Gelsenkirchen. Seit etwas mehr als einer Woche greift die Corona-Notbremse in Gelsenkirchen. Die Folgen für Friseure und Einzelhandel sind teils drastisch.

Lange kam es einem so vor, als warteten alle Bürgerinnen und Bürger während des Lockdowns sehnlichst darauf, endlich wieder ihre Haare schneiden zu lassen. Einige Salons öffneten nach der coronabedingten Schließung sogar um Mitternacht, weil der Kundenandrang so groß war. Und nun? „Ausgebremst“ fühlen sich Gelsenkirchener Friseure nach einer Woche Corona-Notbremse. Denn viele Kunden bleiben mittlerweile weg.

Zum Hintergrund: Seit etwas mehr als einer Woche greift in Gelsenkirchen die bundesweite Corona-Notbremse. Die sieht unter anderem vor, dass vor dem Friseurbesuch ein tagesaktueller negativer Corona-Schnelltest vorgelegt werden muss, wenn ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt den Inzidenzwert von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschreitet.

Gelsenkirchener Friseurin: Schnelltest vor dem Termin ist für viele zu aufwendig

Das sogenannte „Click and Meet“, Einkaufen mit vorheriger Terminvereinbarung, ist nicht mehr möglich, wenn die Inzidenz drei Tage lang über 150 liegt. Der Einzelhandel darf dann nur noch „Click and Collect“, also Vorbestellung und Abholung vor Ort, anbieten. In Gelsenkirchen liegt der Inzidenzwert aktuell immer noch über 200.

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„Wir merken das auf jeden Fall“, sagt Aydan Duman, Friseurin im Salon Extracut in der Altstadt. Etwa 50 Prozent weniger Kunden hätten sie in der vergangenen Woche gehabt, viele hätten ihre Termine abgesagt. „Die Kunden sagen ganz klar: ‘Ich will keinen Schnelltest machen.’ Das ist ihnen zu viel Aufwand“, so Dumans Erfahrung. „Dazu kommt, dass die Tests ja auch nicht zu 100 Prozent sicher sind. Einige fürchten ein falsch-positives Ergebnis und die Konsequenzen, die damit verbunden sind.“

Vor allem ältere Kundinnen und Kunden sagen jetzt die Friseurtermine ab

Ein zehn bis 15 Prozent geringeres Terminaufkommen unter den Stammkunden hat eine Mitarbeiterin des Haarstudios Safija in Buer beobachtet. „Wir haben viele älteren Kunden, die noch nicht geimpft sind. Die sind teilweise nicht mehr so mobil, sodass es für sie sehr umständlich ist, vor dem Friseurtermin noch einen Test machen zu müssen.“ Viele dieser Kunden hätten ihren Termin abgesagt.

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Von 50 Prozent weniger Kunden in der vergangenen Woche berichtet Bettina Lenk, seit 14 Jahren Mitarbeiterin beim Ückendorfer Friseurteam Haargenau. „Im Lockdwon schien den Leuten der Friseurbesuch extrem wichtig zu sein. Aber jetzt, wo sie einen negativen Schnelltest brauchen, bleiben viele weg“, erzählt die Friseurin.

Gelsenkirchener Saloninhaber spricht von „Katastrophe“ für seinen Betrieb

Am zuverlässigsten kämen die Kunden, die bei der Arbeit ohnehin Tests machten. „Anderen ist das zu kompliziert. Sie sagen den Termin dann zum Beispiel ab, weil sie den Test zeitlich nicht geschafft haben“, so Lenk. Bei den momentanen Kundenzahlen stelle sich durchaus die Frage, wie lange die Salons noch durchhalten können.

Eine „Katastrophe“ nennt ein Saloninhaber, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, die aktuelle Situation. „Im Lockdown haben die Kunden mich terrorisiert, wollten unbedingt, dass ich den Laden aufmache. Jetzt, wo wir geöffnet haben und sie einen Test machen müssen, sind sie auch nicht zufrieden.“ Er berichtet sogar von 80 bis 90 Prozent weniger Kunden, hat in der vergangenen Woche zwei Mitarbeiter wieder in Kurzarbeit geschickt.

IHK-Experte: Einzelhandel in Gelsenkirchen trifft es besonders schwer

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Auch für den Einzelhandel bedeutet die Corona-Notbremse herbe Einbußen. Das bestätigt Jens von Lengerke, zuständig für den Bereich Handel bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen, in deren Einzugsgebiet Gelsenkirchen liegt. „Der Gelsenkirchener Einzelhandel ist besonders schwer betroffen, weil der Inzidenzwert ja hier schon länger sehr hoch ist“, sagt er.

Wie gut ein Geschäft durch die Krise komme, hänge immer auch vom Sortiment und der Größe ab. Fest stehe aber: „Schon ‘Click and Meet’ mit Schnelltest war vielen Kunden zu aufwendig, ‘Click and Collect’ ist ein weiterer Rückschritt. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, das sich dieses Modell kaum lohnt.“ Viele böten einen Abhol- oder Lieferservice viel eher an, um die Kundenbindung zu erhalten, selbst wenn er sich nicht rentiere.

Hoffnung auf Besserung durch neue Freiheiten für Geimpfte und Genese in NRW

Diese Geschäfte bleiben trotz Notbremse geöffnet

Einige Geschäfte dürfen auch bei einer Inzidenz von über 150 geöffnet bleiben. So sieht die Bundesnotbremse unter anderem Ausnahmen für den Lebensmittelhandel, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Sanitätshäuser, Drogerien, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte und Gartenmärkte vor.Im Dienstleistungsbereich bleibt alles, was nicht ausdrücklich untersagt wird, offen – also beispielsweise Fahrrad- und Autowerkstätten, Banken und Sparkassen oder Poststellen.Körpernahe Dienstleistungen sollen nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken in Anspruch genommen werden. Einzige Ausnahme sind Friseure und Fußpfleger. Kosmetiker beispielsweise müssen bei einer Inzidenz über 100 schließen.

„Das ist für die Einzelhändler in Gelsenkirchen eine sehr harte Situation“, resümiert der Handelsexperte. „Schon vor der Corona-Pandemie hatten es einige Händler schwer, zum Beispiel im Textilbereich. Es wäre schon sehr ungewöhnlich, wenn alle unbeschadet durch die Krise kommen würden.“

Hoffnungen ruhen nun auf der am Montag (3. Mai) in Kraft getretenen Regelung, nach der Geimpfte und Genese in Nordrhein-Westfalen mehr Freiheiten haben. Unter anderem müssen sie beim Friseur kein negatives Schnelltestergebnis mehr vorzeigen. „Wie viel das bringen wird, werden wir im kommenden Monat sehen“, sagt Friseurin Bettina Lenk. „Im Moment sind bei allen fünf Mitarbeiterinnen noch viele Termine frei.“