Ruhrgebiet/Oberhausen. Die Preise für die Pflege im Altenheim sind explodiert – die Kostenlasten für Partner sind oft erdrückend. Finanzhilfe gibt es erst spät.

Wenn der eigene Ehepartner im Alter so krank, so körperlich und geistig geschwächt ist, dass er nicht mehr zu Hause gepflegt werden kann, sondern dauerhaft von Pflegeprofis in einem Altenheim betreut werden muss, dann sind viele Menschen überrascht, wie teuer der Monatsbeitrag für Unterkunft, Speisen und Pflege ist. Die betroffenen Frauen und Männer, meist selbst gehobenen Alters, müssen nicht nur mit dem tragisch-traurigen Schicksal ihres Partners fertig werden, sondern auch mit einem unerwartet erdrückenden Kostenblock.

Denn irrtümlicherweise glauben viele Bürger nach einer repräsentativen Kantar-Emnid-Umfrage, dass die gesetzliche Pflegeversicherung die Pflegeplatz-Kosten vollständig übernimmt (43 Prozent) oder der Eigenanteil höchstens 1000 Euro im Monat ausmacht (21 Prozent).

Hohe Finanzlast für gesunden Ehepartner

Doch in Wahrheit ist gerade in Nordrhein-Westfalen im Vergleich der Bundesländer die Finanzlast, die der gesunde Partner tragen muss, erheblich – und wird jährlich immer größer. Dabei steigen die Preise für Heimplätze stärker als die normale Preissteigerungsrate. Gründe sind nach Angaben von Heimbetreibern die überdurchschnittlichen Tariferhöhungen für Pflegekräfte, die komfortablere Ausstattung mit Einzelzimmern statt Mehrbettzimmern und die höheren Pflegeanforderungen. Die Probleme der hohen Preise haben wir hier einmal am Beispiel Oberhausen analysiert – die Lage sieht so oder ähnlich aber in ganz NRW, im gesamten Ruhrgebiet, so aus.

21 Altenheime mit privaten und sozialen Betreibern bieten in Oberhausen mit seinen 210.000 Einwohnern über 2100 stationäre Pflegeplätze an, die recht gut ausgebucht sind. Denn etwa 1900 Menschen sind im Stadtgebiet so hilfsbedürftig, dass sie im Pflegeheim wohnen müssen.

Monatliche Preise der Altenheime betragen bis zu 5000 Euro

Die monatlichen Preise für die Rund-um-Versorgung von Schwerpflegebedürftigen schwanken in Oberhausen zwischen 3000 und 5000 Euro. In diesem Preis enthalten sind die Pflege/Betreuung, die Unterkunft, die Verpflegung, die Investitionskosten fürs Heim, die Ausbildungsumlage für neue Fachkräfte und Extra-Lohnzuschläge bei besonders schweren Fällen. Je nach Pflegegrad zahlt die Pflegeversicherung von diesem Monatspreis allerdings nur einen Teilbetrag – zwischen 770 und 2005 Euro im Monat.

Gehört noch zu den günstigeren Altenpflegeheimen in Oberhausen: Das ASB-Seniorenzentrum am Annemarie-Renger-Weg 20.
Gehört noch zu den günstigeren Altenpflegeheimen in Oberhausen: Das ASB-Seniorenzentrum am Annemarie-Renger-Weg 20. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Seit 2017 bleibt beim noch fitten Partner unabhängig von der Intensität der Pflegebedürftigkeit seines/seiner Mannes/Frau ein gleich hoher Eigenanteil hängen, den dieser selbst tragen muss. Dieser liegt nach einer Auflistung der Stadtverwaltung in Oberhausen zwischen 1866 Euro (Haus Katharina, Otto-Weddigen-Straße 22) über 2156 Euro im Monat (ASB Seniorenzentrum am Annemarie-Renger-Weg 20) bis hin zu 2987 Euro (Seniorenresidenz am Olga-Park, Zum Steigerhaus 2) (Stand dieser Zahlen: Februar 2020).

Was viele Ehepaare in dieser Situation in die Knie zwingt, ist nicht nur dieser hohe Eigenanteil, sondern auch die weiter laufenden Lebenshaltungskosten. Natürlich spart man den einen oder anderen Euro an Verpflegung, doch Miet- und Heizungskosten der Wohnung für den fitten Ehe-/ oder Lebenspartner laufen ja weiter.

Angesichts der hohen Kostenlasten wird doch wohl das Sozialamt einspringen, oder? So einfach ist das natürlich nicht. Die Sozialhilfe und das Pflegewohngeld des Landes können nur genutzt werden, wenn das Ehepaar wirklich bedürftig, also arm ist. Zunächst einmal muss das eigene Einkommen, also hier in der Regel die gesamte monatlich eingehende Rente von Mann und Frau, für den Kosten-Eigenanteil des Heimplatzes eingesetzt werden.

Was darf dem gesunden Ehepartner noch verbleiben?

Da der gesunde Ehepartner ja auch leben muss und nicht sozialhilfebedürftig werden soll, darf er von der gemeinsamen Rente üblicherweise 432 Euro (Regelbedarf, Stand: Februar 2020) plus notwendiger Versicherungen plus Miet- und Heizkosten behalten. Das ist nicht alles: „Um den bisherigen Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen, erfolgt auf den Sozialhilfebedarf noch ein Zuschlag, in Oberhausen maximal bis zur Höhe des Regelbedarfs“, schreiben die Sozialfachleute des Oberhausener Rathauses. Also kommt noch einmal bis zu 432 Euro obendrauf – großzügig kalkuliert.

