Essen. 16 Leichtverletzte, 3 Verhaftete und 41 Ingewahrsamnahmen - so endete vor einem Jahr die erste Facebook-Party auf NRW-Boden. Nach der Aktion schlug die Polizei immer wieder Alarm. Jetzt kommt Düsseldorfs Monsterparty. Doch was ist wirklich dran am Party-Phänomen? Ein Rückblick.
Das Phänomen Facebook-Party lässt sich rasch abhaken: Statt erwarteter Dauerkrawalle durch bei Facebook angekündigte Feiern verzeichnen Polizeibehörden in ganz NRW ein ruhiges Jahr. Seit am 15. Juni 2011 die erste Party auf NRW-Boden in Wuppertal eskalierte, gibt es keine besonderen Einsatzmaßnahmen, keine gesonderte Polizeirecherche und keine Statistik. So könnte man die Jahresbilanz schon enden lassen.
Im Grunde ist eine via Facebook angekündigte Party eben eine Veranstaltung wie jede andere. So schätzt es Pressesprecherin Cornelia Weigandt für das NRW-Innenministerium ein, die verschiedenen Polizeisprecher der Städte schließen sich dem an. Trotzdem gibt es ein NRW-"Erfolgsrezept" der Polizei und der Stadtverwaltungen: Verbotsankündigung und große Präsenz der Ordnungskräfte beim Partytermin, zur Abschreckung. So konnte Nachahmer gestoppt werden, die die erste deutsche Riesen-Facebook-Party der jungen Hamburgerin Thessa überbieten wollten. Oder doch nicht?
Das Ziel: Thessas Party übertreffen
Versuche, mehr als 1500 Gäste wie bei der Geburtstagsparty der 16-jährigen Thessa aus Hamburg zu erreichen, gab es durchaus - erst im letzten Sommer in Wuppertal, Essen oder Aachen. Und nun flammt die Abifeier-Sommerphase wieder auf. Jüngst verbot die Stadt Essen eine für den 29. Juni angekündigte Facebook-Party auf der Brehminsel. Richtige Sorgen macht sich derzeit wohl aber die Stadt Düsseldorf. Für den 6. Juli wird auf Facebook eine "Monsterparty! Project Düsseldorf" an den Rheinwiesen beworben - zum Termin haben gut 14.000 Facebook-Nutzer zugesagt. Ganz so wie bei Thessa läuft die Partywelle in NRW aber nicht ab.
Denn die Hamburger Schülerin hatte im vergangenen Juni nur aus Versehen öffentlich eingeladen, eigentlich sollte es eine nette Feier mit Freunden werden. Am Ende machten sich aber hunderte Jugendliche einen Spaß daraus, einfach bei der Party aufzuschlagen - wie man sich auf diversen YouTube-Videos angucken kann.
Am Abend selber versperrten dann Polizisten mit Schäferhunden die Auffahrt zum Haus im Hamburger-Stadtteil Bramfeld. Zusätzlich hat Thessas Vater einen privaten Sicherheits- und Ordnungsdienst engagiert.
Bei Thessas Feier wollten 15.000 Gratulanten vorbeischauen
Übrigens hatten vorab 15.000 Menschen via Facebook erklärt, sie wollten an der Party teilnehmen. Ihnen hatte die herzliche Einladung Thessas einfach gefallen: "Ich feier' am 03.06. in meinen Geburtstag rein. Kommen kann, wer will, aber bitte vorher Bescheid sagen!", schrieb die Schülerin. Aber eben nicht nur an ihrer Freunde, sondern gleich für alle anderen Facebook-Nutzer sichtbar. Irgendwann gab es auf Youtube auch einen offiziellen "Thessas Geburtstag Song".
Am Ende drängelten sich dann laut Polizeiangaben zwischen 1200 bis 1400 Menschen rund um Thessas Vorgarten. Trotz der vielen Feiernden war es im Grunde ruhig. Auch wenn ein Aufschrei von Politik, Polizei und Medien nun vor dem neuen Partytrend warnte. Zur Eskalation kam es wenige Tage später bei der Wuppertaler "Ascheweg Night".
