Essen. . Drei Wochen Urlaub? Viel Arbeit? Wenig Zeit? Wer nicht ständig online sein kann, dessen Facebook-Profil kann schnell veröden. Eine Hamburger Werbeagentur bietet jetzt einen ganz besonderen Service an: Socialsitter kümmern sich um fremde Profile, posten Kommentare und setzen Like-Buttons, wenn der Profilinhaber keine Zeit dazu hat. Eine Schwachsinnsidee - oder doch ein großer Werbegag?
Das Telefon der Hamburger Werbeagentur Kolle Rebbe steht nicht still. Seit sie ihr Projekt "Socialsitter" gestartet haben, wollen alle mehr wissen über diese schräge Idee. Auf Facebook können User die Socialsitter-App aktivieren - und sich so ihren ganz persönlichen Profil-Sitter aussuchen. Der postet Statusmeldungen, drückt Like-Buttons oder schießt lustige Youtube-Videos in die Weiten des Internets. Ein Pfleger für das eigene Facebook-Profil - was auf den ersten Blick klingt wie ein kranker Auswuchs der digitalen Gesellschaft, ist in Wirklichkeit ein großer Spaß. Wer sich die Seite https://socialsitter.net/app/ etwas genauer anschaut, der merkt schnell: So richtig ernst kann das nicht gemeint sein.
Allein die kleinen Portraits der insgesamt fünf Socialsitter können nur Satire sein. Hier sind alle Stereotypen vertreten. Da ist die biedere Hausfrau Renate, die seit kurzem weiß, was skypen ist, die Kosmetikerin und Party-Maus Jenny, die sich für ihr Video "extra schön" gemacht hat und der Computer-Nerd Dustin, Systemadministrator mit dicken Brillengläsern. Wem jetzt noch nicht klar ist, dass Socialsitter ein einziger Werbegag ist, der braucht nur die kurzen Clips von Studentin Kim und Fitness-Coach Tom zu sehen. Kim studiert im 14. Semester Soziologie, engagiert sich politisch und trägt zum sportlichen Schlabberlook nur einen Ohrring. Tom ist ein ehemaliger Dachdecker, der in seiner Freizeit am liebsten seine Muskeln aufpumpt und "Frauen abcheckt". Zu seiner Liste an Facebook-Posts, die man sich vorab ansehen kann, gehört der Youtube-Clip von Kult-Chauvi "Voll Asi Toni".
Socialsitter sind Schauspieler
"Wir haben ganz bewusst diese Stereotypen ausgesucht", verrät Henning Stamm von der Werbeagentur Kolle Rebbel. Er macht keinen Hehl daraus, dass es sich bei Socialsitter um einen PR-Gag handelt. "Die Socialsitter auf unserer Homepage sind Schauspieler", bekennt Stamm. Umso mehr amüsiert man sich bei Kolle Rebbel über entsetzte Medienberichte und bitterböse Kommentare auf Facebook, deren Verfasser in Socialsitter den endgültigen Untergang des Abendlands sehen.
Viele Anfragen für einen professionellen Profil-Betreuer gehen bei der Agentur allerdings nicht ein. "Zu Beginn des Projektes im September 2011 hatten wir rund 300, vielleicht sogar 400 Anfragen. Mittlerweile nutzen etwa 50 Leute unsere programmierte App." Denn die Pinnwand-Einträge sind nicht etwa personalisiert und händisch eingetragen, sondern werden automatisch über ein Programm erstellt. Deswegen gab es auch Probleme mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Facebook: Ein Programm darf auf Facebook-Profilen nichts posten, womit die App-Abonnenten nicht einverstanden sind. "Deswegen bekommen unsere User jetzt eine Liste mit möglichen Posts, zu denen sie ihr Einverständnis abgeben müssen", erklärt Henning Stamm.
Viele wollen Socialsitter sein
Einmal ein Facebook-Profil-Sitter sein: Davon träumen offenbar viele Leute. "Wir bekommen deutlich mehr Anfragen von Leuten, die gern Socialsitter werden möchten, als von solchen, die unser Angebot nutzen wollen. Häufig sind das Leute, die beispielsweise ihren Job im Callcenter verloren haben und deshalb einen neue Stelle suchen. Natürlich sagen wir den Leuten dann, dass es sich bei Socialsitter um ein Experiment handelt und dass wir Ihnen keine Jobs anbieten können", betont Stamm.
Aus reinem Spaß hat die Agentur ihr irrwitziges Projekt aber nicht an den Start geschickt: "Wir lernen viel über das Netzverhalten von Facebook-Nutzern und überlegen uns, wie wir unser Angebot aufbessern müssten, wenn wir Geld für die Anwendung verlangen wollen." Noch ist das nicht ganz ernst gemeinte Angebot kostenlos. Eine kostenpflichtige App sei allerdings auch langfristig nicht geplant.