Berlin. . Der weltweit führende Suchmaschinenanbieter Google versucht direkt oder indirekt Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen und unterhält dafür auch ein Büro in Berlin. Nur reden möchte der Internetkonzern darüber nur ungern.
Wenn sich möglichst viele Unternehmen, Medien und Einzelpersonen auf ein gemeinsames Feindbild festlegen müssten, käme schnell einer in die engere Auswahl: Google. Der Suchmaschinen-Riese beherrscht auch den deutschen Markt und erfasst für seine Mission, das Wissen der Welt zugänglich zu machen, noch viele andere Bereiche. Gleichzeitig setzt der Konzern im Hintergrund viel daran, dass sich ihm niemand in den Weg stellt und möglichst viele begeistert sind. Teil der Lösung ist Public Affairs, die mehr oder minder offene Lobbyarbeit – und das nach dem Heimatmarkt längst auch in Brüssel und Berlin.
In den USA gab der Konzern für den Kontakt zur Politik allein im Jahr 2011 mehr als zehn Millionen Euro aus – bei einem Jahresumsatz von zuletzt 29 Milliarden Euro. Allein drei Millionen Euro gab der Konzern für PR-Agenturen aus, die beraten und Kontakt herstellen. Im europäischen Lobby-Register weist der Konzern für das vergangene Jahr 600.000 bis 700.000 Euro aus. Den Angaben zufolge pflegen hier sieben Mitarbeiter von Google die politischen Kontakte in Brüssel.
Sieben Mitarbeiter im Berliner Lobby-Büro
In Deutschland fehlt bislang ein Transparenzregister. Daher fehlen fassbare Zahlen, wie Ralf Müller von der Initiative Lobbycontrol beklagt. Auch die Berliner Repräsentanz von Google beschäftigt laut Müller sieben Mitarbeiter. Das sei eine Größe, in der sich auch die Niederlassungen vergleichbarer Konkurrenten bewegen, etwa Microsoft. Sie alle versuchen, mit Abgeordneten ins Gespräch zu kommen und Gesetzesinitiativen möglichst in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Google verhält sich dabei nicht anders als andere große Spieler wie etwa Banken- oder Industrieverbände - scheut dabei aber bisweilen die Öffentlichkeit: Als die Nachrichtenagentur dapd zu diesem Thema recherchierte, kam kein offizielles Gespräch zustande. Stattdessen erklären Beobachter, wie sie Googles Aktivitäten einschätzen.
„Es ist klar, dass Google den Großteil der Arbeit selber macht“, sagt Ralf Müller, der die Szene seit Jahren kennt. Für den Lobbyismus-Spezialisten ist vor allem interessant, wer im Auftrag Googles arbeitet, etwa externe Firmen oder ehemalige Politiker als Berater. Darüber aber lässt sich nur wenig herausfinden: Google selbst äußert sich dazu nicht und listet Berlin noch nicht mal als eigenen Standort auf, anders als Hamburg und München. „Es ist aber auch nicht ungewöhnlich, dass die politischen Repräsentanzen nur in Spezialverzeichnissen aufgeführt werden“, sagt Beobachter Müller.
Deutschland ist für Google ein Schlüsselmarkt
Für den Vorsitzenden des Vereins Digitale Gesellschaft, Markus Beckedahl, gleicht Googles Vorgehen dem von Microsoft: „Sie verwenden eine ähnliche Strategie, bei bestimmten Themen haben sie eigene Lobbyisten an den Schaltstellen.“ Beckedahl vermutet, dass Deutschland für Google ein Schlüsselmarkt ist - nicht zuletzt wegen der großen Skepsis um den Datenschutz. „Google ist klar, dass sie von hier aus auch Europa knacken können“, sagt Beckedahl. Vor allem die Debatte über das Abfotografieren deutscher Häuserfassaden für den 360-Grad-Kartendienst „Streetview“ habe Google sensibilisiert.
Hierzulande noch ungewöhnlich ist Googles Ansatz, Initiativen ohne ein unmittelbares Interesse zu umgarnen. Der US-Konzern unterstützt etwa den Aufbau des Programms Adhocracy, das bei Mitbestimmung im Netz hilft. Auch „Collaboratory“ wird von Google finanziert, eine Plattform, bei der Experten aus allen Fächern über die Zukunft von Internet und Gesellschaft diskutieren können. Ihre Freiheit ist so groß, dass Abschlussberichte schon mal kritisch über Google urteilen.
4,5 Millionen Euro für deutsches „Google-Institut“
Auch bei der Finanzierung des Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin ist Googles Nutzen nicht auf den ersten Blick erkennbar. Das Unternehmen stellt 4,5 Millionen Euro zur Verfügung und ist auch ein Jahr nach der Präsentation noch der einzige Großfinanzier. Das Institut wird deshalb im Volksmund pragmatisch „Google-Institut“ genannt. Inzwischen erforscht es etwa soziale Netzwerke – sowohl wirtschaftlich und rechtlich als auch kulturell.
Mit Google Plus baut der Förderer selbst ein soziales Netzwerk auf. Alle Beteiligten beteuern jedoch, ein wissenschaftlicher Beirat sorge für die nötige Unabhängigkeit des Institut. Daran zweifeln auch Beobachter wie Beckedahl nicht. Für seine Begriffe geht es dem Konzern auch eher um indirekte Auswirkungen: „Alles, was ein offenes Internet fördert, ist auch im Sinne von Googles Geschäftsinteresse.“