Bengalos brannten: Wuppertaler Party lief aus dem Ruder
Bis 2011 war die alljährlich stattfindende ‘Ascheweg Night’ ein Geheimtipp für Eingeweihte. Statt digital wurde noch von Mund zu Mund eingeladen. Doch kaum war die Partyeinladung auf Facebook eingestellt, tummelten sich am 15. Juni 2011 bei der ersten in NRW via Facebook organisierten Party gut 800 Leute.
Die Party sollte von 19.30 bis 4 Uhr stattfinden. Ganz friedlich im Wuppertaler Stadtteil Ronsdorf. Doch dann endete der Trubel bereits um 22 Uhr, mit Polizeieinsatz wegen abgefackelter Bengalos. 41 Jugendliche wurden im Laufe des Abends in Gewahrsam genommen und 16 Menschen leicht verletzt, so die Bilanz der Polizei am nächsten Morgen. Polizei und Stadt wussten schon seit Tagen von dem Aufruf, bei dem über 1600 Facebook-Nutzer ihr Kommen zugesagt hatten. Insgesamt waren es 100 Beamte.
Ruhige Ein-Jahresbilanz
Am Ende lautet die Jahresbilanz: 16 Verletzte, 41 Ingewahrsamnahmen, 3 Verhaftete sowie unzählige Partyverbote, Absperrgitter und Polizeipräsenz. Facebook-Partys sind demnach ein Einzel-Phänomen und keine Allzeit-Bedrohung für Sicherheit und Ordnung.
Mit Pfefferspray und Schlagstöcken ging die Polizei gegen Partygäste vor. Sie nahm zwischenzeitlich drei Personen fest, wegen Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wiederholt hat sich das Szenario seither in Wuppertal nicht und auch sonst nirgendwo in NRW. Seither läuft eigentlich stets dieselbe Routine von Seiten der Stadtverwaltung und der Polizei ab.
Bilanz strotzt vor Routine
Sicherlich hat just das Abschreckungsprogramm - Geldforderung und Präsenz vor Ort - zu dieser Entwicklung beigetragen. Als ein typischer Reflex, wenn das Stichwort "Facebook-Party" fällt. Aber es steckt auch eine gehörige Portion Überbewertung in der Thematik. 14.000 Zusagen bei der Düsseldorfer Monsterparty bedeuten was? Im Grunde wohl nur 14.000 Klicks und eben keine mit Erfahrung geschätzte Teilnehmerzahl. Dafür muss es an dem Tag noch nicht einmal regnen, damit die angekündigten Partygäste nicht erscheinen.
Polizeibilanz - Trend ist verpufft
Kein Wunder, dass die Polizeibehörden in NRW auch entsprechend unaufgeregte Bilanzen vermelden. Sei es in Wuppertal, wo nach der 800-Leute-Party keine Facebook-Party mehr für derartige Aufregung sorgte. "Es gab zwar noch einen Aufruf zu einer zweiten Party. Aber nach der Präsenz von Ordnungsamt und Polizei dort sind diese Partys in Wuppertal verpuffft", sagt Polizeisprecher Detlef Rüter.
Zur Party kam am Ende niemand. Nur die Beamten und Pressevertreter schauten sich die Straßensperrung genauer an.
Trend zur Facebook-Landparty?
Auch in Aachen gab es am Ende wohl mehr Absperrgitter als Feiernde. "Wir werden diese Veranstaltung untersagen, weil wir nicht dulden können, dass der Elisengarten verunstaltet wird», teilte wenige Tage nach aus dem Ruder gelaufenen Wuppertal-Party der Aachener Stadtsprecher Hans Poth mit. So wollte er die seit Pfingstmontag 2011 angekündigte Superparty im Park verhindern, zu der 1800 User kommen wollten. Schlussendlich kamen dann 300 sehr junge Teilnehmer. Doch Ordnungsamt und Polizei traten massiv und sichtbar auf, zwecks Abschreckung.
