Gelsenkirchen-Ückendorf. Gelsenkirchener Callcenter hat sechs Beschäftigte fristlos gekündigt. Gericht rügt fehlende Kooperation der Firma, Verdi kritisiert Avedo scharf.
Ines Sejdija weiß nicht, wie sie über die Runden kommen und wie sie die Familie versorgen kann. „Wie soll ich Rechnungen bezahlen, einkaufen, wenn ich kein Geld mehr erhalte.“ Die 50-Jährige ist eine von sechs Kolleginnen und Kollegen, denen vom Callcenter Avedo zum 29. September fristlos gekündigt worden ist. Sie klagt vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung, die bis heute vom Arbeitgeber nicht begründet worden ist. (Lesen Sie auch:Gelsenkirchener Unternehmen kündigt schwangere Frau)
Auch während der Verhandlung kann Rechtsanwalt Strehle, der die Interessen von Avedo vertritt, keine Gründe anführen, die die 50-Jährige belasten. Er beruft sich darauf, dass die Klägerin einer Gruppe angehört habe, die den neuen Geschäftsführer Kai Hölterhoff diffamiert habe. Der hatte am 15. Oktober den bisherigen Chef Roman Zynga abgelöst.
Die meisten der gekündigten Mitarbeiter arbeiten seit einigen Jahren im Callcenter
Der Rechtsanwalt spricht konstant von einer Gruppe. Wer genau den Geschäftsführer als „Choleriker und Leuteschinder“ bezeichnet haben soll, kann er nicht definieren. Er beruft sich darauf, dass die Kündigungen noch von der alten Geschäftsführung ausgesprochen worden seien und man deshalb noch ermitteln müsse, wem die „diffamierenden Äußerungen“ zuzuordnen seien. Eine schwierige Sache, wie er erklärte. Die meisten der gekündigten Mitarbeiter arbeiten seit einigen Jahren im Callcenter. (Lesen Sie auch:Vocando setzt in Gelsenkirchen auf rasantes Wachstum)
Verdi: Gelsenkirchener Unternehmen will auf Zeit spielen und Kläger mürbe machen
Verdi-Rechtssekretär Stefan Lange-Scheffler wirft Avedo vor, auf Kosten der gekündigten Mitarbeiter auf Zeit zu spielen und die Kläger mürbe zu machen. Seit dem 4. Oktober lägen dem Unternehmen Schreiben vor, die die Kläger als Vorlage bei der Arbeitsverwaltung oder dem Jobcenter benötigten, um Leistungen beziehen zu können.
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Der Avedo-Anwalt bringt Abfindungen ins Spiel mit einem Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Eine Option, die für alle Gekündigten nicht infrage kommt. Sie wollen ihren Job zurück. Eine Rücknahme der Kündigungen schließt der Anwalt derzeit aus. Sollten sich die Vorwürfe nicht bestätigen, werde das Unternehmen die gekündigten Mitarbeiter weiter beschäftigen, erklärt er vor Gericht.
Richterin zeigt kein Verständnis für die fehlende Kooperation des Unternehmens
Richterin Renate Schreckling-Kreuz sieht wegen derzeitig fehlender Nachweise eines Fehlverhaltens einzelner Personen keine Kündigungsgründe. Kein Verständnis zeigt das Gericht auch für die fehlende Kooperation des Unternehmens mit der Arbeitsverwaltung. Leistungen können die Gekündigten erst dann beziehen, wenn die Verdienstbescheinigungen vom Arbeitgeber vorliegen.
Avedo-Anwalt bezeichnet Compliance-Beauftragten als Rädelsführer
Andreas Kossmann, dem als Compliance-Beauftragtem ebenfalls gekündigt worden ist, bezeichnet der Avedo-Anwalt als Rädelsführer im Zusammenhang mit verbalen Attacken auf den neuen Geschäftsführer. Der 49-Jährige, der ebenfalls auf Weiterbeschäftigung klagt, sieht einen engen Zusammenhang zwischen den zahlreichen Kündigungen und der Absicht der Mitarbeiter, einen Betriebsrat zu gründen. (Lesen Sie auch: Kündigungen gegen eine Gruppe, die einen Betriebsrat gründen will?)
Unternehmen muss schlüssig darlegen, warum es Mitarbeitende gekündigt hat
Gewissheit über ihr Vertragsverhältnis werden die Klagenden erst ab Ende Januar haben. Dann will das Gericht in mehreren Kammerterminen über die Berechtigung der Kündigungen entscheiden. Bis dahin muss auch Avedo schlüssig darlegen, warum sie Mitarbeiter auf die Straße geschickt hat. Bisher hat der Dienstleister nur die Kündigung gegenüber einer schwangeren Mitarbeiterin und die eines weiteren Klägers zurückgezogen.
Arbeitsgerichte wollen in drei Kammerterminen 2022 entscheiden
In drei Kammerterminen wollen Arbeitsgerichte am 28. Januar, 15. und 24. Februar über die Berechtigung der Kündigungen entscheiden. Die entlassenen Arbeitnehmer erhalten zurzeit kein Geld. Der Arbeitgeber hat der Arbeitsverwaltung noch keine Verdienstbescheinigungen geschickt, die für die Berechnung arbeits- und sozialrechtlicher Leistungen erforderlich sind.
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