Immer mehr Senioren entdecken das Internet für sich. „Silver Surfer” nennen Wissenschaftler die Nutzer. Im Duisburger PC-Club „Spätlese” lernen die Älteren das Handwerk und treffen sich zu virtuellen Spaziergängen.
Klar könnte man diesen Text mit einem alten Witz über Katzen und Mäuse anfangen – doch die Senioren des PC-Stammtisches „Spätlese” wissen längst, dass es sich bei Mäusen nicht nur um lästige Nager handelt. Den Oldies, die regelmäßig das Internetcafé im Begegnungs- und Beratungszentrum des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Duisburg-Neuenkamp besuchen, macht niemand so leicht ein X für ein @ vor. Einmal im Monat treffen sie sich zum Fachsimpeln und gemeinsamen Spaziergang durch das Web.
„Silver Surfer” werden die Internetnutzer über 50 Jahren genannt. Sie werden als Zielgruppe für Werber und Wissenschaftler immer interessanter. Die Onlinestudie 2007 von ARD und ZDF fand etwa heraus, dass erstmals mehr über 60-Jährige als unter 20-Jährige im World-Wide-Web surfen. Die Zahl der Nutzer insgesamt stieg auf über 40 Millionen. Zuwachsraten verzeichneten die Experten vor allem in der Gruppe der Frauen und der Älteren – Personen also, die bis vor wenigen Jahren den neuen Medien noch kritisch gegenüber standen.
Volkshochschulen und Seniorenzentren haben sich auf die neue Situation eingestellt. Seit 2001 können die Besucher der Begegnungs- und Beratungsstätte nicht nur Kurse zur Online-Nutzung belegen, sondern bekommen auch Office- und Bildbearbeitungsprogramme erklärt.
„Oft ist es so, dass die Enkel ihren Großeltern einen PC schenken, damit sie ihnen mal eine E-Mail schreiben können – und dann beschäftigen sie sich mit der Technik”, erklärt Horst-Dieter Gärtner. Der 71-Jährige ist Fachmann in Sachen Computer. Als er noch berufstätig war, kümmerte er sich als Techniker um Großrechner. Später beschäftigte er sich dann mit der kleineren Variante. Vor dem PC sitzt der Rentner immer, wenn er Zeit hat – also nicht so oft. Wenn er nicht gerade seine Altersgenossen schult, ist er in der Siedlergemeinschaft aktiv oder unternimmt etwas mit seinen Enkeln. „Außerdem will meine Partnerin ja auch noch was von mir haben.”
Ursprünglich sollte der PC-Stammtisch Senioren, die alleine und nicht mehr so mobil sind, die virtuelle Welt näherbringen. Zu Besuch kommen jedoch vor allem die Rüstigen und Aktiven. Dabei biete das Internet viele Vorteile. „Immer mehr Einzelhändler bieten Online-Bestellungen an. Die Waren werden direkt nach Hause geliefert. Oder Sie können mit Gleichaltrigen chatten, so wie die Jüngeren auch”, erzählt Monika Isensee, Leiterin der Senioren-Tagesstätte. Forscher haben demnach herausgefunden, dass vor allem Frauen gerne schwere Lebensmittel, wie Getränke, ordern.
Zwischen 60 und 80 Jahren sind die Duisburger Teilnehmer alt und müssten vor allem am Anfang viel lernen, sagt Isensee. Nicht nur Technisches, auch ganz einfache Dinge: Einige können die Maus nicht mehr so gut halten, weil sie Arthrose in der Hand haben. Oder sie müssen Koordination lernen, etwa, wie man die Maus führt, damit der Cursor an die richtige Stelle kommt. Dazu die ganzen Tastenkombinationen.
Grundsätzlich sei die Angst, im Internet etwas über sich preiszugeben, größer als bei Jüngeren. „Da gibt es abstruse Vorstellungen, etwa, dass jemand mitliest, wenn ich surfe”, weiß Horst-Dieter Gärtner. Auch müsse er erst Überzeugungsarbeit leisten, sich eine E-Mail-Adresse mit dem echten Namen zuzulegen.
Internetportale wie „www.feierabend.de” und „www.mit-66-jahren.de haben sich auf die älteren Nutzer spezialisiert. Über Buttons lässt sich die Schrift größer und kleiner stellen (was bei vielen Webseiten auch klappt, wenn man die Strg-Taste gedrückt hält und das Rädchen der Maus bewegt). „Wir haben allerdings festgestellt, dass viele sich lieber woanders umschauen, etwa direkt in Datenbanken für Kochrezepte oder nach Reisen für Ältere suchen”, sagt Monika Isensee.
Wann Horst-Dieter Gärtner vom Online-Virus befallen wurde, weiß er nicht mehr. Ein genaues Datum fällt ihm nicht mehr ein. „Schreiben Sie doch einfach, dass ich seit dem letzten Jahrhundert surfe.”