Berlin. Weltpankreastag: 16.000 Deutsche erhalten pro Jahr die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Chance auf Heilung ist immer noch gering.

Lautet die Diagnose Krebs, ist das für Patienten und Angehörige ein Schock. Handelt es sich dann auch noch um einen Bauchspeicheldrüsentumor – in der Fachsprache P ankreaskarzinom genannt – ist die Herausforderung mit dieser lebensbedrohenden Krankheit umzugehen besonders hoch. Um auf diese Krankheit aufmerksam zu machen, ist der 21. November 2019 der Welt-Pankreaskrebstag. Denn anders als bei einigen anderen Krebserkrankungen ist hier die Chance auf Heilung bei dieser Krebsart noch immer sehr gering.

„Ein Pankreaskarzinom wird häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, da die Bauchspeicheldrüse hinter dem Magen liegt und deshalb für diagnostische Verfahren schwer zugänglich ist“, erklärt Pankreas-Spezialistin Julia Mayerle. „Zusätzlich sind die Symptome häufig sehr unspezifisch und werden erst spät vom Patienten wahrgenommen.“ Die Direktorin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Klinikums der Universität München sitzt im Beirat der DGVS, der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist als todbringende Krebserkrankung gefürchtet

Per se ist Bauchspeicheldüsenkrebs kein häufiger Tumor. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, gehe man aktuell von etwa 14 pro 100.000 Personen aus, so Mayerle. Nichts desto trotz sei das Pankreaskarzinom als todbringende Krebserkrankung in den Köpfen der Bevölkerung fest verankert.

In Deutschland erkranken laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung pro Jahr etwa 16.000 Menschen. Zum Vergleich: Bei Darmkrebs sind es etwa 65.000. Männer und Frauen sind rein statistisch ungefähr gleich häufig betroffen. „Das Pankreaskarzinom nimmt mit dem Alter zu und Gott sei Dank gibt es nur wenige Fälle, in denen Patienten vor dem vierzigsten Lebensjahr erkranken“, so Mayerle.

Das Pankreas ist 70 Gramm schwer und etwas länger als ein Geodreieck

Die Bauchspeicheldrüse ist etwa 70 Gramm schwer und liegt in der hinteren Bauchhöhle zwischen dem Magen und der Wirbelsäule. Sie hat zwei lebenswichtige Funktionen und ist ständig aktiv: Zum einen produziert die Bauchspeicheldrüse die Verdauungssäfte, ohne die der menschliche Körper die Nahrung nicht zerkleinern und aufspalten könnte. Zum anderen bildet das Pankreas die Hormone Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren.

Das Pankreas ist etwas länger als Geodreieck – 15 bis 20 cm – und wird in drei Bereiche unterteilt: den K opf, den Körper und den Schwanz. „Symptome treten in Abhängigkeit der Lokalisation des Tumors in der Bauchspeicheldrüse auf.

Was sind die ersten Anzeichen und Symptome bei Bauchspeicheldrüsenkrebs?

Wächst der Tumor im Kopf der Bauchspeicheldrüse, dann kann auch ein kleiner Tumor, der noch nicht gestreut hat, die Gallenwege verlegen und zu einer Gelbsucht führen“, beschreibt Mayerle die Besonderheiten des Bauchspeicheldrüsenkrebses. „Und eine Diagnose in einem Stadium, in dem der Tumor noch nicht gestreut hat, ist für den Patienten vorteilhaft.“

Liegt der Tumor in anderen Bereichen, seien die Symptome sehr unspezifisch. „Manchmal ist es ein plötzlicher Gewichtsverlust ohne, dass die Ernährung umgestellt wurde. Bei anderen tritt neu ein Diabetes auf oder der Patient leidet unter g ürtelförmigen Oberbauchschmerzen“, so Mayerle. Auch ein dumpfer Rückenschmerz könne ein Zeichen für ein Pankreaskarzinom sein. „Dieser Schmerz projiziert sich dann aber nicht in der Lendenwirbelsäule, der häufigsten Lokalisation für Rückenschmerzen, sondern weiter oben im Bereich der Brustwirbelsäule.“

Es gibt keine zuverlässige Früherkennungsuntersuchung und kein Screening

Bislang gibt es keine zuverlässige Früherkennungsuntersuchung oder gar ein Screening auf Bauchspeicheldrüsenkrebs. Nach Informationen des Krebsinformationsdienstes wären alle infrage kommenden Untersuchungen für Menschen ohne gesundheitliche Probleme zu aufwändig und belastend oder nicht genau genug. Das heißt, das Risiko für Fehldiagnosen ist zu hoch. Noch dazu gebe es bisher keine Hinweise darauf, dass eine Früherkennungsuntersuchung die durchschnittliche Lebenserwartung Betroffener steigern würde.

Selbst wenn es eine familiären Häufung für ein Pankreaskarzinom gibt, Menschen also in einer Familie aufgewachsen sind, in der mindestens zwei Verwandte ersten Grades wie Eltern, Kinder oder Geschwister an einem Pankreaskarzinom erkrankt sind, ist das absolute Risiko immer noch relativ gering. Deshalb gibt es bis heute keine empfohlene Überwachungsstrategie.

Risiko bei Patienten mit erblicher Bauchspeicheldrüsenentzündung

Der Krebsinformationsdienst empfiehlt jedoch, sich in solch einem Fall in einem spezialisierten Zentrum beraten zu lassen. Mayerle ergänzt, dass Patienten mit einer familiären Häufung im Rahmen einer Registerstudie an der Universität Marburg betreut werden.

