2015 Syrer, Iraker und Menschen aus Afghanistan. Eine deutliche Zunahme der Flüchtlinge aus Afghanistan verzeichnet die Stadt nach der Machtübernahme durch die Taliban bisher nicht. Abschiebungen in diese Krisenregion seien ausgesetzt worden. Allerdings habe das Ausländeramt noch im Jahr 2020 insgesamt 30 Afghanen in ihr Heimatland abgeschoben. Eine ähnlich hohe Anzahl sei in diesem Zeitraum freiwillig zurückgekehrt.
Eine Frage der Solidarität
Für eine grundlegend andere Flüchtlingspolitik setzten sich jetzt hunderte Oberhausener in der Innenstadt ein. „Kein Mensch ist illegal“, „Kein Platz für Rassismus“ oder „“Menschenrettung ist kein Verbrechen“ stand auf ihren Transparenten, als sie sich in drei Gruppen auf der mittleren bis oberen Marktstraße trafen und dann langsam aneinanderrückten. Extra aus Dinslaken kam Christian Hölscher dafür angefahren. „Ich kann dieses Ertrinken im Mittelmeer nicht ertragen. Wir brauchen endlich eine andere Flüchtlingspolitik“, sagte der Mitfünfziger.
Damit stand er an diesem Tag nicht allein. „Meine Devise ist: Mir geht es gut. Dir soll es auch gut gehen“, erklärte Rosemarie Kensa, eine ehemalige Lehrerin an der Fasia-Jansen-Gesamtschule, weshalb sie sich in die Kette eingereiht hat. „Wir werden nicht arm, wenn wir etwas abgeben“, fuhr sie fort. Exotische Gewürze und Gerichte würden auch in Oberhausen gerne gegessen. "Dann müssen wir auch bereit sein, Menschen aus diesen Ländern zu helfen, wenn sie in Not sind." Mit dem Transparent „Sichere Fluchtwege jetzt!“ machte sie sich dafür stark.
Rassismus sei ja leider wieder ein großes Problem, bedauerte Daniela Faber aus Sterkrade. „Da muss man ein Zeichen setzen, nicht nur an der Fensterscheibe.“ Nicht nur sie engagiert sich in der Evangelischen Kirche. Mit dabei waren auch Pfarrerin und Pfarrer der Christus-Kirchengemeinde, Ilona Schmitz-Jeromin und Christoph Kückes. Unweit von Faber stand Rolf Berenz aus Hünxe in der Kette. „Ich mache seit über zehn Jahren ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit, wer die Menschen kennenlernt, kann doch da nicht weggucken“, begründete er seine Teilnahme.
Grüne und Linke zeigen Unterstützung
Den Wahlkämpfern auf der Marktstraße war die Aktion nicht entgangen. So stattete die Bundestagskandidatin der Grünen Stefanie Weyland den Demonstrierenden ihren Besuch ab. Vertreter der Linkspartei waren sogar mit einem Transparent in der Kette zu sehen.
Hier und da hatte sich auch ein ehemaliger Flüchtling eingereiht, zum Beispiel eine 26-jährige Frau, die vor sechs Jahren mit ihrer Familie aus Syrien nach Oberhausen gekommen ist. Mittlerweile spricht sie sehr gut Deutsch, studiert in Hamburg Medizintechnik. Ihren Namen wollte sie allerdings nicht in der Zeitung lesen. Warum das so ist, erklärte ihre Freundin Juliana aus Schmachtendorf, eine ehemalige Lehrerin, die sich seit 30 Jahren im Oberhausener Flüchtlingsrat engagiert: „Nicht überall in der syrischen Gemeinde ist es angesehen, wenn eine Frau so in Aktion tritt“, gab sie zu bedenken.
Seenotrettung als öffentliche Aufgabe
Die Seenotrettung jedenfalls müsse international eine öffentliche Aufgabe werden, waren sich die beiden Freundinnen einig. „Das geht nicht, die Leute zurückzuschicken oder gar auf sie zu schießen“, sagte die Ältere. Die libysche Küstenwache spiele da eine skandalöse Rolle. Damit müsse bald Schluss sein.
In Oberhausen an der Aktion beteiligt: Flüchtlingsrat Dinslaken und Oberhausen, evangelischer Kirchenkreis, evangelische Jugend, Beirat für Flüchtlingsarbeit, Omas gegen Rechts, Amnesty International, Seebrücke, Kreisverband der Linken, Friedensdorf Bildungswerk und Menschen aus den umliegenden Kirchengemeinden.