Oberhausen. Eine Oberhausenerin infiziert sich mit dem britischen Coronavirus, meldet dies der Stadt. Kontaktverfolgung aber findet kaum statt, sagt sie.
Die Zahlen sind erschreckend: Durch Nachmeldungen lag Oberhausen vor Ostern tagelang über einer Corona-Inzidenz von über 170. „Bei Neuinfektionen sind in den letzten drei Wochen insbesondere Menschen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren betroffen.“ Darauf hatte Krisenstabsleiter Michael Jehn vor den Feiertagen hingewiesen. Claudia Schwedas wundert das nicht. Die Oberhausenerin macht sogar die Stadt selbst für diese negative Corona-Entwicklung mitverantwortlich: „Das Gesundheitsamt verfolgt die Kontakte Infizierter nicht gründlich genug nach.“ Die Stadt bestreitet dies energisch, räumt allerdings ein, aktuell sogar rund 1000 Fälle pro Tag bewältigen zu müssen. Sie will deshalb jetzt sogar noch mehr Kräfte im Gesundheitsamt einsetzen.
Claudia Schwedas ist kürzlich positiv auf die britische Mutante des Coronavirus getestet worden. „Das Gesundheitsamt Oberhausen setzte sich zwar schnell mit mir in Verbindung, wollte dann aber nur eine Liste meiner Kontakte der letzten 48 Stunden vor meinen ersten Symptomen.“ Das überraschte die 42-Jährige. „Ich hatte eine Nachverfolgung der letzten 14 Tage erwartet.“
Ausgerechnet an diesen beiden Tag war sie viel unterwegs
In ihrem Fall sei es aber ausschließlich um den 12. und 13. März 2021 gegangen. Ausgerechnet an diesen beiden Tagen habe sie viel unterwegs sein müssen: unter anderem im „Laminatdepot Duisburg“, im Möbelhaus Ostermann in Bottrop, bei Ikea in Essen und im Baumarkt Hornbach in Duisburg. „Ich habe dem Gesundheitsamt eine Mail geschrieben mit den genauen Uhrzeiten.“
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Die Reaktion darauf habe ihr allerdings die Sprache verschlagen: „Eine Mitarbeiterin teilte mir mit, dass sie davon ausgeht, dass ich eine Maske getragen und mich an die Hygieneregeln gehalten habe – man würde das nicht weiter verfolgen. Ich war daraufhin so perplex, dass ich darauf nicht einmal antworten konnte. Warum müssen wir dann überhaupt noch unsere Daten angeben, wenn wir in ein Geschäft wollen?“
Das sagt die Stadt dazu
Auf Nachfrage dieser Redaktion äußert sich Stadtsprecher Frank Helling zwar nicht zu dem konkreten Fall von Claudia Schwedas. Er betont allerdings, dass die Frage, welche Kontakte überhaupt relevant fürs Corona-Geschehen sind, sehr stark vom Einzelfall abhängt. „So kommt es auch auf die Größe eines Raumes an und darauf, wie dieser belüftet wird.“
Grundsätzlich halte sich das Gesundheitsamt an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), das für die Kontaktverfolgung keinen Zeitraum von 14 Tagen, sondern nur von zwei Tagen vor Symptombeginn vorsieht. Dabei werden von den Oberhausener Gesundheitsamtsmitarbeitern aber auf keinen Fall nur diejenigen Kontakte nachverfolgt, die ohne Maskenschutz erfolgten, sondern in der Regel alle, die theoretisch infiziert sein könnten. „Bei unserem Kontaktmanagement wird berücksichtigt, dass die britische Variante stärker ansteckend ist“, gibt der Stadtsprecher an. Deshalb bestehe das Gesundheitsamt auch darauf, dass in jedem Fall die volle Quarantänezeit eingehalten wird. „Eine Freitestungsmöglichkeit für Kontaktpersonen nach zehn Tagen, so wie früher, ist derzeit nicht möglich.“
Hochansteckend selbst bei einer flüchtigen Begegnung
Die zuerst in Großbritannien entdeckte, hoch ansteckende Corona-Variante B.1.1.7 breitet sich in Deutschland und auch in Oberhausen immer schneller aus. Sie hat inzwischen bundesweit nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) einen Anteil von rund 90 Prozent erreicht. Mitte Februar 2021 lag dieser Wert noch bei 22 Prozent.
Das RKI weist außerdem darauf hin, dass diese Variante nicht nur deutlich ansteckender ist, sondern auch schwerere Krankheitsverläufe verursacht. Es sei deshalb mit steigenden Covid-Fällen in den Kliniken zu rechnen. Genau diese Entwicklung trifft aktuell auf Oberhausen zu.
Zwar sank die Zahl der Neuinfizierten je 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen wieder auf 112,9 (Stand 7. April). Doch aufgrund der Feiertage werden erneut etliche Nachmeldungen erwartet. Schon jetzt steht fest: Die Zahl der Oberhausener, die mit einem schweren Verlauf im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist innerhalb eines Tages sprunghaft von 74 Patienten am 6. April auf 84 am 7. April gestiegen (plus 13,5 Prozent).
Besonders tückisch ist, dass bei der britischen Mutante bereits eine flüchtige Begegnung eine Ansteckung auslösen kann.
Die Stadt Oberhausen weist zusätzlich darauf hin, welche extreme Belastung die dritte Welle für die Bediensteten und Helfer im Gesundheitsamt darstellt. Seit Beginn der Pandemie habe das Amt in Oberhausen rund 25.000 Kontakte ermittelt. Die Zahl der Kontakte insgesamt, zum Beispiel durch die Betreuung von Oberhausenern in Quarantäne, geht nach Angaben des Stadtsprechers sogar in den sechsstelligen Bereich. Derzeit müssten zirka 1000 Fälle pro Tag bewältigt werden.
Auch aus diesem Grund wird die Stadt nach wie vor von der Bundeswehr unterstützt. „Die Zahl der eingesetzten Soldaten wurde sogar noch in dieser Woche kurzfristig erhöht“, sagt Helling. „Durch die Aufstockung des Personals sind wir noch in der Lage, diese Aufgaben zu bewältigen.“ Ab und an könne es allerdings zu zeitlichen Verzögerungen kommen – „von ein, zwei Tagen“, wie es offiziell in der schriftlichen Beantwortung der Fragen der Redaktion heißt.