Gelsenkirchen. Extraschicht im Gelsenkirchener Nordsternpark: Warum Besucher enttäuscht an andere Spielorte weiterzogen. Plus: Die schönsten Bilder des Abends.
Magische, spektakuläre Bilder bietet die Laser-Show im Amphitheater zum Abschluss der Extraschicht im Nordsternpark. Seit dem frühen Abend gibt es hier faszinierende Ausblicke und Einblicke in die Geschichte des Standortes. Die Erwartungen der Besucher werden trotz des großen Engagements etlicher Aktiver aber leider nicht immer erfüllt.
Extraschicht 2022: So lief der Abend im Gelsenkirchener Nordsternpark
Der Nordsternturm ist schon seit dem Beginn der Veranstaltung am späten Nachmittag ein Publikumsmagnet. Hier und im Nahbereich beteiligt sich das Wohnungsunternehmen Vivawest am Programm. Museum und Besucherterrasse sind zwar häufig für Besucher geöffnet, „heute ist aber das Highlight, dass man auch nachts in den Park schauen kann”, weiß Martin Schauerte, Geschäftsführer des Nordsternturms.
Die Nacht der Industriekultur im Nordsternpark
„Auf jeder Etage sind Gästeführer, die den Besuchern bei der Orientierung helfen.” Wer ganz oben ist, weiß das auch zu schätzen. Viel wird hier diskutiert, welche Halde man da nun sieht. Und natürlich ist es immer noch ein Erlebnis, dem Herkules ganz nah zu sein. Zumindest hat man von hier oben beste Aussicht auf dessen Hinterteil.
Mit dem Einbruch der Dunkelheit rückt dann ein Kunstwerk in den Fokus, das auch immer da ist, heute aber noch mehr in Szene gesetzt wird: Das „Chamäleon” im Kesselhaus, eine Arbeit des Künstlers Paul Schwer. Ein Förderband aus 860 LED-Platten, die einzeln angesteuert werden. „Es reagiert auf die Anzahl der Besucher im Kesselhaus”, erklärt Schauerte. Mit der Aktivität im Haus steigt die des Kunstwerkes. Heute zeigt es sich mit all seinen Möglichkeiten den Betrachtern, die von der großen Wiese aus durch die Fenster darauf blicken, in all seiner Pracht, agiert „in Concert” zu eigens komponierter Musik.
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Vor dem Nordsternturm sorgt schon den ganzen Abend die Coverband „Turn On” für Musik. Einmal ums Eck lädt „Heiners Biergarten” zum Verweilen ein. Dort finde, so erklärt es der Extraschicht-Handzettel, der an mehreren Stellen ausliegt, ab 18 Uhr Programm statt. Nur weiß man hier von nichts. „Das Programm ist auch anders, als es im Internet dargestellt wird”, sagt Besucherin Andrea, die sich mit ihren Begleitern am Amphitheater eingefunden hat. „Wir haben auch gedacht, man kann im Amphitheater sitzen. Aber hier findet auch noch nichts statt.”
Nur der Vorplatz ist geöffnet. Hier sorgt, so sagt es der Handzettel, ab 18 Uhr „Dr. Musikus” für Programm. Der ist zwar da, bereitet sich aber noch auf seine technisch durchaus aufwendige Darbietung vor. In einem fantasievollen Kostüm scheint er über das Gelände zu schweben, ist behängt und bepackt mit allerlei Instrumenten, Tontechnik und Gerätschaften. Dann, nach rund einer halben Stunde, stimmt er sein erstes Stück an: „I sing a Liad für di”. Eine Überraschung für manch einen. Dabei schwebt er von hier nach dort, trötet immer wieder durch Hupen, spritzt mit einem Wasserstrahl die Besucher nass oder lässt Flammen aus Düsen auf seinen Schultern aufsteigen.
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Einige wenige Zuhörer juchzen vor Freude. Viele nicht. „Von den Live-Acts bin ich enttäuscht”, sagt Michael. Man habe sich eine Route für den Abend zurechtgelegt, ganz bewusst im Nordsternpark begonnen. Jetzt gehe es rasch weiter zur Zeche Zollverein. „Das ist schade”, findet Petra. „Aber alles andere wird jetzt klasse”, bleibt sie optimistisch. „Es kann ja auch nur noch besser werden.”
Das Programm am Standort sei so konzipiert, dass es erst am späten Abend richtig losgehe, mit der großen Lasershow mit Pyrotechnik und Artistik aus dem „Zirkus Cassely”, informieren die freundlichen Helferinnen am Infopoint. Diese Information jedoch scheint die meisten Besucher gar nicht erreicht zu haben. Sie ziehen von dannen, auf der Suche nach Ansprechendem und Authentischem.
Das bieten die Kumpel von einst. Reinhold Adam führt etwa Besucher über das Gelände, erzählt ihnen, wie es hier war, bevor alles durch die BUGA zum Park wurde. Ernst-Peter Bechtloff und Dieter Rogosch erklären die Welt der Bergleute im Besucherstollen. Der ist seit Ausbruch der Pandemie kaum mehr geöffnet gewesen. Nicht nur wegen der Viren. Auch wegen der hohen Spritkosten. Den Strom nämlich erzeugt ein Aggregat, das mit Benzin betrieben wird. „Wir werden nicht unterstützt in unserer Arbeit”, erzählt Rogosch. Und schon geht es um die aktuelle Weltlage, die Energiekrise und um Überzeugungen, die die Kumpel schon immer hatten: „Die Kohle wird gebraucht. Alle Bergwerke zu schließen, das war nicht richtig. Das zeigt sich ja jetzt. Wir hier auf Nordstern hätten mindestens noch Kohle für zehn Jahre gehabt. Wir waren ja schon auf der 13. Sohle. Da hatten wir Flözbreiten von vier Metern.”
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Die zahlreichen Besucher lauschen interessiert. Dicht gedrängt stehen sie im großen Stollen. Bei der letzten Extraschicht seien rund 3000 Menschen gekommen. Das könnte heute wieder so sein. Besonders beliebt ist ein Exponat: Die Dahlbuschbombe. Vor allem, weil Ernst-Peter Bechtloff lebhaft deren Funktion erklärt und von dem so bekannten Unglück berichtet.
Schachtzeichen weisen den Weg zu den Spielstätten
Der Nordsternpark ist traditionell eine der Spielstätten der Extraschicht, der Nacht der Industriekultur.Viele der Angebote vom Samstagabend gehören fest zum Programm am Standort. Aus einem anderen Kontext bekannt waren auch die „Schachtzeichen”, einst zur Kulturhauptstadt entwickelt von dem früheren Gelsenkirchener Kulturamtsleiter, Volker Bandelow. Sie wiesen Besuchern den Weg zu den Veranstaltungsorten im Park.
„Wir wollten schon so lange zur Extraschicht kommen”, erzählt Thorsten. Corona habe das in den letzten Jahren verhindert. Nun hat der Hamburger es endlich geschafft. Besonders hier, im Stollen bei den Nordsternkumpels, gewinnt er einen Eindruck von der Region und ihrer Geschichte – und ist begeistert. Gastgeberin Meike, die dem guten Freund immer von der Heimat berichtete, freut das. “Wir haben immer versucht, ein Bild zu vermitteln. Aber man kann es nicht beschreiben.” Zumindest nicht so, wie es die Bergleute von einst können.