Gelsenkirchen. Hat Herne den Zuschlag für den Neubau der Polizeihochschule erhalten oder ist Gelsenkirchen noch im Rennen? Die Hochschule zum Verfahrensstand.
Das Vergabeverfahren für den neuen Standort der bisher mit Hauptsitz in Gelsenkirchen-Ückendorf ansässigen Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) laufe nach wie vor. Das erklärt eine Sprecherin der Hochschule am Dienstag, nachdem die WAZ zuvor aus gut informierten Kreisen erfahren hatte, dass eine intern bereits getroffene Entscheidung für Herne als neuen Hochschul-Standort nun noch mal überdacht und geprüft werden soll, weil es Einwände gegeben habe.
Die offizielle Darstellung nun: Herne habe den Zuschlag noch nicht erhalten. Darüber sei noch nicht final entschieden worden, so die Sprecherin der HSPV. Nach Informationen der WAZ war in dem Bewerbungsverfahren der vier Städte Herne, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund intern bereits allerdings sehr wohl eine Entscheidung für Herne gefallen.
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Das Hochschulgebäude für das duale Studium von insgesamt 13.500 Studenten soll auf dem Funkenberg-Areal am Herner Bahnhof entstehen und nicht auf dem Gelände des Zentralbades und der ehemaligen Polizeiwache Süd gegenüber dem Musiktheater in Gelsenkirchen.
Polizeihochschule Gelsenkirchen: Veto gegen (Vor-)Entscheidung?
Die vier Städte bzw. die Projektentwickler – in Herne ist das Hochtief und in Gelsenkirchen Kölbl Kruse – können nach WAZ-Informationen Einwände gegen eine (Vor-)Entscheidung erheben. Gelsenkirchen soll davon Gebrauch gemacht haben. Wie unsere Redaktion erfuhr, werde die Entscheidung zugunsten Hernes deshalb überprüft.
Kommentieren wollte die Hochschul-Sprecherin das mit Rücksicht auf das laufende Verfahren nicht, auch nicht, ob auch Bochum und Dortmund ein Veto eingelegt haben. Stattdessen hieß es nur, man sei zuversichtlich, das Verfahren „in den nächsten Wochen“ abzuschließen. Da der Lehrbetrieb im neuen Gebäude – egal auf welchen Standort die Wahl am Ende fällt – 2025 aufgenommen werden soll, wird es für eine Entscheidung dann auch höchste Zeit.
Die Hochschule weist zudem darauf hin, dass sie zu Beginn des EU-weiten Vergabeverfahrens eine umfangreiche Ausschreibung veröffentlicht habe, „in der alle Anforderungen und die strengen Wertungskriterien transparent dargestellt wurden“. Dieser Hinweis könnte darauf gemünzt sein, dass aus Gelsenkirchen eine Klarstellung über Verfahrensinhalte durch das Innenministerium gefordert worden sein sollen, wie unsere Redaktion erfuhr. Konkret gehe es dabei um die Frage, ob der Neubau „auch architektonisch etwas hermachen soll oder nur ein viergeschossiger Bau werden soll, der zwar schnell hochzuziehen, aber nicht ansprechend ist“.
„Das Bewerbungsverfahren ist aus unserer Sicht nicht gestoppt worden“, sagt auch Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda am Dienstag auf Anfrage der WAZ. Er gehe davon aus, dass nun zeitnah eine endgültige Entscheidung getroffen werde. Bis dahin seien noch einige Verfahrensfragen zu klären.
Ärger in Gelsenkirchen um Standortfrage der Polizeihochschule
Indes wächst in Gelsenkirchen zunehmend der Unmut darüber, dass die Entscheidung für Herne tatsächlich schon vor Monaten gefallen sein könnte – unabhängig von den jeweiligen Bauplänen aus den vier Bewerberstädten. Beweisen kann das niemand. Gesprochen wird darüber bisher nur hinter vorgehaltener Hand. Gelsenkirchens ehemaliger Oberbürgermeister Frank Baranowski jedenfalls kommentierte die WAZ-Nachricht über den Verfahrensstopp und die Überprüfung der vermeintlichen Entscheidung für Herne vielsagend mit den Worten: „Warum verwundert mich das bei der gesamten Vorgeschichte dieses Vorhabens nicht?“
Baranowski wollte dies auf Nachfrage der Redaktion zwar vorerst nicht konkretisieren. Dass die „Vorgeschichte“ der Standortsuche in Gelsenkirchen indes bei nicht wenigen in Politik und Verwaltung nachhaltig den Eindruck erzeugt hat, dem HSPV-Präsidium sei nicht unbedingt daran gelegen, in Gelsenkirchen zu bleiben, ist kein Geheimnis.
Die Vorgeschichte der Standortsuche der Hochschule in Gelsenkirchen
Zunächst wurden über zwei Jahre Gespräche über einen gemeinsamen Campus am Standort der Westfälischen Hochschule zwischen der Stadtverwaltung und den beiden Gelsenkirchener Hochschulen geführt. Im Dezember 2018 seien diese überraschenderweise von der HSPV abgebrochen worden, wie es Baranowski 2020 auf Anfrage im Hauptausschuss der Stadt erklärte. Der in Herne lebende Leiter der damaligen Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Martin Bornträger, habe den Standort im Norden Gelsenkirchens wegen seiner schlechten Erreichbarkeit und eines Parkplatzproblems bemängelt.
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Daraufhin hatte die Stadt Gelsenkirchen den Bereich am Cramerweg nahe dem Wissenschaftspark vorgeschlagen, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht darüber informiert worden sei, dass nicht nur eine Fläche für die Verlagerung der Zentrale, sondern eine gemeinsame Fläche für deren und den Neubau der Abteilung Gelsenkirchen gesucht werde. Die Stadt reagierte und schlug im Juli 2019 eine Fläche an der Europastraße vor, wo drei Hektar zur Verfügung gestanden hätten. Später wurde zudem das ehemalige Gelände von Gelsendienste am Junkerweg als ein weiteres Flächenangebot unterbreitet.
Warum die kolportierte Vorentscheidung für Herne viele in Gelsenkirchen nicht überrascht
Die nächste „böse Überraschung“ erreichte die Stadt wenig später in einem Brief des Deutschen Städtetags, in dem über ein geplantes Gesetz zur Namensänderung in „Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung“ informiert wurde, die Standortangabe Gelsenkirchen wurde dabei ersatzlos gestrichen.
Stattdessen wurde ein europaweites Ausschreibungsverfahren auf den Weg gebracht, das räumlich auf Dortmund, Bochum, Herne und Gelsenkirchen beschränkt ist. Seither hat sich in der Stadt mancherorts der Eindruck verfestigt, die HSPV möchte weg aus Gelsenkirchen, weshalb die kolportierte Vorentscheidung für Herne viele nicht überrascht habe.