Oberhausen. In zweiter Instanz stand ein Zahnarzt aus Oberhausen wegen fahrlässigen Vollrausches vor Gericht. Angeblich hatte er Medikamente verwechselt.

Wie in Trance steuerte ein 56-jähriger Zahnarzt aus Oberhausen am 1. April 2020 über die A3 Richtung Wesel. Er verlor vollständig die Kontrolle über seinen Körper, stieß mit Leitplanken und anderen Fahrzeugen zusammen. In zweiter Instanz musste sich das Landgericht Duisburg nun mit dem ungewöhnlichen Fall eines fahrlässigen Vollrausches befassen.

Der Angeklagte ist unzweifelhaft krank. Er hat Krebs und leidet unter psychischen Problemen. Jeden Morgen muss er eine Vielzahl verschiedener Medikamente schlucken. Am Tag der Tat soll er zwei davon verwechselt haben. Als er dann im Auto saß, um zu seiner Praxis zu fahren, ging plötzlich nichts mehr. Der Angeklagte sei geistig stark eingeschränkt gewesen und habe vollständig jede motorische Kontrolle verloren, hieß es im erstinstanzlichen Urteil.

Oberhausener kreiselte über die Autobahn

Zwei Mal berührte er mit seinem Auto die rechte Leitplanke, überholte einen Lastwagen auf dem Standstreifen und beschädigte ihn beim Wiedereinscheren. Dann hielt der Zahnarzt kurz an, gab aber wieder Gas und stieß auch noch mit einem Kleinwagen zusammen. Wie durch ein Wunder gab es keine schweren Verletzungen, allerdings Sachschäden im Bereich mehrerer Tausend Euro.

Die Anklage hatte ursprünglich auf Straßenverkehrsgefährdung gelautet. Doch einen Vorsatz vermochte das Amtsgericht Wesel im November 2020 in erster Instanz nicht zu erkennen. Es kam zu dem Schluss, dass der Angeklagte sich fahrlässig in einen Zustand versetzt habe, in dem er nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Bei äußerster Umsicht sei die Verwechslung der Medikamente vermeidbar gewesen. Es verurteilte den Oberhausener zu einer Geldstrafe von 7500 Euro (100 Tagessätze zu je 75 Euro), entzog ihm den Führerschein und ordnete eine Sperre für weitere acht Monate an.

Sachverständiger kam zu einer möglichen anderen Ursache

Doch in der Berufung sah die Sache plötzlich ganz anders aus. Ein medizinischer Sachverständiger war sich keinesfalls sicher, dass eine Verwechslung von Medikamenten die Kette von Unfällen ausgelöst habe. Zwar sei es vorstellbar, dass eine Wechselwirkung verschiedener Präparate den Kontrollverlust ausgelöst habe. Ebenso denkbar sei aber auch, dass der Angeklagte einen epileptischen Anfall gehabt habe.

Die Krankheit des 56-Jährigen war erst nach dem amtsgerichtlichen Verfahren diagnostiziert worden. Für die beteiligten Juristen ein klarer Fall, der im Zweifel nach der für den Angeklagten günstigsten Variante zu entscheiden sei. Man ersparte sich eine umfangreiche Beweisaufnahme. Das Verfahren wurde eingestellt.