Eigentlich sind "Facebook-Partys" eine Seltenheit, auch in der größten Stadt NRWs, in Köln. "Mir ist für Köln so eine Party, wo jemand für eine private Feier öffentlich eingeladen hat, nicht bekannt. Meine These ist, dass sowas eher auf dem Land stattfindet", sagt der Kölner Polizeisprecher André Fassbender. Belege gibt es für Landparties aber nicht, zumindest nicht in NRW. Die These klappt erst, wenn man Bundesländern wie Bayern oder dem Saarland den "Land"-Stempel aufdrückt.
Nachahmer-Party in Wuppertal
"Damals hat sich der Jugendliche, der eingeladen hatte, seinem Vater offenbart. Eigentlich wollte der Junge wohl nur einen Spaß machen. Und der Vater meldete sich dann bei uns", erinnert sich der Wuppertaler Polizeisprecher Detlef Rüter an den zweiten Partyaufruf. Kein Wunder - denn mittlerweile standen hohe Regressforderungen im Raum. Diese hätte der Vater des Minderjährigen zahlen müssen.
Denn dort im tiefsten Bayern, haben aktuell 17.000 Leute ihr Kommen zum 14. Geburtstag von "Tamara" angekündigt. Im letzten Sommer stellte eine Party im Saarland einen neuen Negativrekord auf - mit 69 Verletzten nach einer Party mit gut 2000 Feiernden. Und auch die gut besucht Facebook-Party im Zuge des CDU-Onlinewerbefeldzug, zu der Horst Seehofer lud, könnte man darunter fassen.
Nix los in Duisburg, Dortmund, Essen ...
Bleibt man aber in den Ruhrstädten, ist die Aktenlage fast Null. Polizeipressesprecher Kim Freigang ist das Problem "Facebook-Party" "Für Dortmund so gar nicht bekannt."
Er geht schon davon aus, dass es die eine oder andere Party gab. Freigang geht davon aus, dass nach der breiten Berichterstattung im Sommer 2011 in Lokalzeitungen oder Fernsehen die Facebook-User ihr Häkchen, wer eingeladen werden soll, einfach "sensibler" setzen. "Und dann laden die eben nur ihren Freundeskreis zu Geburtstagsfeier ein", sagt Freigang. Duisburger Ordnung und Sicherheit waren durch Facebook-Partys ebenfalls nicht bedroht, da ist sich Polizeipressesprecher Stefan Hausch sicher: "Es gibt keinen Grund zur Sorge. Es gab keine Schwierigkeiten im vergangenen Jahr."
In Mülheim und Essen reicht Polizeipräsenz
"Was Großes haben wir in Essen und Mülheim nicht gehabt. Aber bei einer Mülheimer Abifeier vor gut vier Monaten wurde auch via Facebook eingeladen, dann waren dort auf einmal ein paar hundert Leute", erinnert sich Polizeisprecher Peter Elke, "Das ging aber ganz ohne Verwarnung und Ingewahrsamnahmen zu Ende. Es reicht vollkommen, dass die Polizei sichtbar war. Trotz der Bierlaune kamen da alle auf den Boden der Tatsachen zurück und wollten keinerlei Konfrontation mit uns suchen."
Eine Auge auf Duisburger Facebook-Nutzer habe man nicht. Hausch geht fest davon aus, dass die Polizei eben frühezeitig davon erfährt, wenn eine Großparty geplant wäre. "Wir 'scannen' eben nicht einfach ohne Anlass das Internet, das wäre ein Riesenaufwand. Dafür ist im Arbeitsalltag auch gar keine Kapazität", sagt Hausch.
Polizei scannt das Netz nicht
Zur Debatte steht diese Aufgabenerweiterung für die Polizei seit Monate durchaus, doch noch hat die NRW-Landesregierung kein klares Votum abgegeben. Bis dahin bleibt es beim Alltag in den Städten - die Rheinwiesenfeier mal ausgeklammert. Denn bisher reicht auch mal ein kurzer Anruf des Nachbarn, der sich über Ruhestörung beklagt.