Ein grob gerechnetes Beispiel: Bei einer Warmmiete der Wohnung von 500 Euro im Monat, dürfen dem Ehepartner gerundet bis zu 1400 Euro verbleiben (zweimal 432 Euro plus Miete). Übersteigt die gemeinsame Rente diesen Betrag, muss er für die Bezahlung des Heim-Eigenanteils eingesetzt werden.

Und zahlt dann das Sozialamt den Rest des Eigenanteils? Nein, nicht automatisch. Sollte das Ehepaar Geld gespart haben, so muss zunächst dieses eingesetzt werden – so lange, bis das sogenannte Schonvermögen erreicht ist. Das beträgt bei der Berechnung des Pflegewohngeldes 15.000 Euro, bei der Kalkulation der Sozialhilfe 10.000 Euro für zwei Personen. Zum Schonvermögen zählt bei vielen Sozialämtern aber auch ein Bestattungsvorsorgevertrag bei Beerdigungsinstituten (bis zu 7000 Euro je Person) und selbst genutzte Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen. Diese müssen allerdings angemessen sein.

Wann muss man sein Eigenheim für die Pflege verkaufen?

In Oberhausen gelten nach Angaben des Sozialamtes ohne weitere Prüfung als angemessen Einfamilienhäuser mit einer Wohnung bis zu 130 Quadratmetern Wohnfläche bei einer Grundstücksgröße von 250 Quadratmetern (Reihenhaus) bzw. 500 Quadratmetern (frei stehendes Haus). Der Verkehrswert sollte allerdings unter 154.000 Euro liegen.

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Bei Eigentumswohnungen liegen die Richtwerte bei 120 Quadratmetern Wohnfläche und 130.000 Euro Verkehrswert. Sollte dies nicht zutreffen, besteht zumindest die Gefahr, dass man seine Immobilie zu Geld machen und sich kleiner setzen muss, bevor das Sozialamt die fehlenden Beträge für den Heimplatz übernimmt.

Angesichts des Kostendrucks durch den Heimplatz könnten die einen oder anderen auf die Idee kommen, dem Sozialamt nicht die kompletten Ersparnisse und Vermögensverhältnisse vorzulegen. Doch die Behörden haben einige Hebel, um die wahre Sparlage zu erkennen. Zunächst verlässt sich das Sozialamt zwar auf die ersten Aussagen und Belege der Betroffenen – und lässt sich dies per Unterschrift besiegeln.

Sozialämter können und dürfen Erspartes kontrollieren

„Bei Antragsaufnahme wird die Abgabe einer Richtig- und Vollständigkeitserklärung verlangt – ergänzend dazu die Kontoauszüge über einen längeren Zeitabschnitt (mindestens drei Monate), um das Wirtschaftsverhalten zu beleuchten.“ Grundsätzlich werde zwar den Angaben der Betroffenen geglaubt. „Erst bei Zweifeln (z.B. Spar-Dauerauftrag; Zahlung von Grundbesitzabgaben; Zinsgutschriften, etc.) werden Auskunftsersuche an Dritte gestellt“, schreiben die Sozialfachleute des Rathauses.

Kinder von pflegebedürftigen Eltern entlastet

Ein seit 1. Januar 2020 neues Gesetz, das Angehörigen-Entlastungsgesetz, erspart vielen erwachsenen Kindern von Eltern, die ihre Pflege im Alter nicht selbst finanzieren können, hohe Kosten. Nur wer mehr als 100.000 Euro an Jahresbruttoeinkommen hat (rund 8300 Euro brutto Verdienst pro Monat), wird weiter zum Elternunterhalt herangezogen. Die 100.000-Euro-Grenze gilt allerdings für alle Jahreseinkünfte (Zinsen, Mieteinnahmen) zusammen.

Das Einkommen des Ehepartners bleibt unberücksichtigt. Auch Häuser und Grundstücke des Kindes spielen für die Berechnung keine Rolle mehr – ebenso wie der Wert von Schmuck, Kunstgegenständen oder sonstigem persönlichen Vermögen.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird „grundsätzlich vermutet“, dass das Einkommen unterhalb der 100.000-Euro-Grenze liegt. Laut Gesetz kann ein Amt Einkommensnachweise nur verlangen, wenn es „hinreichende Anhaltspunkte“ für ein Überschreiten der 100.000-Euro-Grenze hat.

Die Bezirksregierung Düsseldorf weist darauf hin, dass ohnehin bei Sozialhilfeempfängern ein nationaler Datenaustausch nach Sozialhilfedatenabgleichsverordnung verpflichtend ist. Und der hat es in sich: Wer Leistungen wie Sozialhilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter bezieht, wird überprüft – und seine Angaben mit den Daten der Bundesarbeitsagentur, der Rentenversicherung, der Unfallversicherung, der Zulagenstelle für Altersvermögen und mit dem Bundeszentralamt für Steuern verglichen.

Dieses Bundeszentralamt sammelt alle von Sparern und Depotinhabern erteilten Zinsfreistellungsaufträge bei Geldinstituten und erhält Zinsmeldungen von allen europäischen Banken. Deshalb kennt die Behörde die meisten Kapitalerträge der Bürger – wer Ersparnisse hat, ist durchsichtiger, als viele Menschen glauben.