Berlin. . Der Bahnstreik macht erfinderisch. Auf Twitter haben Nutzer das Stichwort #Twitfahrzentrale kreiert, um kurzfristig Fahrgemeinschaften zu vermitteln. Doch im Netz finden sich auch Adressen, die Bahnpendler ganz von der Schiene abbringen könnten

Manche twittern ganz konkret, wie Nutzerin @apreussler: "Ich könnte am Sonntag mittag jemanden von Hagen, Hamm, Bielefeld nach Hannover mitnehmen". Andere nutzen die jüngste Aktion auf dem Nachrichten-Netzwerk Twitter für einen Gag: "Ich fahre in einer Stunde mit einer Flasche Korn von Narnia aus ins Auenland. Hab noch drei freie Plätze": Der Bahnstreik macht erfinderisch - Twitter-Nutzer zum Beispiel haben zur #Twitfahrzentrale aufgerufen.

Ab diesem Donnerstag, 2 Uhr früh, hat die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) zum Streik bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Bis Montag, 4 Uhr Früh, soll der Streik dauern - der bisher längste in der Geschichte der privatisierten Deutschen Bahn. Die Bahn hat einen Notfahrplan ausgestellt, im Regionalverkehr in NRW sollen 40 Prozent der Züge trotz des Streiks fahren. Im Fernverkehr sollen es ein Drittel sein.

Mitfahrvermittler ruft zum Mobilitäts-Marathon auf

Viele Reisende steigen unterdessen auf Fernbusse um. Auch Autovermieter melden eine große Nachfrage nach Mietwagen. Und bei Mitfahrgelegenheit.de, die nach eigenen Angaben im Monat rund 1,4 Millionen Mitfahrten bundesweit organisieren, könnten vor allem am kommenden Wochenende "einige Städteverbindungen vollständig ausgebucht sein".

„Viele Autofahrer zeigen sich solidarisch und bieten freie Plätze in ihrem Wagen für Leute an, die in die gleiche Richtung wollen“, sagt Mitfahrgelegenheit-Sprecher Simon Baumann. Sein Portal vermittle Touren ab 100 Kilometern Distanz. In punkto Kosten seien fünf bis sieben Euro pro hundert Kilometer üblich, sagt Baumann.

Beim Mitfahrgelegenheit-Vermittler BlaBlaCar ruft man angesichts des 98-Stunden-Streiks der GDL zum "Mobilitäts-Marathon" auf: "Lasst uns jeden freien Platz in Deutschlands Autos finden und zu einer Fahrgemeinschaft machen!" Wer es will, kann sich kostenlos anmelden und findet das Angebot auch per Smartphone-App.

#Twitfahrzentrale tauchte erstmals Mitte Oktober auf

Dass auch Twitter als Vermittlungsbörse mitmischt, war Idee eines Nutzers. Erstmals tauchte das Stichwort #Twitfahrzentrale bereits beim Bahnstreik Mitte Oktober auf. In der Netzgemeinde verbreitet sich der Begriff jedoch erst jetzt, nachdem die GDL zum 'XXL-Streik' aufgerufen hat.

Wieviele Fahrten über die #Twitfahrzentrale auf Twitter tatsächlich zustande kommen - manche Twitterer sind skeptisch, ob die Idee tatsächlich in der Praxis funktioniert: "Macht es nicht deutlich mehr Sinn sowas wie http://pendlerportal.de/ zu nutzen? Auf Twitter ist das doch n einziges Chaos", kommentiert zum Beispiel ein Nutzer. Die Statistik zeigt zudem, dass das Interesse an der #Twitfahrzentrale bereits am Donnerstag - dem ersten Streiktag - wieder sank.

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Ohnehin finden sich online verschiedene andere Quellen, um Fahrgemeinschaften zu organisieren. Als eigene App gibt es etwa „Flinc“. Das „Mitfahrnetz für flexible Mobilität“ ist seit 2011 am Start und vermittelt mittlerweile nach eigenen Angaben mehr als 650.000 Fahrten und Mitfahrten über die Flinc-Plattform. Zudem kooperiert Flinc mit Carsharing-Anbietern und hat sich, anders als Mitfahrzentralen, auch auf Nah-Pendler ausgerichtet und auf kurzfristige Mitfahrten. Kommerzielle Mitfahrzentralen vermitteln in der Regel erst ab einer Mindest-Distanz.

Pendlerportal hat in NRW 30 Fahrgemeinschaften vermittelt

Auch auf dem "Pendlerportal" können Fahrgemeinschaften zueinander finden. Der Fokus liegt dort jedoch auf längerfristigen Gemeinschaften. Hervorgegangen ist es aus dem Forschungsprojekt Mitpendler.de, das 2009 erstmals vorgestellt wurde. Getragen von, nach eigenen Angaben, bundesweit mehr als 250 Landkreisen und Gemeinden ist daraus die Webadresse Pendlerportal.de entstanden, die auch auf Facebook zu finden ist.

Die Nachfrage hält sich noch in Grenzen, was wohl generelle für Fahrgemeinschaften gilt: Aktuell finden sich dort für NRW 350 Angebote für Pendler, die an Auto-Fahrgemeinschaften interessiert sind. Nach Auskunft beim Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR), einer der Träger des Projektes, das vom niedersächsischen Lüneburg aus technisch betreut wird, seien seit diesem Februar über das Pendlerportal 30 Fahrgemeinschaften in NRW erfolgreich vermittelt worden. Zum Vergleich: alleine der VRR zählt aktuell 1,4 Millionen Abokunden von Zeitfahrkarten.

Eine weitere Adresse auf der Suche nach Auto-Fahrgemeinschaften oder Mitfahrern ist das Pendlernetz. Unter dem Motto „Gemeinsam fahren und sparen“ ist auch das Pendlernetz eine reine „Kommunikationsbasis“ für Nutzer – die offenbar nur wenig bekannt ist. Angebot sind zum Teil nicht mehr aktuell. Nutzer geben dort konkrete Relationen an, für die sie eine Mitfahrgelegenheiten suchen.

Verbraucherzentrale wirbt um Berufspendler

Während die #Twitfahrzentrale vor allem spontante Mitfahrgelegenheit vermitteln will, wirbt die Verbraucherzentrale NRW, die auf das Pendlernetz verlinkt, vor allem bei Berufspendlern für die Idee: „Vor allem für Berufspendler zahlt sich nicht nur der Umstieg auf klassische öffentliche Verkehrsmittel, sondern auch auf Fahrgemeinschaften aus. Neben dem Geldbeutel profitiert dabei die Umwelt, da Autos effizienter genutzt werden und sich die Zahl der PKW im Straßenverkehr reduziert.“

Wer sich für die Idee erwärmt, sollte aber auch das meist lästige 'Kleingedruckte' berücksichtigen, mahnt die Verbraucherzentrale: Wer haftet für Schäden durch einen Unfall? Wie lassen sich die Kosten in der Gruppe aufteilen? Und was sagt das Finanzamt zum Thema Fahrgemeinschaften. Infos der Verbraucherzentrale finden sich hier. (dae/WE)