Gelsenkirchen. Was Gelsenkirchens Stadtdechant Markus Pottbäcker mit Tüchern über Kruzifixen bezweckt. Und warum er Kardinal Woelki Spaltung vorwirft.
Bekannt ist er aus der Welt des Hochadels, von Audienzen beim Papst oder Bestattungen in der russisch-orthodoxen Kirche: der Schleier. Dass Jesus am Kreuz ihn trug, ist nicht überliefert – aber Besucherinnen und Besucher etlicher Kirchen in Gelsenkirchen finden Kruzifixe in diesen Tagen genau so: verhüllt mit einem schwarzen Tuch. Was die Aktion mit dem größten Skandal in der katholischen Kirche zu tun hat, erläutert Stadtdechant Markus Pottbäcker, Propst von St. Urbanus in Buer und St. Augustinus in Gelsenkirchen.
„Mit dem Trauerflor wollen wir unsere Scham und Betroffenheit sowie unsere Solidarität mit allen Opfern von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche weltweit zum Ausdruck bringen“, erläutert Pottbäcker. Anlass seien Meldungen über „erschütternde Zahlen“ von Missbrauchsopfern in der katholischen Kirche in Frankreich, die deutlich machten, „dass die Dimension der Verbrechen weltweit noch gar nicht abschätzbar ist.“
Gelsenkirchener Propst ist fassungslos über Missbrauch – und den Umgang damit
Die Idee zu der Aktion hatte der Essener Karikaturist Thomas Plaßmann, mit dem Pottbäcker eng befreundet ist. „Als wir uns über die aktuellen Nachrichten ausgetauscht haben, waren wir beide gleichermaßen fassungslos und hilflos. Plaßmann regte dann an, durch die Verhüllung von Kreuzen ein Zeichen in den Gemeinden vor Ort zu setzen und an die Verantwortlichen zu appellieren, konsequent alles Notwendige zur Aufarbeitung der furchtbaren Verbrechen zu tun.“
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Im Pastoralteam der Pfarrei St. Urbanus habe es durchaus unterschiedliche Meinungen dazu gegeben, Jesu Kopf mit einem Tuch zu bedecken. „Natürlich ist es schwierig zu sagen, dass Jesus trauert. Aber ich bin mir sicher, dass er Schmerz über das Leid der Opfer empfindet.“ Auch habe man überlegt, ob es nicht angezeigt wäre, Betroffene in die Aktion miteinzubinden, sich aber schließlich dagegen entschieden.
Propst: Wegen Kardinal Woelki treten in Gelsenkirchen Gläubige aus der Kirche aus
„Wir wollen sie auf keinen Fall außen vor lassen, aber es ging uns darum, unserem Entsetzen und unserer Scham Ausdruck zu verleihen, dass viele Verantwortliche in der Amtskirche noch immer nicht transparent genug mit dem Skandal umgehen. Wir müssten uns viel ehrlicher machen! Das Ganze zerreißt uns!“
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Anlass für viele Kirchenaustritte „auch hier in Gelsenkirchen“ sei nicht nur der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen, sondern auch der Umgang damit. „Wegen Kardinal Woelki treten hier in Gelsenkirchen Gläubige aus der Kirche aus. Und daran kann ich nichts ändern!“, ärgert sich Pottbäcker, dass der Kölner Erzbischof nach der Ablehnung seines Rücktritts durch den Papst nicht selbst Konsequenzen gezogen und „seine Arbeit eingestellt“ hat.
Folgen von Woelkis Umgang mit sexuellem Missbrauch ist laut Pottbäcker Spaltung
„Barmherzigkeit gegenüber ihm ist richtig und wichtig, da er ja Fehler eingeräumt und bedauert hat. Aber das heißt noch lange nicht, dass er in seiner jetzigen Position verbleiben muss“, erklärte Pottbäcker im WAZ-Gespräch. Die Folgen bekämen die Gemeinden überall in Deutschland zu spüren: Vertrauensverlust und Spaltung.
Während Karikaturist Plaßmann alle Pfarreien zur Teilnahme an der Aktion aufgerufen hat, wird sie in fünf Kirchen in St. Urbanus sukzessive umgesetzt: In St. Urbanus und St. Ludgerus hängen die schwarzen Tücher bereits, alle anderen Gotteshäuser folgen in der kommenden Woche. „Ich habe allen drei Pfarreien in Gelsenkirchen empfohlen, sich daran zu beteiligen“, so der Stadtdechant. Hängen soll der Trauerflor bis zum Advent.
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