Oberhausen. In Oberhausen baut die Emschergenossenschaft am unterirdischen Abwasser-Kanal. Anwohner der Baustelle leben seit März mit großer Staubbelastung.
Hart im Nehmen waren die Anwohnerinnen und Anwohner im Bereich Egelsfurthstraße/Von-Trotha-Straße in Schwarze Heide seit März. Was ihre Fotos dort an Baustellenverkehr und aufgewirbeltem Staub zeigen, ist eindrucksvoll. Erst in der vorvergangenen Woche gingen sie aus Protest auf die Straße. Grund ist die Baustelle der Emschergenossenschaft (EG) am Sterkrader Hauptkanal. Die will ihnen jetzt alle 14 Tage eine kostenlose Autowäsche gewähren.
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Der Sterkrader Hauptkanal verläuft im Hinterland der Egelsfurthstraße. Im Zuge des Großprojekts Emscherumbau soll auch er unterirdisch verlegt werden. Diese Bauarbeiten sind im März in die heiße Phase getreten. Seitdem wird Erdaushub über die Egelsfurthstraße transportiert und in der Nähe deponiert, bringen Schwertransporter Baumaschinen heran oder holen sie wieder ab.
Mit der Ruhe ist es vorbei
Zum Termin mit der Redaktion waren rund 30 Nachbarn gekommen. Normalerweise ist die Egelsfurthstraße eine ruhige Sackgasse. Seit März ist es aber mit der Ruhe vorbei. Denn die Baustelle wird nicht nur während der normalen Arbeitszeiten betrieben. „Man kann sich gar nicht mehr auf dem Balkon aufhalten“, berichtete Herbert Staszak. Seine Frau Christa ergänzte, sie müsse morgens erst einmal ihre Scheiben sauber machen.
Andere Nachbarn klagten, sie könnten nicht mehr im Garten sitzen. Auf ihrer Garageneinfahrt liege eine Sandschicht, sagte Andrea Hegermann (Von-Trotha-Straße). Von sieben Uhr früh bis 20 Uhr abends halte der Lkw-Verkehr an, manchmal gehe es schon früher los. Die Motoren würden im Wartezustand durchlaufen. Bis zu 60 Fahrten am Tage gebe es, schätzen die Nachbarn. Nur jeder zehnte Kipper trage eine Plane. Die Baumaschinen würden auch mitten in der Nacht transportiert.
Unzulängliche Kehrmaschinen
Der Staub dringe durch alle Ritzen. „Die Türen schließen nicht mehr richtig, sie schleifen auf dem Boden“, erzählte Ursula Sickelmann (Von-Trotha-Straße). Sie führte ihre Atemprobleme auf den Staub zurück. Auch darf sie gar nicht daran denken, dass sie vor Jahren 4500 Euro Anliegerbeiträge für die Erneuerung der Fahrbahndecke bezahlten musste. Und jetzt diese vielen fremden Lkw.
Die verbringen auf der Egelsfurthstraße ihre Wartezeiten, ehe sie auf die Baustelle fahren. Einen älteren Herrn nerven die Piepgeräusche, die sie dabei machen. Antje Herrmann stört sich am Hupen der Lkw-Fahrer, wenn Pkw ihnen im Weg stehen. Anwohnerin Kira Leenen leidet unter einem Brummton von der Baustelle: „Dabei vibriert unser ganzes Haus.“ Dann zeigte sie Fotos von ihrem Swimmingpool, dessen Boden mit Sand bedeckt ist.
Edeka-Baustelle als Vorbild
Von einer städtischen Baustellenkontrolle haben die Anwohner nichts bemerkt. Es wundert sie. Auch sind sie mit den beiden Kehrmaschinen, die die Straße sauber halten sollen, unzufrieden. Die eine von ihnen verteile den Dreck nur, heißt es. „Die Baustelle soll weg – schon morgen“, hielt ein kleiner Junge ein Blatt Papier mit seiner Forderung hoch.
Ralf Wallasch von der Von-Trotha-Straße hat die Redaktion benachrichtigt. Er wirft die Frage nach der Entschädigung der Anwohner auf. Edeka habe bei seiner Baustelle in der Weierheide mit einer Waschstraße vereinbart, dass die Betroffenen dort ihre Fahrzeuge kostenlos waschen könnten. Bei der Emschergenossenschaft habe er das erst einmal anregen müssen.
Noch gibt es keine konkrete Regelung für die Autowäsche
Für die Emschergenossenschaft (EG) hat deren Sprecher Ilias Abawi Stellung genommen. Danach hat man bereits Anfang September die Baufirma angewiesen, den Anwohnern Waschgutscheine anzubieten. Nach Angaben von Ralf Wallasch kann sich jeder Anwohner am Baucontainer vorerst einen einzigen Waschcoupon abholen. "Nötig haben unsere Autos das aber alle zwei Tage", sagt er.
Abawi weist auf das Ziel der Bauarbeiten hin. Ende des Jahres soll das Abwasser erstmals unterirdisch fließen. Dann sei der Sterkrader Hauptkanal endlich keine offene Kloake mehr. Allerdings würden sich Restarbeiten noch bis in den August 2022 ziehen.
Es gab zwei Info-Veranstaltungen
„Dass es zu Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen kommt, bedauern wir sehr“, fährt er fort. Das lasse sich leider nicht immer vermeiden. „Wir versuchen, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten und bitten um etwas Geduld.“ Letztlich diene der Umbau der Lebens- und Aufenthaltsqualität und dem Hochwasserschutz.
Ganz ahnungslos könnten die Anwohner aber nicht gewesen sein, was auf sie zukomme. Denn es habe im April 2018 und im Dezember 2019 Bürgerinformationsveranstaltungen dazu gegeben, wegen Corona danach nicht mehr, dafür aber Flyer und Presseberichte.
Tabu-Thema Geld-Entschädigung
Eine Diskussion darüber, ob die Anwohner mit der Baustelle nicht ein Opfer für die Allgemeinheit erbringen und dass sie dafür eigentlich mit Geld entschädigt werden müssten, will Abawi aber nicht führen.
„Diese Frage stellt sich nicht und darf sich auch nicht stellen“, schreibt er. Die Transportwege würden nach Eignung gewählt, sollen einen schnellen und einwandfreien Baustellenbetrieb ermöglichen. Natürlich solle die Belästigung dabei so gering wie möglich ausfallen. Letztlich sei es aber die Stadt, die sie genehmigen würde. Irgendwo müsse man halt durchfahren.
Auflagen müssen eingehalten werden
Bislang sei es in Deutschland nicht üblich, das „Erdulden von Baustellen“ zu erkaufen. Das gehe schon deshalb nicht, weil die EG verantwortungsvoll mit den öffentlichen Geldern umgehen müsse. Es gebe halt keinen Anspruch auf Baustellen-Freiheit. Allerdings müssten sie nach den erteilten Auflagen betrieben werden. Dafür wolle man sorgen.