Patienten mit einer erblichen Form der Bauchspeicheldrüsenentzündung (hereditäre Pankreatitis) rät Mayerle, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. „Von Ihnen weiß man, dass sie bis zum 75. Lebensjahr ein Risiko von 40 Prozent haben, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken.“

Viele Daten sind noch sehr jung, eine große US-Studie läuft noch

Auch bei Patienten, die ab einem Alter von 50 Jahren neu an Diabetes erkranken und kein Übergewicht haben, sei der Ausschluss eines Pankreaskarzinoms eine sinnvolle Maßnahme. „Diese Personen haben ungefähr ein Risiko von einem Prozent, im ersten Jahr nach Diagnosestellung ihres Diabetes an einem Pankreaskarzinom zu erkranken“, erklärt Mayerle.

Diese Daten seien noch sehr jung. Derzeit gebe es eine große amerikanische Studie, die 30.000 Patienten rekrutiert, um diese Erkenntnis noch einmal zu verifizieren. Mayerle geht aber davon aus, das den Patienten in den neuen Leitlinien zum Pankreaskarzinom zur Früherkennungsuntersuchung geraten werden wird. Dies geschieht zum Beispiel mit bildgebenden Verfahren wie CT oder durch Untersuchungen im Blut.

Was diese Krebserkrankung hervorruft, ist noch unbekannt

Warum es überhaupt zu Bauchspeicheldrüsenkrebs kommt, ist nahezu unbekannt. Nur für das Rauchen gibt es eine relevante Assoziation. Vor einem Jahr berichteten Forscher aus Israel, dass Fettleibigkeit im Jugendalter das Risiko eines späteren Bauchspeicheldrüsenkrebses vervierfache. Bei Männern reiche sogar leichtes Übergewicht aus, um die Anfälligkeit zu erhöhen, schrieben die Wissenschaftler der Universität Tel Aviv in der Fachzeitschrift „Cancer“.

Mayerle erklärt, dass eine gesunde, ausgewogene Ernährung sowie Bewegung helfe, das Tumorrisiko zu senken. Übergewicht erhöhe das Risiko für ein Pankreaskarzinom dagegen um einen Faktor 3.

Der Bauchspeicheldrüsentumor setzt sehr früh Metastasen frei im Körper frei

Um im Fall der Fälle die jeweils richtige Behandlung planen zu können, müssen Patienten und Ärzte wissen, wie fortgeschritten das Tumorwachstum ist und ob bereits Metastasen, also Absiedlungen in anderen Organen, vorhanden sind. Laut der Pankreas-Spezialistin ein weiteres Problem. „Der Bauspeicheldrüsentumor an sich metastasiert sehr früh“, so Mayerle. „Wenn bereits Fernmetastasen entstanden sind, kann eine Operation allein nicht mehr heilen und im Kampf gegen die Krankheit müssen Chemotherapien eingesetzt werden.“

Eine an Krebs erkrankte Mutter, mit ihrem Kind. Von der Chemotherapie fallen Patienten häufig die Haare aus.
Eine an Krebs erkrankte Mutter, mit ihrem Kind. Von der Chemotherapie fallen Patienten häufig die Haare aus. © Getty Images | FatCamera

Dies wirke sich natürlich auch negativ auf die Heilungschancen aus. Bei Patienten ohne Metastasen, die operiert werden können - und das sind ungefähr 20 Prozent – sei die 5-Jahres-Überlebenrate laut Mayere vergleichsweise hoch: „Wenn diese Patienten eine nachgeschaltete kombinierte Chemotherapie aus drei Medikamenten nach der Operation bekommen, liegt die Chance über 50 Prozent in den nächsten fünf Jahren nicht an einem Tumorrezidiv (Wiederauftreten eines Tumors, Anm. der Red.) zu erkranken.“ Damit habe sich die Prognose in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Überlebenswahrscheinlichkeit hat sich auf zwölf Monate verdoppelt

Doch auch für die Patienten, die nicht operiert werden können, das heißt, die in einem metastasierten Stadium diagnostiziert werden, gebe es durch die Kombinationstherapien Lichtblicke. „Vor zehn Jahren lag die Überlebenswahrscheinlichkeit bei sechs Monaten nach Diagnosestellung“, so die Expertin. „Heute sind es immerhin bereits ungefähr zwölf Monate – eine Verdopplung.“ Das wirke sich natürlich auch auf die Überlebensraten aus: Heute gehe man von etwa acht Prozent Heilungsrate aus.

„Das Problem ist, dass der Pankreastumor eine sehr große Bindegewebsreaktion hat und diese eine Barriere für die Therapien darstellt“, erklärt Gastroenterologin Mayerle. Große Hoffnung setzte man aktuell in die Präzisionsonkologie. Ziel sei es durch die genetische Aufarbeitung des Gewebes und die Identifikation von spezifischen Tumorveränderungen eine Schlüssel-Schloss-Therapie zu ermöglichen. „Das gelingt bei einem Pankreaskarzinom momentan in ungefähr 25 Prozent der Fälle“.

„Das heißt nicht, dass man nichts dagegen tun kann“

Bei anderen Krebsarten schlagen neue Therapien schon heute deutlich besser an. Auch die teils vielversprechende Immuntherapie scheint für das Pankreaskarzinom weniger wirksam. „Vorhergesagt ist, dass das Pankreaskarzinom im Jahr 2030 die zweit- oder dritthäufigste Todesursache bei einer Krebserkrankung sein wird“, so die Expertin.

Dennoch möchte sie Betroffenen gerne die Angst nehmen. „Natürlich ist es ein Tumor mit einer schlechten Prognose“, so Mayerle. „Aber das heißt nicht, dass man nichts dagegen tun kann und die Lebensqualität nicht auch unter Therapie akzeptabel ist.“