Essen.
Aldi-Gründer Theo Albrecht starb mit 88 Jahren in seiner Heimatstadt Essen. Er stieg aus dem Nichts zum Milliardär auf. Der Unternehmer revolutionierte den Einzelhandel.
Es ist die Geschichte eines Wirtschaftswunders. Sie könnte auch ein amerikanischer Traum sein oder die Vorlage für ein Hollywood-Drehbuch, aber diese Story spielt tief im Ruhrgebiet. Und sie kommt ohne Klatsch oder Skandale aus.
Viel mag nicht bekannt sein über das Leben von Theo Albrecht, dafür allerdings erscheinen die wenigen Details, die überliefert sind, umso bemerkenswerter.
Es ist die Geschichte eines Mannes, der praktisch aus dem Nichts zum Milliardär aufstieg und ganz nebenbei die Lebens- und Konsumgewohnheiten von Millionen Menschen prägte.
Spuren von Theo Albrecht finden sich in nahezu jeder deutschen Stadt. Fast jeder kennt Aldi, auch wenn kaum jemand ein Bild vom Unternehmensgründer hat.
Im engsten Familienkreis beigesetzt
Abgeschirmt von der Öffentlichkeit lebte er in seiner Heimatstadt Essen. Hier starb Albrecht, wie nun bekannt wurde, bereits am Samstagnachmittag im Alter von 88 Jahren. Im engsten Familienkreis wurde er auf dem Friedhof in Essen-Bredeney beigesetzt. Dem Vernehmen nach hat er im Sommer vergangenen Jahres nach einem Sturz mehrere Wochen im Alfried-Krupp-Krankenhaus zugebracht, sich aber nie wieder vollständig erholt.
Sinnbildlich für die Geheimniskrämerei der Familie ist, dass die Chronisten lange Zeit rätseln mussten, ob Theo Albrecht am 13. oder am 28. März geboren wurde. Er stammt jedenfalls aus bescheidenen Verhältnissen. Es hat ihn geprägt, dass er seine Jugend im Bergarbeiterviertel Schonnebeck verbrachte.
Ladenkette erstreckte
sich übers Ruhrgebiet
Seine Familie war darauf angewiesen, dass die Söhne zu Hause mit anpackten, denn der Vater konnte wegen einer Staublunge nicht mehr als Bergmann arbeiten und musste einen schlechter bezahlten Job in einer Brotfabrik annehmen. 1946 übernahm Theo nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Italien das Lebensmittelgeschäft der Mutter – gemeinsam mit seinem Bruder Karl. Sie bauten eine kleine Ladenkette auf, die sich Mitte der 50er-Jahre schon über das ganze Ruhrgebiet erstreckte.
Der Aufstieg der Brüder begann mit dem ersten Aldi-Markt, den die Familie 1962 in Dortmund eröffnete. „Albrechts Discount“ wurde stilbildend für eine gesamte Branche. Die Brüder hatten eine Idee, die den Einzelhandel prägte. Sie setzten auf wenige Produkte, eine schnörkellose Ladeneinrichtung und günstige Preise. Von Jahr zu Jahr wurde das Filialnetz dichter, zunächst in Deutschland, dann auch außerhalb. Damit wuchs auch die Marktmacht von Aldi als Großeinkäufer. Den Brüdern gelang es, wichtige Lebensmittelhersteller zur Produktion von exklusiven Aldi-Eigenmarken zu bewegen.
Ein Imperium mit
vielen Filialen
Das Geschäftsmodell, das später als „Aldi-Prinzip“ Schule machte, funktionierte blendend. Ein Imperium mit vielen hundert Filialen entstand. 1960 teilten die beiden Brüder den Konzern in zwei unabhängige Gesellschaften auf. Während Theo von Essen aus Aldi-Nord leitete, war sein Bruder Karl in Mülheim für Aldi-Süd verantwortlich. Die Trennungslinie für das Filialnetz verlief unter anderem entlang der Ruhr.
Zwar tauchte Theo Albrecht nicht in der Öffentlichkeit auf, gleichwohl war er als Unternehmer tief im Ruhrgebiet verankert. So gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Initiativkreises Ruhr. Noch im vergangenen Jahr nahm er an der Vollversammlung des Firmennetzwerks teil.
Durch Entführung
aus Alltag gerissen
Als Grund für die ansonsten ausgeprägte Zurückgezogenheit gilt, dass Theo Albrecht 1971 durch eine Entführung jäh aus seinem Alltag gerissen wurde. 17 Tage lang hielt ihn Paul Krohn, genannt „Diamantenpaule“, vermutlich in Düsseldorf gefangen. Das Lösegeld – sieben Millionen Mark – übergab der damalige Ruhrbischof Franz Hengsbach. Nie zuvor wurde in Deutschland eine höhere Summe an einen Entführer gezahlt. Später zog Albrecht vor Gericht, weil er das Geld als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen wollte. In den 90er-Jahren zog sich Theo Albrecht zunehmend aus der Unternehmensführung zurück. Seine beiden Söhne Berthold und Theo junior übernahmen Verantwortung.
Die Aldi-Gründer Karl und Theo gelten als die reichsten Deutschen. Das US-Magazin Forbes bezifferte ihr Vermögen zuletzt mit 23,5 beziehungsweise 16,7 Milliarden Dollar. Die Geschichten über Theo Albrechts Sparsamkeit sind gleichwohl legendär.
Im Büro immer
Lampen ausgeschaltet
In den Büros seines Unternehmens soll er regelmäßig die Lampen ausgeschaltet haben, um die Energiekosten zu senken. Mitarbeiter habe er in früheren Jahren dazu ermuntert, auch die Rückseite von Papier zu beschreiben. Was sich heute wie eine Anekdote liest, ist doch auch Ausdruck der Bodenständigkeit, die der Milliardär verkörpern wollte. So teilte sein Unternehmen am Mittwoch mit, man trauere um einen Menschen, der „gegenüber seinen Geschäftspartnern und Mitarbeitern bescheiden auftrat und sie immer mit großem Respekt behandelte“. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) würdigte Albrecht als bedeutendste Unternehmerpersönlichkeit.