Mülheim. Tierheim-Tiere sind keine Ware, die man einfach umtauscht, wenn sie nicht passt. Doch manche leiden im neuen Zuhause. Beispiele aus Mülheim.

Der Alltag im Mülheimer Tierheim ist ein Kommen und Gehen. Momentan laufe es gut mit den Vermittlungen, sagt Leiterin Marion Niederdorf. Viele Katzen, Hunde, Kleintiere ziehen um in neues Zuhause, wo sie liebevoll behandelt werden. Manche geraten aber auch in qualvolle Situationen und kommen zurück.

Oft passiere das glücklicherweise nicht, berichtet die Tierheim-Leiterin. Zwei Fälle habe es in den vergangenen Monaten gegeben, beide Male sind die vermittelten Tiere mit Artgenossen nicht zurecht gekommen. Etwa eine Katze, die gegenüber der vorhandenen Hauskatze dominant war, diese bekämpfte und von den neuen Besitzern zurückgebracht wurde.

Kaninchen Molly wurde gemobbt und kam ins Mülheimer Tierheim zurück

Kaninchen Molly aus dem Mülheimer Tierheim wurde in ihrem neuen Zuhause von einer Häsin attackiert. Sie kehrte zurück und wartet nun auf eine zweite Chance.
Kaninchen Molly aus dem Mülheimer Tierheim wurde in ihrem neuen Zuhause von einer Häsin attackiert. Sie kehrte zurück und wartet nun auf eine zweite Chance. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

In der Opferrolle fand sich dagegen Molly, ein pummeliges Kaninchen, das von Menschen freudig aufgenommen wurde, aber vor Ort auf eine aggressive Häsin traf: „Sie wurde gemobbt“, sagt Marion Niederdorf, „auch gebissen.“ Daher mümmelt die weiß-schwarz gefleckte Molly nun wieder in ihrem Käfig im Kleintierhaus des Mülheimer Tierheims herum und wartet auf eine zweite Chance.

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Die Tierpflegerinnen würden ihr ab dem späten Frühjahr ein gesichertes Freigehege im Garten wünschen, vielleicht in Gesellschaft eines kastrierten Böckchen, das die junge Kaninchendame anständig behandelt. Traumatisiert aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen wirkt Molly allerdings nicht.

„Manche Hunde sind stark verstört, wenn sie zurückgebracht werden“

Im Gegensatz zu einer Hündin, die Marion Niederdorf noch gut in Erinnerung hat. „Sie war fröhlich, als sie vermittelt wurde, und verstört, als sie wieder zurückkam.“ Offenbar habe sie mehrmals den Besitzer gewechselt, „obwohl das bei Fundtieren laut Vertrag gar nicht zulässig ist“. Wer ein Fundtier bei sich aufnimmt, muss sich verpflichten, es sechs Monate lang nicht weiterzugeben. Weil es ja immer noch sein kann, dass der ursprüngliche Besitzer oder die Besitzerin sich meldet.

62 Tiere stehen zur Vermittlung

Im Mülheimer Tierheim an der Horbeckstraße leben aktuell (Stand: 2. März) insgesamt 87 Tiere.

Darunter sind 32 Hunde: 16, die vermittelt werden können, 15 noch in Quarantäne und einer in der Tierpension.

Hinzu kommen 13 Katzen: sieben zur Vermittlung, sechs in Quarantäne. Bei den Kleintieren (u.a. Kaninchen und Vögel) sieht es momentan so aus: 39 Tiere stehen zur Vermittlung, drei befinden sich Quarantäne.

„Manche Hunde sind stark verstört, wenn sie zurückgebracht werden“, beobachtet die langjährig erfahrene Tierheim-Chefin. Doch bei der erwähnten Hündin letztens gab es ein Happy-End - „sie hat jetzt ein schönes Zuhause gefunden“.

Tierheim sammelt Geschichten von Ehemaligen auf seiner Website

Die Alternative zum Umtausch heißt oft: viel Geduld und ausdauernde Arbeit. Die Mülheimer Tierheim-Belegschaft - neben der Leitung arbeiten dort vier Tierpflegerinnen und eine Auszubildende - unterstützt und berät dabei. Herzerwärmende Geschichten - „Neues von Ehemaligen“ - sammelt und veröffentlicht das Team auf seiner Website.

So legen offenbar nervenstarke Hundebesitzer ihrem Benni, einem großgewachsenen Rüden, diese Worte ins Maul: „Ich habe sehr, sehr lange gebraucht, um in meinem Zuhause anzukommen. (...) Zu viele Dinge haben mir Angst gemacht: Füße, die sich unter dem Tisch bewegten, ein Korb, der vom Boden hochgehoben wird, (...) Schranktüren, die im unteren Bereich geöffnet werden, die Liste ist sehr lang. Ist mir heute peinlich, aber in meiner Angst bin ich immer nach vorne gegangen und war echt grantig.“ Zum Glück hätten die Menschen erkannt, dass Benni nicht aggressiv oder dominant ist, sondern schlicht Panik hatte. „Heute habe ich keine Angst mehr, und alles ist gut.“

Extrem ängstlicher „Kurty“ erlebte ein Happy-End

Dass man die Hoffnung auf ein neues Hundeleben niemals aufgeben darf, zeigt auch die Geschichte von Kurty: Der kleine Mischling aus Rumänien war von einem Verein nach Deutschland gebracht worden. In seiner Heimat hatte er in einem Tierheim gelebt, wo ihn niemand zum Gassigehen ausführte, er auch keine normalen Alltagsgeräusche kennenlernte.

Der aus Rumänien stammende Kurty war im Mülheimer Tierheim extrem schreckhaft und lärmempfindlich (Archivbild). Inzwischen hat ihn eine ehemalige Hundetrainerin aufgenommen. Im neuen Rudel geht es Kurty gut.
Der aus Rumänien stammende Kurty war im Mülheimer Tierheim extrem schreckhaft und lärmempfindlich (Archivbild). Inzwischen hat ihn eine ehemalige Hundetrainerin aufgenommen. Im neuen Rudel geht es Kurty gut. © Tierheim Mülheim

In Mülheim waren dann vor allem fahrende Autos sein Problem, die ihn dermaßen erschreckten, „dass er sich am liebsten in ein Loch verkriechen will“, wie die Tierpflegerinnen seinerzeit schilderten. Lange konnte der extrem lärmempfindliche Kurty nicht vermittelt werden, lange fand sich kein ruhiges, ländlich gelegenes Zuhause für ihn. Drei Mal hat Marion Niederdorf ihn als „Tier der Woche“ zur Vermittlung vorgestellt, als „tollen Hund“, der sich zunächst furchtsam versteckt, aber - wenn er erst Vertrauen gefasst hat - von Streicheleinheiten nicht mehr genug bekommen könne.

Zuwendung bekommt Kurty jetzt von einer ehemaligen Hundetrainerin, die früher im Tierheim tätig war und den kleinen Rumänen bei sich aufgenommen hat. „Er lebt jetzt in einem Rudel mit drei anderen und ist fast ein normaler Hund geworden“, sagt die Leiterin des Tierheims. „Er hatte unverschämtes Glück.“