Gelsenkirchen. Gastronomen kritisieren die händische Kontakterfassung und werden kreativ. Das halten die Stadt Gelsenkirchen und die Dehoga von der Vorschrift.

„Als Wirt bin ich mittlerweile ein Platzanweiser und Corona-Kontrolleur“, sagt Peter Wendt. Er betreibt den Fliegenpils in Buer und ärgert sich über manche der geltenden Corona-Schutzregeln. Geschenkt, dass derzeit nur 60 Besucher in seine Bar dürfen, in die sonst weit über 100 Gäste passen und auch, dass er einen Mitarbeiter anstellt, der vor Ort Schnelltests durchführt. Nervig sei, dass alle Anwesenden ihre Kontaktdaten hinterlassen müssen.

Das sieht Paragraf 8 der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung vor. Gastronomen müssen eine Rückverfolgbarkeit gewährleisten und dafür Namen, Wohnorte, Telefonnummern, E-Mail-Adressen sowie die Besuchszeiten der Gäste erfassen. Das sei aufwendig, sagt Wendt, gerade im Hinblick auf den in Gelsenkirchen gesunkenen Inzidenzwert und den Impffortschritt.

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Mitarbeiter müssten den Kunden hinterherlaufen, die eigentliche Arbeit sei komplizierter zu bewältigen. Regeln sollen „Sinn ergeben und der Sache helfen“, findet der Wirt. Bei der Kontakterfassung sei dies nicht zwingend gegeben.

Dehoga fordert ein Ende der Kontakterfassung für die Außengastronomie

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Doch stimmt das? Das Ordnungsamt der Stadt Gelsenkirchen kontrolliert, ob Gastronomen die Kontakte erfassen. Wird eine Infektion entsprechend gemeldet, benötigt das Gesundheitsamt Zugriff auf die Listen, um Infektionsketten nachvollziehen zu können. Die Vorschrift sei sinnvoll, wenngleich die Listen bislang nicht im großen Stile bei der Pandemie-Bekämpfung geholfen hätten, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann: „Es kann immer vorkommen, dass man die Listen braucht und deshalb ist es gut, dass es sie gibt.“

Geht es nach der Dehoga, dem Interessenverband des Gastgewerbes, müsste die Landesregierung bei Paragraf 8 allerdings nachbessern und zwischen Innen- und Außengastronomie differenzieren. An der frischen Luft sei die Ansteckungsgefahr niedriger als in geschlossenen Räumen, sagt Bezirksgeschäftsführer Lars Martin: „Aus diesem Grund fordern wir, draußen mit der Kontakterfassung Schluss zu machen.“

Vor allem für Gastronomien, die Gewinne hauptsächlich über den Verkauf in den Außenbereichen erzielen, sei die Regel eine Herausforderung. Kunden der Eisdielen oder Cafés würden sich oft nur wenige Minuten vor Ort aufhalten. „Da ist die Kontakterfassung ein erheblicher Mehraufwand für die Betreiber“, kritisiert Martin. Für die Innenbereiche sei die Erfassung der Besucher hingegen ein nützliches Werkzeug zur Eindämmung des Coronavirus. Hier brauche es „vernünftige Systeme“, sagt der Dehoga-Geschäftsführer. Was er damit meint, sind Apps.

Digital oder analog? Gelsenkirchener Gastronomen haben die Wahl

Eine digitale Kontakterfassung ist von der Landesregierung nicht vorgeschrieben. Wenn dem Kunden die erforderliche technische Ausrüstung fehle, müssten vom Betreiber die eigene Ausrüstung oder papiergebundene Bögen zur Verfügung gestellt werden, heißt es in der Coronaschutzverordnung.

So funktioniert das „Iris“ Gateway

Die NRW-Landesregierung setzt bei der Kontaktnachverfolgung nicht auf einen App-Anbieter, sondern auf mehrere. Möglich macht dies das „Iris“ Gateway. Betriebe und Veranstalter können zwischen verschiedenen Apps auswählen. Brauchen Gesundheitsämter die Kontaktlisten, sind eine Abfrage und ein Austausch über „Iris“ möglich. Das Gateway ermöglicht eine sichere Anbindung verschiedener Online-Tools zur Erfassung an die Ämter.

Von der zweiten Variante hält Peter Wendt wenig. Die analoge Lösung, sprich die Zettelwirtschaft, käme einem Papiertiger gleich, dazu noch einem zahnlosen. „Alles ausfüllen zu lassen und einzusammeln, ist eine Farce“, sagt der Fliegenpils-Wirt, der sich für die Installation einer App entschieden hat. Seine Gäste sollen per „Chekko“ ein- und auschecken.

Dies scheint zu funktionieren, die Kunden verwenden die App, halten sich an die Regeln – und das ist Wendt wichtig. Das letzte, das er gebrauchen könne, wäre eine vierte Welle mit dem nächsten Kneipenverbot. „Die Zahlen sind so schön unten“, sagt er, „das zarte Pflänzchen dürfen wir jetzt nicht zertreten.“

Nicht nur sei es aus Sicht von Gastronomen einfacher, Apps zu benutzen. Die digitale Datenerfassung biete einen weiteren Vorteil: Mickey Mouse oder Donald Duck schauen kaum noch in den Gaststätten vorbei. „Jeder Gastronom kennt das Problem, dass Besucher falsche Kontaktnamen und -daten angeben“, erklärt Lars Martin von der Dehoga, fügt jedoch an, dass manche Gäste „Probleme mit den Apps“ hätten.

Kneipe in der Altstadt setzt auf „Luca“-App und Zettelwirtschaft

Bei der Friesenstube in der Gelsenkirchener Altstadt soll das nicht vorkommen. Kreativ müsse man dieser Tage als Wirt sein, meint Betreiber Ulf Timmermann. Seine Mitarbeiter helfen den Besuchern daher, wo es nur geht. Sie installieren die App „Luca“, für dessen Benutzung sich Timmermann entschieden hat, und richten das Programm für die Gäste ein.

„Das war am Anfang ein großer Aufwand“, sagt Timmermann. Viele Besucher hätten sich mittlerweile an die digitale Lösung, die für den Wirt „vieles einfacher macht“, gewöhnt. Allerdings: Nicht alle sind auf die App umgestiegen. Für rund 40 Prozent der Kundschaft muss Timmermann nach wie vor Papier und Stifte bereitlegen.