Essen. Im Videospiel „Gerda – A Flame In Winter“ geht es zurück ins Dritte Reich. Einer junge Frau muss weitreichende Entscheidungen treffen.

Ein kleines nettes Haus im ländlichen Süden Dänemarks, ein Garten mit Hühnerstall, dessen Bewohnerinnen und Bewohner fröhlich vor sich hingackern und ein frisch vermähltes Pärchen: Die Ausgangssituation in „Gerda – A Flame In Winter“ klingt in der Theorie zunächst idyllisch. Die Realität ist allerdings eine grausame: Das dänische Entwicklerstudio PortaPlay setzt das Szenario nämlich im Februar 1945 an. Noch immer tobt der Zweite Weltkrieg, das Dorf Tinglev in der Region Sønderjylland ist längst vom NS-Regime besetzt worden, das die dort lebenden Einheimischen unterdrückt.

Nach fast fünf Jahren hat sich Hauptprotagonistin Gerda, beruflich als Arzthelferin tätig, an das Leben im Krieg gewöhnt. Als Tochter einer Dänin und eines Deutschen stehen ihr Möglichkeiten offen, die Bürgerinnen und Bürgern mit nur einer Staatsbürgerschaft verschlossen bleiben. Und die Option, sowohl gegenüber dänischen Einheimischen wie auch den NS-Schergen bestimmte Fäden ziehen zu können, wird im Spiel schnell nützlich.

Gerda: Junge Deutsch-Dänin unter Nazis

Denn plötzlich wird eine für die Nazis wichtige Arbeiterfabrik gesprengt. Verdächtigt werden – wie sollte es auch anders sein – dänische Widerstandskämpfer. So kommt Gerda von einem Marktbesuch nach Hause und findet ihren Mann stark blutend im Schlafzimmer neben zwei Gestapo-Beamten. Ihr geliebter Anders stehe unter Verdacht, an der Sprengung beteiligt gewesen zu sein, wird bis auf Weiteres in Untersuchungshaft genommen und in dieser regelmäßig gefoltert.

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Das Ganze passiert nach etwa einer Stunde Spielzeit. Dann nimmt „Gerda – A Flame In Winter“ so richtig Schwung auf. Gerda versucht alles, um ihren geliebten Ehemann zu befreien, muss aber gleichzeitig taktisch und zwischenmenschlich klug vorgehen. Das Spiel funktioniert als sogenanntes Point&Click-Adventure, bedeutet: Voran kommt nur, wer die Areale aufmerksam erkundet, Informationen und nützliche Gegenstände sammelt sowie in Gesprächen und Verhören mit Dänen wie Deutschen, Widerstandskämpfern wie Nazis die „richtigen“ Antworten gibt. Wichtig dabei: Eine gewisse Balance muss – manchmal auch mit Notlügen – gehalten werden, um weder die eine noch die andere Seite zu erzürnen.

Jeder Dialog hat Folgen

Nach jeder Szene schreibt Gerda einen Tagebucheintrag, in dem Spielerinnen und Spieler aus drei verschiedenen Absätzen wählen können. Je nach Auswahl erhält die Spielfigur einen Kreditpunkt in der Kategorie Auffassungsgabe, Mitgefühl oder Scharfsinn. Diese Punkte nutzt Gerda wiederum in weiteren Gesprächen, um ihr Gegenüber zu überzeugen. Denn manche Dialogoptionen stehen erst ab einer bestimmten Punktzahl zur Verfügung. In einigen Unterhaltungen entscheidet aber auch Würfelglück über den Fortgang der Handlung.

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Mit zunehmender Dauer lernt Gerda immer mehr Figuren kennen. Ob ihr Vater, der nach langem Zögern doch der NSDAP beitrat, verschiedene Wehrmachtssoldaten oder die Chefin der dänischen Widerstandsgruppe: Alle Charaktere erhielten vom Entwicklerteam ein eigenes Profil mit verschiedenen Eigenschaften, mit denen Gerda in den jeweiligen Gesprächen umzugehen wissen muss.

Hoher Wiederspielwert durch Optionenvielfalt

Die verschiedenen Antwortmöglichkeiten und die damit einhergehenden Handlungsverläufe sorgen für enormen Wiederspielwert. Wer das Game bis ins Detail kennenlernen will, sollte drei bis vier Durchgänge starten. Nach vier bis fünf Stunden flattert im Normalfall der Abspann über den Bildschirm, was für ein Spiel im Niedrigpreis-Segment auch in Ordnung ist. In diesem Zeitraum fesselt „Gerda – A Flame In Winter“ allerdings an Konsole respektive PC, die Story ist hochspannend geschrieben.

Gerda muss etwas tun – nur was? Diese Entscheidung obliegt dem Spieler. Keine Bange: Das Game ist auch auf deutsch spielbar.
Gerda muss etwas tun – nur was? Diese Entscheidung obliegt dem Spieler. Keine Bange: Das Game ist auch auf deutsch spielbar. © Verlag | Verlag

Weitere Punkte sammelt „Gerda – A Flame In Winter“ durch seine authentischen Schauplätze. Tatsächlich sind unter anderem Kirche und Hauptbahnhof im Spiel ihren echten Vorbildern in der dänischen Ortschaft nachempfunden. Da kann man auch verschmerzen, dass die Figuren optisch eher an die grobe Klötzchen-Grafik von PlayStation-Spielen der späten 90er-Jahre erinnern.

„Gerda – A Flame In Winter“ von PortaPlay ist für Nintendo Switch und PC (via Steam) erschienen und zum Preis von ca. 20 € erhältlich. Das Spiel ist ab zwölf Jahren freigegeben.