Essen. 17 Tage lang hielten die Entführer den Essener Aldi-Chef Theo Albrecht gefangen. Gegen sieben Millionen D-Mark Lösegeld kam er frei.

Der Fall bewegte die Bundesrepublik wie kaum ein anderer. Vor fast 50 Jahren wurde Aldi-Chef Theo Albrecht vor der Unternehmenszentrale entführt und knapp drei Wochen lang als Geisel gehalten, bevor er gegen Lösegeld freikam. Ein Teil des Geldes blieb verschwunden.

Aldi-Entführung: So schnappten die Täter Theo Albrecht

Rückblende ins Jahr 1971: Der 47 Jahre alte Düsseldorfer Rechtsanwalt Heinz Joachim Ollenburg hatte hohe Spielschulden. Zusammen mit dem acht Jahre jüngeren Paul Kron, einem vorbestraften Tresorknacker, der auch "Diamanten-Paule" genannt wurde, heckte er den Plan aus, die Aldi-Familie zu erpressen. Dreimal lauerten sie dem Essener Unternehmer Theo Albrecht vor der damaligen Hauptverwaltung des Unternehmens in Herten auf. Beim ersten Mal verließ sie im letzten Moment der Mut, beim zweiten Mal hatten sie ihre Waffen vergessen.

Am 29. November 1971 klappte die Entführung schließlich. Ollenburg und Kron kaperten Albrechts Mercedes 280 SL, mit dem er gerade nach Hause fahren wollte. Zunächst glaubten sie an eine Verwechslung - der unscheinbare Herr in seinem abgewetzten Anzug wirkte auf die Kriminellen nicht wie ein millionenschwerer Firmenchef. Also ließen sie sich seinen Personalausweis zeigen. Als sie sicher waren, dass der Mann in ihrer Gewalt tatsächlich Theo Albrecht war, verschleppten sie ihn mit vorgehaltener Pistole in Ollenburgs Kanzlei in der Düsseldorfer Innenstadt. Im Essener Polizeipräsidium lief daraufhin die bis dahin größte Fahndung der Bundesrepublik an. 164 Ermittler einer Sonderkommission gingen jedem brauchbaren Hinweis nach, um das Versteck der Kidnapper aufzuspüren.

Aldi-Entführer bekamen sieben Millionen D-Mark Lösegeld

17 Tage lang hielten die Entführer ihr Opfer in einem Kleiderschrank im Hinterzimmer des Büros gefangen. Am 16. Dezember 1971 händigte der als Vermittler eingeschaltete Ruhrbischof Franz Hengsbach, der sich „unter der Schweigepflicht des Beichtgeheimnisses“ zu dieser Aufgabe bereiterklärt hatte, den Entführern auf einem Feldweg bei Düsseldorf zwei Koffer mit sieben Millionen D-Mark Lösegeld aus.

Am Abend des 17. Dezember 1971 kehrt der Essener Multimillionär Theo Albrecht wohlbehalten zu seiner Familie zurück.
Am Abend des 17. Dezember 1971 kehrt der Essener Multimillionär Theo Albrecht wohlbehalten zu seiner Familie zurück. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Roland Scheidemann

 Anschließend blieb der Unternehmer wie mit den Kidnappern vereinbart noch 24 Stunden in der Residenz des Bischofs. Am Abend des 17. Dezember kehrte er wohlbehalten zu seiner Familie zurück. Bei den Beamten der Sonderkommission, die mehr als 10 000 Überstunden gemacht hatten, bedankte sich der Unternehmer mit 120 Flaschen Sekt, zwei Fässern Bier und zwölf Flaschen Schnaps. Es war die höchste Lösegeldsumme, die bis dahin in der Bundesrepublik gezahlt worden war. Allein, die Gangster hatten nicht viel davon. Ollenburg wurde in Mexiko geschnappt, Kron flog auf, weil er mit 500-Mark-Scheinen aus den Geldkoffern bezahlte.

Theo Albrecht erholt sich nie von der Entführung

1973 verurteilte das Landgericht Essen sie zu Freiheitsstrafen von je achteinhalb Jahren. Rund die Hälfte des Lösegelds wurde nie gefunden. Ollenburg gab seinen Anteil an der Beute - etwa 3,5 Millionen Mark - an Albrecht zurück. Paul Kron beteuerte, von Ollenburg nur 10.000 Mark erhalten zu haben. Theo Albrecht hat sich Zeit seines Lebens nicht mehr ganz von der Entführung erholt. Nach seiner Freilassung lebte er zurückgezogen und mied die Öffentlichkeit. Er starb 2010 in Essen.

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Inzwischen steht fest: Die Hintergründe der Entführung dürften nie gänzlich aufgeklärt werden – denn die beiden Kidnapper starben 2017 binnen weniger Wochen. Heinz Joachim Ollenburg starb am im Alter von 93 Jahren im Februar 2017. Sein Komplize Paul Kron war kurz zuvor in einem Bochumer Pflegeheim verstorben.

Die Geschichte der beiden Aldi-Brüder

Theo Albrecht, Aldi-Gründer und Multimilliardär hatte sein Leben stets so gut wie möglich vor der Öffentlichkeit verborgen. Nicht einmal der genaue Geburtsort und der Geburtstag waren in der Öffentlichkeit bekannt. Das Unternehmen lüftete dieses Geheimnis erst nach dem Tod. Entscheidend für das zurückgezogene Leben von Theo Albrecht war wohl seine Entführung. Theo Albrecht hinterließ ein Milliardenvermögen. Theo und sein zwei Jahre älterer Bruder Karl galten jahrelang als die reichsten Deutschen mit zuletzt jeweils über 17 Milliarden Euro Vermögen.

Eine Aufnahme aus dem Jahr 1971: Das älteste Essener Aldi-Geschäft in Schonnebeck.
Eine Aufnahme aus dem Jahr 1971: Das älteste Essener Aldi-Geschäft in Schonnebeck. © WAZ FotoPool | KINGLER-BUSSHOFF, Marga

Auch in der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt landeten sie regelmäßig auf vorderen Plätzen. Aufgewachsen sind die Brüder in bescheidenen Verhältnissen im Essener Bergarbeitervorort Schonnebeck. 1946 übernahmen sie den Lebensmittelladen der Mutter, die sich damit ein kleines Zubrot verdiente. Da der Vater wegen einer Staublunge nicht mehr als Bergmann arbeiten konnte und nur noch schlecht verdiente, war die Familie auf den Laden angewiesen. Aus dem Geschäft wurde im Nachkriegsdeutschland schon bald eine kleine Kette.

Den Aufstieg schafften die Brüder jedoch mit einer schlichten Idee, die den Einzelhandel bis heute prägt. 1962 wurde der erste Aldi-Markt - die Abkürzung von Albrecht-Discount - in Dortmund eröffnet, nachdem die Brüder ihr gemeinsam aufgebautes Ladennetz zuvor in zwei Teile getrennt hatten. Kompromisslos verschrieben sich die Brüder dem Discount-Prinzip. Statt aufwendiger Dekorationen und teurer Markenprodukte setzen die „Pfennigfuchser von der Ruhr“ auf billige Holzregale und ein eingeschränktes Sortiment mit günstigen Preisen. Knapp zehn Jahre später überzog Aldi bereits rund 300 deutsche Städte mit einem Netz von 600 Filialen.