Gelsenkirchen. Stölting und Ingenium Labs kämpfen von Gelsenkirchen aus gegen Covid-19: So setzen sie auf Tempo, ein Hochleistungslabor und eine „Weltneuheit“.
Am Ende der Vorstellung müssen Olaf Thon und Peter Neururer ran. Zu Demo-Zwecken gurgeln der Ex-Trainer und der Ex-Weltmeister mit langjährigen Beziehungen zu Schalke 04, aber auch festen Verbindungen zur Stölting-Gruppe. „Die Flüssigkeit nicht schlucken, mit gespitztem Mund zehn Sekunden lang gurgeln und dann die Lösung mit dem Trinkhalm ins Röhrchen spucken“, bekommen beide beim PCR-Test erklärt. „Der Geschmack ist nicht unangenehm“, stellt Peter Neururer anschließend fest. Und Thon spekuliert über die blau-weißen Streifen auf dem Trinkhalm: „Das ist sicher kein Zufall“.
In Gelsenkirchen entsteht das „weltweit erste Hochdurchsatzlabor“
Drei TV-Teams, etliche Fotografen und die Spitzen von zwei Unternehmen verfolgen den Einsatz der Sport-Legenden. Schließlich wird, höchst selbstbewusst und werbeträchtig angekündigt, am Firmensitz Stölting Harbor eine „Weltneuheit“ präsentiert – es ist „M20, der erste Covid-19-Test, der 20 Virusmutanten innerhalb von 24 Stunden in einer Probe identifiziert“.
Für die Akteure ist dieser PCR-Test das „bewährte und beste“ Testangebot. Sie planen XXL: Europaweit wollen sie das größte PCR-Corona-Express-Testsystem aufbauen. Zur Drehscheibe dafür wird Gelsenkirchen: An der Johannes-Rau-Allee soll bis Juni „auf der grünen Wiese“ das „weltweit erste Hochdurchsatzlabor“ geschaffen werden – mit Testkapazitäten von bis zu 140.000 Analysen täglich. Auf 5000 Quadratmeter Fläche werden dafür Hightech und Fertigmodulsysteme konzentriert.
2020 als Start-up von Labormedizinern und Virologen gegründet,
Die Corona-Pandemie ist nicht nur eine riesige gesellschaftliche Herausforderung, der Kampf gegen das Virus ist auch ein riesiges Geschäftsfeld, bei dem es um Sicherheit, Gesundheit und letztlich auch (Bewegungs)-Freiheit geht. Das haben Ingenium Labs aus Frankfurt und die deutschlandweit auf Reinigungsdienste, Sicherheit und Personaldienstleistungen spezialisierte Stölting-Gruppe erkannt. Ingenium Labs, 2020 als Start-up von Labormedizinern und Virologen gegründet, ist in der Stadt bereits mit Test-Equipment am Hornbach-Markt und an der Trabrennbahn präsent. Deutschlandweit sollen - unter anderem an Hornbach- und Toom-Märkten, aber auch an rund 50 Stölting-Standorten – über 600 Testzentren aufgebaut werden. Stölting hat dafür extra Hi Competence gegründet. Geschäftsführer Dominik Mosbacher spricht von einem gigantischen logistischen System, in das schließlich „rund 2000 Mitarbeiter“ eingebunden sein werden.
Antigentests sind für Prof. Wolfgang Kaminski „Low-Tech der 1970er-Jahre“
„Testen, testen, testen“ gibt die Politik, geben Experten seit Wochen neben „impfen, impfen, impfen“ als Devise aus. Doch gerade bei den PCR-Kapazitäten hinkt Deutschland weit hinter Ländern wie Großbritannien, Italien oder Spanien her. Und: „Schnelltests sind aus unserer Sicht keine zielführende Strategie“ sind sich die Experten von Ingenium Labs, darunter der Virologe Dr. Martin Stürmer einig.
Noch stehen die Preise nicht fest
Der Faktor Zeit, glaubt man bei Ingenium Labs, sei bei der Teststrategie gegen Corona entscheidend. „Freiheit. Aber sicher“ lautet der Slogan des Unternehmens. Wie viel die Frankfurter mit Stölting in das gemeinsame Unternehmen investieren, verraten die Beteiligten nicht. Auch was ein einzelner Test „Kunden“ kosten wird, mit welchen Preisen beispielsweise Großabnehmer wie Unternehmen oder Fluggesellschaften rechnen müssten, ist noch nicht endgültig definiert.
Die Spanne reicht derzeit von 30 bis 80 Euro. Ziel sei es längerfristig, „preiswerter zu sein als die guten Antigentests“, sagt Dominik Mosbacher – und damit meint er nicht die, die für Endverbraucher im Handel sind.
„Antigen-Selbsttests“ stehen aus Sicht von Prof. Dr. Wolfgang Kaminski, Labormediziner und ärztlicher Leiter bei Ingenium Labs, für „Low-Tech der 1970er-Jahre“ Sie seien nicht sehr verlässlich, versprächen, wenn überhaupt, nur für wenige Stunden Sicherheit. „Wir gehen im Moment den Weg, der aus unserer Sicht nicht der richtige ist“, sagt Kaminski. Sein Credo: Wir müssen uns über einen Lockdown und parallele Strategien verständigen. Und da gehören PCR-Tests dazu. Testen muss schneller und leichter werden. Und wir müssen aufhören, den Leuten Stäbchen in die Nase zu stecken. Das verletzt auch die Psyche.“
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Auch der PCR-Test, machen die Mediziner deutlich, biete keine 100-prozentige Sicherheit. „Diesen Eindruck will ich nicht erwecken“, sagt Stürmer. „Doch wir erzielen eine deutlich höhere Sicherheit als mit dem Antigentest“, und die gelte für bis zu 72 Stunden. Ingenium Labs hat sich für den Betrieb des Hochdurchsatzlabors Partner für die Labordiagnostik an Bord geholt. In wenigen Wochen soll der Betrieb startbereit sein, im Idealfall später bis zu zwei Millionen Test-Auswertungen pro Woche ermöglichen, inklusive Mutantenbestimmung in einem Durchgang innerhalb von 24 Stunden. „Das funktioniert nur, wenn das mit entsprechender Infrastruktur verbunden ist“, sagt Geschäftsführer Peter Wieloch. Die baut die Stölting-Gruppe auf, sie will aus jeder Ecke der Republik innerhalb weniger Stunden die Tests zur Auswertung nach Gelsenkirchen schaffen.
Labormediziner: „Wir werden uns lange Zeit mit diesem Virus beschäftigen müssen“
Die Geschäftspartner gehen von einem längerfristigen Bedarf aus. Auf dieser Basis investieren sie. „Es wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass sich durch das Impfen alles regeln wird. Das ist falsch. Wir werden uns lange Zeit mit diesem Virus und seinen Evolutionsprodukten beschäftigen müssen“, betont Kaminski. „Wir sprechen dabei nicht über 2021. Sondern 2 plus x.“
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