San Francisco. Mit einer völlig neuen Version seines Kassenschlagers Windows will der Softwarekonzern Microsoft den weltweiten Computermarkt aufrollen. Dazu präsentiert der US-Konzern am Donnerstag seine Windows-8-Software. Ab Freitag soll das Betriebssystem dann weltweit verfügbar sein.
Microsoft-Chef Steve Ballmer ist zum Erfolg verdammt. Wenn das von Grund auf überholte neue Betriebssystem Windows 8 floppt, wird sich der Eindruck verstärken, dass der Konzern mit seinen Konkurrenten Apple, Google und Amazon nicht mithalten kann. Wenn Ballmer aber Erfolg hat, dann hat Microsoft gezeigt, dass der größte Softwarehersteller der Welt immer noch die Zukunft der Computerindustrie entscheidend beeinflussen kann. Am Donnerstag sollte Windows 8 vorgestellt werden.
"Das wird ein entscheidender Moment", sagte der Analyst Patrick Moorhead von Moor Insights & Strategy. Ballmers Vermächtnis werde danach bewertet, was er mit Windows 8 erreiche. "Wenn Windows 8 kein Erfolg ist, werden viele Menschen erwarten, dass Microsoft beim Vorstandsvorsitzenden Veränderungen vornimmt."
Windows 8 ist die erste Version des Computer-Betriebssystems, die vor allem auf die Steuerung durch Berührung ausgelegt ist. Zudem läuft Windows 8 als erste Software des Konzerns nicht mehr nur auf Computern mit Intel-Chips, sondern auch auf ARM-Prozessoren, wie sie bevorzugt in Smartphones und Tablet-Computern verbaut werden. Mit beiden Neuerungen will Microsoft vor allem den immensen Rückstand gegenüber Rivalen wie Apple und Google im Mobil-Segment aufholen.
Marketing-Kampagne von einer Milliarde Dollar
Ballmer betrachtet Windows 8 als Katalysator für eine neue Ära bei Microsoft. Das neue Betriebssystem soll sicherstellen, dass der Konzern eine wesentliche Rolle auf allen Bildschirmen im Leben der Menschen spielt: PCs, Smartphones, Tablets und Fernseher. "Wir versuchen, die Welt mit Windows 8 von Grund auf neu zu denken", sagte Ballmer der Zeitung "The Seattle Times".
Begleitet wird die Einführung des neuen Betriebssystems von einer Marketing-Kampagne im Umfang von geschätzt einer Milliarde Dollar - ein weiterer Hinweis darauf, wie wichtig Windows 8 für die Zukunft des Konzerns ist. Ballmer muss punkten, schließlich wurde er während seiner fast 13 Jahre als Vorstandschef ständig von Apple und Google ausgestochen. Während seiner Zeit an der Spitze von Microsoft verlor das Unternehmen fast die Hälfte seines Wertes, mehr als 200 Milliarden Dollar Aktienvermögen gingen verloren.
Der Verwaltungsrat hat bisher öffentlich keine Zweifel am Vorstandschef erkennen lassen. Ballmer ist mit einem Anteil von vier Prozent zweitgrößter Anteilseigner von Microsoft. Der Anteil hat einen Wert von etwa neun Milliarden Dollar. Nur seinem Freund und Vorgänger, Microsoft-Gründer Bill Gates, gehören mehr Anteile (5,5 Prozent).
Teure Fehlschläge
Seit Ballmer im Januar 2000 Gates nachfolgte, hat sich Microsofts jährlicher Umsatz auf 74 Milliarden Dollar fast vervierfacht. Mit der beliebten Xbox erschloss sich der Konzern den lukrativen Markt der Konsolen. Gleichzeitig reagierte Microsoft aber nur langsam auf technologische Veränderungen und leistete sich einige teure Fehler. Zu den bekanntesten gehören sicherlich der Versuch, dem iPod mit dem Zune Konkurrenz zu machen, und die milliardenteure Übernahme des Internet-Werbedienstes aQuantive.
Mit Windows 8 soll das anders werden. Aber die Frage bleibt, ob das System innovativ genug ist, um Konsumenten zu beeindrucken, die sich immer stärker für Smartphones und Tablets begeistern. Diese mobilen Geräte setzten neue Standards, während die Microsoft-Ingenieure in den vergangenen zwei Jahren das neue Betriebssystem entwickelten.
Microsoft 8 muss nun nicht nur die Veränderungen auf dem Computermarkt seit der Einführung von Windows 7 im Jahr 2009 widerspiegeln, sondern auch flexibel genug für künftige technologische Veränderungen sein. Eine neue Version wird der Konzern schließlich erst in zwei oder drei Jahren auf den Markt bringen.
Programm muss die Zukunft vorwegnehmen
"Es sieht nicht so aus, als würde Microsoft die Kunden mit Windows 8 in die Zukunft drängen", erklärte die Analystin Sarah Rotman Epps. Microsoft habe praktisch Kinderschuhe gekauft. "Die Schuhe passen heute vielleicht genau, aber in sechs Monaten werden sie wahrscheinlich nicht mehr passen."
Um seine Einnahmequellen muss Microsoft aber dennoch nicht so bald fürchten. Die früheren Windows-Versionen und andere Produkte wie Office sind in Unternehmen und Behörden so tief verwurzelt, dass sie beständige Umsätze garantieren. Diese Kunden sind ein Grund, warum Microsoft in laufenden Geschäftsjahr, das im nächsten Juni endet, wohl einen Gewinn von 25 Milliarden Dollar machen wird.
"Dies ist kein Unternehmen, das am Rande des Abgrundes steht, wie mache Leute das glauben machen wollen", sagte Finanzanalyst Colin Gillis. "Mit Windows 8 sehen wir klassisches Microsoft. Sie lassen den Markt führen und folgen dann." Die Investoren wollen jedoch mehr sehen. Sie fürchten, dass die PC-Industrie ihren Zenit überschritten hat.
Die Verschiebung hin zu Mobilgeräten hat den weltweiten Anteil von Microsoft am Gerätemarkt von 67 Prozent im Jahr 2008 auf heute 30 Prozent sinken lassen, wie der Analyst Frank Gillett von Forrester Research erklärte. Dank seiner Android-Software ist Google heute Marktführer mit 40 Prozent. Apple steht bei 20 Prozent.
Wichtigstes Produkt in der Karriere
Die Bedrohung durch die Konkurrenz hatte Ballmer zunächst nicht ernst genommen. Er hatte Google in seinen Anfangsjahren als Konzern mit nur einem Produkt bezeichnet und 2007 gesagt: "Es besteht keine Chance, dass das iPhone einen bedeutenden Marktanteil bekommt." Er lag bekanntlich mit beiden Aussagen falsch.
In New York wollte Ballmer am Donnerstag die Einführung des wichtigsten Produkts seiner Karriere feiern. Die Kundenreaktion auf Windows 8 entscheidet vielleicht darüber, ob das neue Betriebssystem den Beginn seiner Rehabilitation markiert oder sein Ende in Rampenlicht. (dapd)